Neue Szene 2018-03
Stadtmagazin für Augsburg (Bayern)
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CINERAMA<br />
41<br />
RÜCKENWIND VON VORN<br />
Regie: Philipp Eichholtz<br />
Mit Victoria Schulz, Aleksandar Radenkovic,<br />
Daniel Zillmann u.a.<br />
Protagonistin in diesem Drama deutscher Produktion<br />
ist Charlie, eine junge Lehrerin aus Berlin. Sie<br />
sieht sich mit Thematiken des Erwachsenenlebens<br />
konfrontiert, denen sie sich nicht gewachsen fühlt.<br />
Ihr Freund Marco wünscht sich, obwohl es bei<br />
den beiden kriselt, nach fünf Jahren Beziehung<br />
baldigen Nachwuchs und Charlies geliebte Oma<br />
wird krank. Im Vergleich scheinen die Leben der<br />
anderen dagegen abenteuerlich und viel einfacher<br />
zu sein. Zum Beispiel das ihrer besten Freundin, die<br />
einen Backpacking-Trip durch Asien plant, oder ihres<br />
Kollegen, der mit dem Wohnwagen Richtung Osten<br />
reist. Charlie gerät in eine Sinnkrise und überdenkt,<br />
was sie wirklich vom Leben will und braucht. Ein<br />
spannendes neues Werk mit großem Realitätsbezug<br />
über Selbstfindung und den Mut für einen Richtungswechsel<br />
von Independent Regisseur Eichholtz. (ma)<br />
(Kinostart: 15.<strong>03</strong>.)<br />
<br />
ZWEI HERREN IM ANZUG<br />
Regie: Josef Bierbichler<br />
Mit Martina Gedeck, Josef Bierbichler u.a.<br />
„Zwei Herren im Anzug“ ist die Geschichte dreier<br />
Generationen in Bayern, die vom Beginn des Ersten<br />
Weltkrieges bis ins Jahr 1984 (Zufall!?) reicht. Nach<br />
dem Leichenschmaus zu Ehren der verstorbenen Frau<br />
und Mutter Theres unterhalten sich im Gasthaus am<br />
See Wirt und Bauer Pankraz und sein 35-jähriger<br />
Sohn Semi. Sie lassen die Vergangenheit Revue passieren<br />
und so kommt nach und nach alles zur Sprache<br />
und im wahrsten Sinne des Wortes auch ins Bild. Josef<br />
Bierbichler, der hier Regisseur und Schauspieler ist,<br />
hat seinen Roman „Mittelreich“ verfilmt, in dem er<br />
die Geschichte seiner eigenen Familie in den Kontext<br />
der Zeit (Besatzung, Kalter Krieg, Wirtschaftswunder,<br />
Studentenunruhen etc.) setzt. „Zwei Herren im<br />
Anzug“ ist eine bayerische Familiensaga, kraftvoll,<br />
kritisch inszeniert und gespielt. Bayerische Heimat<br />
jenseits des Klischees von Dirndl und Lederhose. (cs)<br />
(Kinostart 22.<strong>03</strong>.)<br />
<br />
THE DEATH OF STALIN<br />
Regie: Armando Iannucci<br />
Mit Steve Buscemi, Simon Russell Beale, Jason Isaacs,<br />
Michael Palin u.a.<br />
Nach dem Tod des Diktators Stalin im Jahre 1953<br />
entbrennt ein bitterböser Kampf im Zentralkomitee<br />
der KPdSU um seine Nachfolge. In Stellung bringen<br />
sich der nicht besonders helle Georgi Malenkow,<br />
der erstmal die Regierungsgeschäfte weiterführt, der<br />
sadistische Sicherheitschef Lawrenti Beria und last<br />
but not least der gewiefte Nikita Chruschtschow. Armando<br />
Iannucci, u.a. bekannt durch seine politische<br />
Sitcom „The Kick Of It“ und seinen Kinofilm „Kabinett<br />
außer Kontrolle“, lässt es echt krachen. „The Death<br />
Of Stalin“ ist eine ziemlich düstere und brutale Satire,<br />
bei der einem immer wieder das Lachen im Halse<br />
stecken bleibt. Aber sagt man nicht, die Wirklichkeit<br />
ist immer noch brutaler als man es sich vorstellen<br />
kann? Apropos, in Russland, der Freien Russischen<br />
Föderation, ist der Film selbstverständlich verboten.<br />
(cs) (Kinostart 29.<strong>03</strong>.)<br />
<br />
filmtipp des monats<br />
Das schweigende Klassenzimmer<br />
Regie: Lars Kraume<br />
Leonhard Schleicher, Tom Gramenz, Ronald Zehrfeld, Florian Lucas u.a.<br />
Im Jahre 1956 sind die ostdeutschen Abiturienten Theo und Kurt unterwegs<br />
in Westberlin und sehen bei einem Kinobesuch in der Wochenschau<br />
erschütternde Bilder vom Volksaufstand in Budapest. Zurück in der DDR<br />
wächst gemeinsam mit ihren Mitschülern Lena, Paul und Erik die Idee,<br />
während des Unterrichts eine Schweigeminute für die ungarischen Opfer<br />
einzulegen. Doch sie haben unterschätzt, was sie mit ihrer kleinen Geste<br />
auslösen. Diese 60 Sekunden werden ihre Zukunft komplett verändern und<br />
ihr Leben auf den Kopf stellen. Zwar versucht der Schuldirektor, die Aktion<br />
als jugendlichen Unsinn abzutun, aber die SED-Oberen vermuten einen<br />
politischen Akt und versuchen mit allen Mitteln, den Anstifter ausfindig zu<br />
machen. Die Klasse aber hält trotz sämtlicher Verdächtigungen, Verhöre und<br />
Drohungen zusammen.<br />
Dieses gelungene DDR-Drama basiert auf wahren Ereignissen aus dem<br />
gleichnamigen Sachbuch von Dietrich Garstka, die sich in den 50er-Jahren<br />
im brandenburgischen Storkow zutrugen. Dem preisgekrönten Regisseur und<br />
Drehbuchautor Lars Kraume ist es gelungen, in „Das schweigende Klassenzimmer“<br />
einen Cast aus höchst vielversprechenden Nachwuchskünstlern und<br />
herausragenden, etablierten Darstellern des deutschen Kinos zu versammeln.<br />
Die Hauptrolle übernimmt Leonard Scheicher, der dem Kinopublikum schon<br />
bei Produktionen wie „Es war einmal Indianerland“ und „Finsterworld“<br />
auffiel. Neben ihm spielt Nachwuchsentdeckung Tom Gramenz die zweite<br />
Hauptrolle. In weiteren Rollen der Klassenkameraden sind Lena Klenke, Isaiah<br />
Michalski und Jonas Dassler zu sehen. Für die erwachsenen Nebenrollen<br />
konnte mit Ronald Zehrfeld, Florian Lukas, Jördis Triebel, Michael Gwisdek<br />
und Burghart Klaußner eine erstklassige Darstellerriege gewonnen werden.<br />
Der Film, der die DDR-Geschichte auf eine extrem fesselnde und mitreißende<br />
Art und Weise beschreibt, befindet sich zu Recht in der Vorauswahl der<br />
Verleihung des Deutschen Filmpreises <strong>2018</strong> und wird über 60 Jahre nach den<br />
historischen Ereignissen im ehemaligen Ostblock die Kinobesucher aller Teile<br />
der Bundesrepublik begeistern. (max) (Kinostart: 01.<strong>03</strong>.)