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Festspielzeit Frühling 2018

Das Magazin der Bregenzer Festspiele

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Auf die Frage, wie er sich<br />

denn so fühle, jetzt, wo er<br />

im Mittelpunkt des musikalischen<br />

Weltinteresses stehe, seine<br />

Werke von führenden Weltmusikern<br />

aufgeführt würden, er mit Ehrungen<br />

und Würdigungen geradezu überhäuft<br />

werde, antwortete Berthold<br />

Goldschmidt anlässlich einer Pressekonferenz<br />

im Jahr 1994 trocken<br />

ironisch: »Wäre mir das alles vor<br />

zehn Jahren passiert, also mit 80,<br />

wäre ich wohl pausenlos zu Tränen<br />

gerührt, jetzt, mit über 90, ist mir<br />

eigentlich eher zum Lachen zumute.«<br />

Berthold Goldschmidt verkörpert<br />

fürwahr einen Einzelfall in der<br />

Musikgeschichte. Ein Leben lang als<br />

Komponist, Dirigent nicht gebührend<br />

wahrgenommen, widerfährt<br />

dem Absolventen der Meisterklasse<br />

Franz Schrekers die internationale<br />

Anerkennung in seinen allerletzten<br />

Lebensjahren. Ein Glücksfall, nicht<br />

nur für ihn, sondern auch für die<br />

Musikwelt, die ihn als letzten und<br />

sehr teilnahmsvollen Zeitzeugen<br />

einer längst vergangenen Epoche<br />

erleben und befragen konnte. Viele<br />

seiner zu Unrecht in Vergessenheit<br />

geratenen Komponistenkollegen<br />

erhielten durch ihn eine Stimme:<br />

»Walter Braunfels? Ein großartiger<br />

Komponist! Ich fuhr 1920 extra von<br />

Hamburg nach München zur Uraufführung<br />

seiner Oper Die Vögel.<br />

Dirigiert hat Bruno Walter und das<br />

Orchestervorspiel war das Schönste,<br />

was ich je in meinem Leben<br />

gehört hatte.«<br />

Anlass zum Lachen hatte Berthold<br />

Goldschmidt im Verlauf seines langen<br />

Lebens wahrlich nicht allzu viel,<br />

seit die Nazis 1933 seine Karriere<br />

zerstört und die geplante Berliner<br />

Aufführung seiner im Jahr zuvor<br />

in Mannheim erfolgreich uraufgeführten<br />

Oper Der gewaltige Hahnrei<br />

verhindert hatten. Die vielversprechende<br />

Karriere der »großen<br />

Hoffnung der deutschen Musik«<br />

(Hans Ferdinand Redlich) war damit<br />

abrupt beendet. Und er hätte allen<br />

Grund gehabt, als enttäuschter,<br />

misanthropischer Zeitgenosse zu<br />

enden, dem vom Schicksal einfach<br />

zu übel mitgespielt worden ist.<br />

Zwar gelingt ihm im Oktober 1935<br />

die Emigration nach England, doch<br />

die wenige Wochen zuvor drastisch<br />

verschärften Einreisebedingungen<br />

unterbinden eine Fortsetzung<br />

seiner beruflichen Tätigkeit. So<br />

scheitert etwa eine offizielle Anstellung<br />

als Korrepetitor bei dem jungen<br />

Glyndebourne Opernfestival unter<br />

der Leitung seines ehemaligen Chefs<br />

aus Berliner Tagen, Carl Ebert. Nur<br />

unter schwierigen Bedingungen<br />

und in bescheidenen Verhältnissen<br />

lebend verbringen er und seine Frau<br />

Elisabeth Karen Bothe die ersten<br />

Jahre der Emigration. Erst 1944<br />

erhält er von der BBC den Job als<br />

Leiter der deutschen Abteilung, bis<br />

1947, dem Jahr, als das soeben gegründete<br />

Edinburgh Festival an ihn<br />

herantritt mit der Bitte, das Dirigat<br />

für Verdis Macbeth zu übernehmen.<br />

Was dann folgt, ist eine sprichwörtliche<br />

Farce à la Goldschmidt: Wenige<br />

Tage vor der Premiere bittet man<br />

ihn zurückzutreten, da kurzfristig<br />

der »berühmtere« Name George<br />

Szell für das Festival gewonnen<br />

werden konnte. Goldschmidt macht<br />

großmütig Platz, nur um dann für<br />

den plötzlich erkrankten George<br />

Szell so kurzfristig einzuspringen,<br />

dass in den Zeitungen am Tag darauf<br />

von der umjubelten Aufführung<br />

unter George Szell zu lesen ist. Es<br />

ist auch die Zeit, in der Berthold<br />

Goldschmidt erfahren muss, dass<br />

über 20 Mitglieder seiner Familie<br />

in den Todesmühlen des Dritten<br />

Reichs umgekommen sind. Die<br />

nächste bittere Enttäuschung lässt<br />

nicht lange auf sich warten: Beatrice<br />

Cenci, 1949/50 komponiert, erhält<br />

zwar einen Preis beim anlässlich des<br />

Festival of Britain vom Arts Council<br />

durchgeführten Opernwettbewerbs,<br />

doch das Royal Opera House Covent<br />

Garden will die Oper nicht zur<br />

Aufführung bringen. Bekanntlich<br />

erlebt sie 1994 in Magdeburg – im<br />

»Ich wünschte mir, meine<br />

einstigen Feinde könnten<br />

das miterleben«<br />

11<br />

berthold goldschmidt<br />

Beisein Goldschmidts – ihre längst<br />

überfällige und umjubelte szenische<br />

Erstaufführung. Es wiederholt sich<br />

das Szenario von 1992 nach der<br />

konzertanten Erstaufführung des<br />

Gewaltigen Hahnrei in der Berliner<br />

Philharmonie: Unvergessen Goldschmidts<br />

Erscheinen auf der Bühne,<br />

wo ein nicht enden wollender Bei-<br />

BEATRICE CENCI

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