STARK!STROM Magazin #4
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Schwarzstrom<br />
Vinyl only – Klangkultur für Hörer.<br />
40<br />
ANGELUS APATRIDA –<br />
Cabaret De La Guillotine (Century Media)<br />
Thrash Metal aus Spanien ist ungefähr so<br />
gängig wie ein Töpferkurs von Aliens in der<br />
Schrebergartensiedlung. Aber mangelnde<br />
Popularität eines Heavy-Standortes sagt gar<br />
nichts aus – diese Scheibe ist gut produziert<br />
und bietet eine kompakte Performance. Der<br />
Aufstieg in die Oberliga bleibt trotzdem<br />
fraglich. Der Mix aus Achtziger-Versatzstücken und modernistischen<br />
Core-Parts mit cleanen Vocals nützt sich oft rasch ab. Südländische<br />
Rohkost mit Gewürzdefiziten.<br />
FATES WARNING – Live Over Europe<br />
(InsideOut Music)<br />
Diese Band könnte temperaturresistente<br />
Businesskleidung besitzen. Seit endlosen<br />
Jahren agieren FATES WARNING<br />
im frostigen Schatten der Progressive-<br />
Metal-Marktführer, oft nur wenige Zentimeter<br />
entfernt vom möglichen Höhenflug.<br />
Jene konzertante Momentdokumentation<br />
auf drei LPs dürfte wenig ändern. Trotz hoher Qualität, atmosphärischer<br />
Dichte und diesem langen Karriereatem. Eine Hoffnung auf wirtschaftliche<br />
Klimaerwärmung bleibt dennoch bestehen.<br />
JOHN COLTRANE – Both Directions<br />
At Once: The Lost Album (Impulse!<br />
Records/Universal)<br />
Inmitten einer Unmenge klanglicher<br />
Wegwerfprodukte der Beliebigkeits-<br />
Gesellschaft, inmitten aller Requisiteure<br />
des Mittelmaßes und ihrer sedierenden<br />
Leerformeln taucht jenes Monument auf.<br />
Ein verschollenes Album von John Coltrane,<br />
Reformator und Freigeist des Jazz-Saxophons. Angesichts dieser Klangmagie<br />
aus dem Jahre 1963 mögen alle erblassen, deren Horizont mit dem<br />
Erzeugen heißer Luft endet. Eine Perle auf Vinyl, ein Hoffnungstonträger.<br />
JOSHUA REDMAN – Still Dreaming<br />
(Nonesuch Records/Warner)<br />
Joshua Redman ist immer noch in dieser<br />
Traumwelt. Das Schlaf-Accessoire bildet<br />
jene Formation, in der sein Vater, Saxophonist<br />
Dewey Redman, für Furore sorgte.<br />
OLD AND NEW DREAMS störten in den<br />
Siebziger-Jahren die Schwerkraft des<br />
Jazz-Pragmatismus mit ihren frischen,<br />
hymnischen Avantgarde-Epen. Diese LP ist eine bewusste Hommage<br />
an jene Ikonen und errichtet virtuos eine Seelenbrücke zwischen Jetzt<br />
und Vergangenheit. Träum weiter, Joshua.<br />
RUSH – A Farewell To Kings (40th<br />
Anniversary Deluxe Edition Box-Set<br />
(Mercury/Universal))<br />
Jene Torte darf als sammeltechnische<br />
Top-Kalorienzufuhr gelten. Die Zutaten<br />
sind allen Fans der IQ-Rock-Legende<br />
bekannt: Das hier gefeierte Album gilt als<br />
Klassiker von RUSH, der nach 40 Jahren<br />
null Abnutzungserscheinung zeigt. Stilsicher<br />
bietet die Geburtstagsbox der kanadischen Überflieger vier LPs,<br />
eine Blu-ray und drei Silberlinge. Das Schwergewicht ist sehr ansehnlich<br />
gestaltet, damit lohnt sich die hohe Investition. Mund auf und mampfen.<br />
SPOCK’S BEARD – Noise Floor<br />
(InsideOut Music)<br />
Am Höhepunkt ihres Schaffens kreierten<br />
SPOCK’S BEARD ein besonderes<br />
Prog-Präparat. Aus luftigen Siebziger-Hippie-Melodien<br />
und verschrobenen<br />
Arrangements entstanden geniale Botenstoffe<br />
für nachhaltige Glücksgefühle. Nach<br />
Besetzungswechseln, auch verbunden mit<br />
einer latenten Formkrise, ist die Wende in Sicht. Selbst wenn frühere<br />
Glanzleistungen ausbleiben, ist diese in jeder Hinsicht starke Doppel-LP<br />
plus EP eine erste Rückkehr zum Glück.<br />
THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA –<br />
Sometimes The World Ain’t Enough<br />
(Nuclear Blast)<br />
Im Radar der Kommerzzone taucht ein<br />
schwedischer Carrier auf, direkt im Anflug<br />
auf den Umsatzpunkt. THE NIGHT<br />
FLIGHT ORCHESTRA etikettiert als Supergruppe,<br />
bewegt sich in überschaubarer<br />
kreativer Höhe, der Antrieb dürfte aus<br />
den Triebwerken des Marktpopulismus kommen. Denn die betont<br />
gefällige Mainstream-Metal-Scheibe mit ihrem sterilen Cover wirkt<br />
trotz professioneller Machart reichlich gekünstelt. Egal, auch Economy<br />
kommt ja immer gut an.<br />
Special: Schweizer Feinmechanik<br />
Die monetäre Retrofizierung geht weiter. Alles, was früher via CD oder<br />
Mini-Vinyl-Auflage vorhanden war, erscheint jetzt auf Schallplatte. Die<br />
Kasse muss klingeln, solange der Boom anhält. Bei den ersten drei Alben<br />
von CORONER ist der Re-Release von Century Media ein sinnvoller<br />
Schritt. Die Schweizer Band steht für feingetunten technischen Thrash<br />
Metal, der seinerzeit mehr Zuwendung verdient hätte. Jetzt könnte<br />
Gerechtigkeit einkehren in jeden Tonträgerschrank.<br />
Christian Prenger