Der Burgbote 1970 (Jahrgang 50)
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Schwerfällige und oftmals gefährlich über<br />
ladene Galeonen folgten den schnellen Karavellen,<br />
und hundert Jahre lang strömte un<br />
endlicher Reichtum am „südlichen Teil von<br />
Aethiopien", wie Südafrika damals genannt<br />
wurde, vorbei in die Schatzkammern von<br />
Lissabon.<br />
Aber Südafrika selber blieb ein namenloses,<br />
unerforschtes, geheimnisvolles Land, weil es<br />
keine Reichtümer zu besitzen schien. Entlang<br />
der rund <strong>50</strong>00 Kilometer langen Küste waren<br />
nur einige Buchten und Flußmündungen in<br />
die Seekarten eingetragen worden, und als<br />
einziger wichtiger Stützpunkt fungierte ledig<br />
lich die Bucht von St. Blaize, später Messel<br />
Bay genannt, wo die Portugiesen Frischwas<br />
ser und Wildbret übernahmen. Bis zum heu<br />
tigen Tage erhebt sich der Postamts-Baum<br />
würdevoll auf einer Anhöhe oberhalb der<br />
Bucht. An ihm steckten die ostwärts fahren<br />
den, heimwehkranken Seeleute in einen alten<br />
Stiefel, der von den Zweigen baumelte, ihre<br />
Briefe, damit sie von der Besatzung der näch<br />
sten Kurs Portugal steuernden Schiffes mit<br />
genommen würden. Wer heute dort vorbei<br />
kommt, kann seine Post einem Briefkasten in<br />
der Form eines Stiefels am Fuß des Baumes<br />
in der Gewißheit anvertrauen, daß seine mit<br />
einem Sonderstempel geschmückten Grüße<br />
innerhalb weniger Tage jeden Winkel der<br />
Erde erreichen.<br />
Die wenigen Kenntnisse über Südafrika, wel<br />
che die Portugiesen besaßen, stammten von<br />
Seeleuten, deren Schiffe den Stürmen vor der<br />
Küste Natals zum Opfer gefallen waren. Hier<br />
traf der weiße Mann zum erstenmal auf die<br />
wilden schwarzen Stämme, die mit ihrem Vieh<br />
aus Zentralafrika nach Süden zogen. Diese<br />
Kontakte ebenso wie diejenigen mit den Hot<br />
tentotten — eine gelbhäutige, bereits entlang<br />
der Küste ansässige Rasse — verliefen nicht<br />
immer freundschaftlich. Offene Feindschaft ar<br />
tete oftmals in Gewalttätigkeit aus, und bei<br />
einem solchen Zwischenfall wurden der Vize<br />
könig von Indien und viele aus seinem Ge<br />
folge am Fuß des Tafelberges von den Hotten<br />
totten ermordet.<br />
Aber die Portugiesen schenkten diesen Wech<br />
selfällen des Tages wenig Beachtung, und<br />
erst als England und die Niederlande nach<br />
den Reichtümern Indiens zu schielen began<br />
nen, sank ihr Glücksstern. Am Ende des 16.<br />
Jahrhunderts hatten die beiden großen nord<br />
europäischen Seefahrernationen bereits das<br />
Kap der Guten Hoffnung umschifft und Gesell<br />
schaften für den Handel mit dem Osten ge<br />
gründet. Damit hatte die Sterbestunde der<br />
portugiesischen Unternehmungen geschlagen.<br />
Die zwei großen Gegner der portugiesischen<br />
Krone, die gleichzeitig Rivalen untereinander<br />
waren, setzten direkt vom Kap der Guten<br />
Hoffnung nach Indien aus, und die Tafelbucht<br />
errang dadurch größte Bedeutung als Versor<br />
gungsstation auf dem langen Weg von Euro<br />
pa. Dies war zuvor nicht so gewesen, weil die<br />
Portugiesen stets die Küste Mozambiques am<br />
Rande des Monsumgürtels als ihren haupt<br />
sächlichen Nachschubstützpunkt benutzt hat<br />
ten.<br />
Zunächst blieb die Tafelbucht freilich ein hal<br />
bes Jahrhundert lang nichts weiter als ein<br />
Treffpunkt von Schiffen, unter denen die hol<br />
ländischen und englischen führten. Zwar hatte<br />
es Pläne gegeben, um eine gemeinsame<br />
Siedlung zu gründen, welche die von Skorbut<br />
geplagten Besatzungen versorgen konnte, aber<br />
die Animosität zwischen den beiden Seefah<br />
rernationen machte diese Absicht rasch zu<br />
nichte. und führte schließlich zu offener Feind<br />
schaft, die sich in den englisch-holländischen<br />
Handelskriegen niederschlug.<br />
Die erste Siedlung der „Kompagnie"<br />
Schließlich überrundete die Niederländisch<br />
Ostindische Kompagnie ihren Rivalen. Die<br />
Tatsache, daß eine schiffbrüchige Besatzung<br />
fast ein Jahr lang in der Tafelbucht überlebt<br />
hatte, führte die Holländer zu der Entschei<br />
dung, auf eigene Faust einen Stützpunkt mit<br />
einer Besatzung von weniger als hundert<br />
Männern zu etablieren.<br />
<strong>Der</strong> Anführer dieses Haufens von „krankr-^<br />
unfähigen, von Skorbut heimgesuchten Ti p<br />
teln", wie sich ein Zeitgenosse auszudrükken<br />
beliebte, war der 31 Jahre alte Jan van<br />
Riebeeck, ein Offizier der Kompagnie, der<br />
darauf bedacht war, den Wert seiner Persön<br />
lichkeit unter Beweis zu stellen, ohne auf eine<br />
angemessene Belohnung durch seine stren<br />
gen Dienstherren zu hoffen. Sein Auftrag<br />
lautete schlicht, die Schiffe und ihre Besat<br />
zungen zu versorgen, in Frieden mit den Hot<br />
tentotten zu leben und die Siedlung rentabel<br />
zu halten.<br />
Am 6. April 1652 warf das kleine Schiff „Dromedaris"<br />
in der Tafelbucht seinen Anker, und<br />
Jan van Riebeeck hißte im Namen der Nie<br />
derländisch Ostindischen Kompagnie die<br />
)