TOPFIT September 2018
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Diagnose & Therapie<br />
19<br />
Krankhafter Kniegelenksverschleiß<br />
Die Eckpfeiler der<br />
Arthrosetherapie<br />
Wer von einer Kniegelenksarthrose betroffen ist, glaubt oft, er müsse die Erkrankung<br />
schicksalhaft hinnehmen. »Arthrose ist zwar bislang nicht heilbar, doch können die Beschwerden<br />
nicht nur mittels eines individuell abgestimmten Therapieplans, sondern<br />
auch mithilfe einer Änderung der Lebensgewohnheiten nachhaltig gelindert werden«,<br />
weiß der Münchner Orthopäde Dr. Heribert Konvalin vom MVZ im Helios.<br />
Von Dr. Nicole Schaenzler<br />
Illustration oben: © pixologic Shubhangi Kene / 123rf.com<br />
Herr Dr. Konvalin, bei den über 60-Jährigen<br />
ist »Kniegelenksarthrose« eine der<br />
häufigsten Diagnosen in der Orthopädie.<br />
Gehört sie zum Älterwerden einfach dazu?<br />
Dr. Konvalin: Richtig ist, dass bei den meisten<br />
Menschen im höheren Lebensalter die Kniegelenke<br />
degenerative Veränderungen aufweisen.<br />
Als tragende und extrem beugefähige<br />
Gelenke müssen die Kniegelenke zeitlebens<br />
intensiven Belastungen standhalten, deshalb<br />
sind sie für Abnutzungserscheinungen besonders<br />
anfällig. Das heißt jedoch nicht, dass<br />
sich automatisch eine Kniegelenksarthrose<br />
entwickeln muss. Fakt ist: Neben dem Alter<br />
und einer erblichen Vorbelastung spielt auch<br />
die individuelle Lebensführung eine wichtige<br />
Rolle, ob sich eine behandlungsbedürftige<br />
Arthrose entwickelt oder nicht.<br />
Welche Faktoren belasten die<br />
Kniegelenke in besonderem Maße?<br />
Dr. Konvalin: Vor allem Übergewicht, Bewegungsmangel,<br />
einseitige Belastungen oder<br />
Fehlstellungen der Beine, wie z. B. X- oder<br />
O-Beine, wirken sich ungünstig auf die Kniegelenke<br />
aus. Aber auch Vorschädigungen<br />
leisten einer Arthrose Vorschub. Wird z. B.<br />
eine Meniskus- oder Kreuzbandverletzung<br />
nicht angemessen orthopädisch behandelt,<br />
beschleunigt dies den Gelenkverschleiß. Gleiches<br />
gilt, wenn der Gelenkknorpel direkt, z. B.<br />
durch einen Unfall, verletzt wurde. Inzwischen<br />
ist es jedoch möglich, Knorpeldefekte so zu<br />
behandeln, dass einerseits die Funktionsfähigkeit<br />
des Kniegelenks wiederhergestellt und<br />
andererseits eine frühzeitige Entwicklung von<br />
Arthrose vermieden werden kann.<br />
Was sind die ersten Symptome einer<br />
Arthrose im Kniegelenk?<br />
Dr. Konvalin: Typisch für eine beginnende<br />
Arthrose ist der sogenannte Anlaufschmerz.<br />
Bei den ersten Schritten nach dem Aufstehen<br />
spüren die Betroffenen einen leichten<br />
Schmerz im betroffenen Knie. In dieser<br />
Phase ist er aber nur von kurzer Dauer. Später<br />
schmerzt das Kniegelenk dann bereits bei<br />
geringer Belastung, und es ist meist nur noch<br />
eingeschränkt beweglich.<br />
Manchmal schwillt das Kniegelenk an …<br />
Dr. Konvalin: . . . entzündliche Prozesse in<br />
der Gelenkkapsel und der Gelenkinnenhaut<br />
können zu akuten Entzündungsphasen mit<br />
Gelenkergüssen, zu einer sogenannten aktivierten<br />
Arthrose, führen. Typische Begleiterscheinungen<br />
sind starke Schmerzen und<br />
klassische Entzündungszeichen wie eine<br />
Schwellung und Überwärmung des betroffenen<br />
Gelenks. Sogar das Knochenmark kann<br />
in Mitleidenschaft gezogen sein, sodass sich<br />
dort Flüssigkeit ansammelt. Ein solches Knochenmarködem<br />
lässt sich derzeit nur mithilfe<br />
einer kernspintomographischen Untersuchung<br />
nachweisen, mit anderen bildgebenden Verfahren<br />
kann es nicht sichtbar gemacht werden.<br />
Ein Knochenmarködem kann nicht nur sehr<br />
schmerzhaft sein, sondern im Extremfall auch<br />
eine Nekrose, also eine zunehmende Zerstörung<br />
der Gelenkfläche in Gang setzen.<br />
Wie wird eine Kniegelenksarthrose<br />
behandelt?<br />
Dr. Konvalin: Wichtig ist, dass die Therapie<br />
stadiengerecht erfolgt. Gerade im Anfangsstadium<br />
ist es oft noch möglich, den Krankheitsverlauf<br />
mithilfe einer Physiotherapie in<br />
Kombination mit Medikamenten und/oder<br />
einer Injektionsbehandlung, etwa mit biomolekularen<br />
Präparaten, günstig zu beeinflussen.<br />
Bewährte Maßnahmen der physikalischen<br />
Therapie sind neben Wärme- bzw.<br />
Kälteanwendungen z. B. auch Akupunktur,<br />
Ultraschall-, Magnetfeld- oder Elektrotherapie.<br />
Eine weitere hilfreiche Methode ist die<br />
Zur Person<br />
ACP-Therapie. Das Verfahren beruht auf der<br />
Erkenntnis, dass das Blut körpereigene Wirkstoffe<br />
enthält, die die Heilung in Gang setzen<br />
und beschleunigen. Eine wichtige Rolle spielen<br />
hierbei die Blutplättchen (Thrombozyten),<br />
die bei einer Verletzung oder bei schmerzhaften<br />
Entzündungsvorgängen Wachstumsfaktoren<br />
freisetzen. Dieses Konzentrat − das autologe<br />
conditionierte Plasma, kurz ACP — wird<br />
in einem speziellen Herstellungsprozess aus<br />
einer kleinen Menge Eigenblut gewonnen und<br />
anschließend ins betroffene Kniegelenk injiziert.<br />
Die ACP-Therapie ist auch eine Option,<br />
wenn Schmerzen im Knie durch eine Sehnenansatzentzündung<br />
verursacht werden.<br />
Was können die Betroffenen selbst tun?<br />
Dr. Konvalin: Wenn die Körperwaage zu viele<br />
Pfunde anzeigt, sollte das Gewicht reduziert<br />
werden. Studien zeigen, dass es Patienten, die<br />
abgenommen haben, signifikant besser geht<br />
als Patienten, bei denen das Gewicht unverändert<br />
geblieben ist. Mindestens ebenso wichtig<br />
ist eine moderate Bewegungstherapie. Es gibt<br />
Sportgruppen speziell für Patienten mit einer<br />
Kniegelenksarthrose; ein Teil der Teilnahmekosten<br />
wird von den meisten Krankenkassen<br />
erstattet. Aber auch Ausdauersportarten wie<br />
Schwimmen, Radfahren, Walking oder moderates<br />
Wandern sind empfehlenswert. Welche<br />
Sportart in welcher Intensität sinnvoll ist, sollte<br />
man jedoch gemeinsam mit dem behandelnden<br />
Arzt absprechen. Und: Läuft im Gelenk<br />
gerade eine akute Entzündung ab, muss dem<br />
Knie unbedingt Ruhe gegönnt werden.<br />
Dr. med. Heribert Konvalin ist Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin,<br />
spezielle Schmerztherapie und Physikalische Medizin und praktiziert im<br />
MVZ im Helios. Zu seinen Leistungsschwerpunkten gehören die Behandlung von<br />
Kniegelenkserkrankungen sowie Schultererkrankungen, aber auch Ellbogen- und<br />
Sprunggelenkarthroskopie, arthroskopische Kreuzband operationen, Fußchirurgie,<br />
regenerative Knorpeltherapie zur Behandlung von Arthrose sowie interven tionelle<br />
Schmerztherapie einschließlich minimal-invasiver Wirbel säulenoperationen. <br />
Nähere Infos: www.mvz-im-helios.de<br />
<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2018</strong>