TOPFIT September 2018
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Thema aktuell 5<br />
Das Interview zum Thema<br />
Wird ein metastasierter Brustkrebs anders<br />
therapiert als ein lokal begrenzter Brustkrebs?<br />
Spielt es für die Therapieplanung<br />
eine Rolle, wo genau die Metastasen<br />
lokalisiert sind? Was können die Betroffenen<br />
selbst tun? Diese und andere Fragen<br />
stellt <strong>TOPFIT</strong> Prof. Dr. Nadia Harbeck, die<br />
das Brustzentrum und die Onkologische<br />
Tagesklinik an der Frauenklinik der<br />
Universität München mit den beiden<br />
Standorten Großhadern und Maistraße/<br />
Innenstadt leitet. Als Mitglied verschiedener<br />
Forschergruppen ist Prof. Harbeck auf<br />
internationaler Ebene an der Erarbeitung<br />
von Leitlinien zur Brustkrebsbehandlung<br />
beteiligt; die große Brustkrebsstudie ADAPT<br />
der Westdeutschen Studiengruppe mit rund<br />
5000 Brustkrebspatientinnen wurde unter<br />
ihrer Leitung durchgeführt.<br />
Frau Prof. Harbeck, ein Brustkrebs<br />
als Erstdiagnose oder ein Brustkrebs<br />
mit Metastasen — worin<br />
unterscheiden sich die jeweiligen<br />
Therapieansätze?<br />
Prof. Harbeck: Der Therapieansatz bei<br />
einer Ersterkrankung oder einem Lokalrezidiv<br />
ohne Metastasen ist tatsächlich<br />
ein anderer als bei einem metastasierten<br />
Brustkrebs. Bei einem erstmals diagnostizierten,<br />
lokal begrenzten Brustkrebs<br />
ist das Therapieziel die vollständige<br />
Heilung. Operation, Medikamente und<br />
Strahlentherapie sind die klassischen<br />
Eckpfeiler der Brustkrebsbehandlung,<br />
die zudem meist nach einigen Monaten<br />
abgeschlossen ist. Hat ein Brustkrebs Metastasen<br />
gebildet, ist eine Heilung nicht<br />
mehr möglich — die Tumorerkrankung ist<br />
chronisch geworden. Nun geht es primär<br />
KONTAKT<br />
Univ.-Prof. Dr. med. Nadia Harbeck<br />
Leitung Brustzentrum der Universität München<br />
Standorte: Frauenkliniken Maistraße-Innenstadt und<br />
Großhadern • Klinikum der Universität München<br />
Marchioninistr. 15 • 81377 München<br />
Tel.: 089 / 4400 77581<br />
E-Mail: sekretariat-prof-harbeck@med.uni-muenchen.de<br />
Nähere Infos: www.lmu-brustzentrum.de<br />
darum, ein Fortschreiten der Erkrankung<br />
für möglichst viele Jahre aufzuhalten und<br />
dafür zu sorgen, dass es der Patientin<br />
gut geht: Es gilt, eine Therapiestrategie<br />
zu wählen, die die höchste Wirksamkeit<br />
verspricht und gleichzeitig verträglich ist.<br />
Hierfür muss die Therapie individuell auf<br />
die Patientin abgestimmt sein — auf ihr<br />
Alter, ihren Allgemeinzustand und ihre<br />
Krankheitsgeschichte ebenso wie auf ihre<br />
persönlichen Bedürfnisse, Vorstellungen<br />
und Wünsche. Deshalb ist der Therapieplan<br />
praktisch für jede einzelne Patientin<br />
ein anderer. Gleichwohl müssen sich<br />
alle Patientinnen darauf einstellen, dass<br />
sie von nun an dauerhaft Medikamente<br />
einnehmen und regelmäßige Kontrolluntersuchungen<br />
bei ihrem behandelnden<br />
Arzt durchführen lassen müssen.<br />
Beim lokal begrenzten Brustkrebs<br />
ist die operative Entfernung des<br />
Tumors die Methode der Wahl. Trifft<br />
das auch für die Behandlung des<br />
metastasierten Brustkrebses zu?<br />
Prof. Harbeck: Nein, sobald sich Metastasen<br />
gebildet haben, ist eine Operation in<br />
der Regel keine vorrangige Therapieoption<br />
mehr. Denn nun steht nicht mehr der<br />
Tumor in der Brust im Vordergrund des<br />
Therapieansatzes, sondern jetzt muss der<br />
ganze Körper behandelt werden. Dabei<br />
spielt auch die akute Krankheitssituation<br />
eine wichtige Rolle: Leidet die Patientin<br />
gerade unter Schmerzen oder anderen<br />
Beeinträchtigungen, gilt es als Erstes,<br />
diese zu lindern. Im nächsten Schritt<br />
erfolgt dann die systemische Therapie.<br />
Basis dieser systemischen, also im ganzen<br />
Körper wirksamen Therapie sind Medikamente.<br />
Welche Wirkstoffe in welcher<br />
Dosierung, Reihenfolge oder auch in<br />
welcher Kombination im Einzelfall zum<br />
Einsatz kommen, wird, wie gesagt, immer<br />
individuell auf Basis der Leitlinienempfehlungen<br />
festgelegt.<br />
Welche Rolle spielt die klassische<br />
Chemotherapie?<br />
Prof. Harbeck: Dank der großen medizinischen<br />
Fortschritte in den letzten Jahren<br />
ist es inzwischen möglich, oft erst einmal<br />
einen schonenderen Therapieweg einzuschlagen<br />
als gleich mit der aggressivsten<br />
Form der Behandlung zu beginnen. Die<br />
modernen, zielgerichteten Therapien<br />
zeichnen sich nicht nur dadurch aus, dass<br />
sie das Überleben verlängern, sondern<br />
sie sind auch besser verträglich als die<br />
klassischen Chemotherapeutika. Je nach<br />
Tumorbiologie kann es sogar sein, dass<br />
eine Chemotherapie erst einmal gar<br />
keine Therapieoption ist.<br />
Beeinflusst es die Therapieentscheidung,<br />
wo die Metastasen<br />
lokalisiert sind?<br />
Prof. Harbeck: Wo sich die Metastasen<br />
genau befinden, spielt für die Therapieplanung,<br />
wenn überhaupt, allenfalls eine<br />
untergeordnete Rolle. Denn das primäre<br />
Ziel ist, wie gesagt, eine systemisch wirkende<br />
Therapie, unter der die Erkrankung<br />
stabil bleibt. Manchmal bietet sich<br />
ergänzend eine lokale Behandlung an,<br />
etwa eine Strahlentherapie bei Metastasen<br />
im Gehirn. Bei Knochenmetastasen<br />
verordnen wir zusätzlich zur Basistherapie<br />
immer auch knochenstützende<br />
Medikamente.<br />
Gibt es auch nicht-medikamentöse<br />
Maßnahmen, die den Frauen helfen<br />
können?<br />
Prof. Harbeck: Studien zeigen, dass<br />
Frauen mit einer chronischen Krebserkrankung<br />
vor allem von regelmäßiger<br />
Bewegung und einer ausgewogenen<br />
Ernährung, aber auch von Entspannungsund<br />
Achtsamkeitsübungen profitieren.<br />
Für viele Patientinnen ist auch eine <br />
psychoonkologische Unterstützung oder<br />
der Austausch mit anderen Betroffenen<br />
in einer Selbsthilfegruppe hilfreich.<br />
Wir Ärzte haben die Aufgabe, unsere<br />
Patientinnen darin zu bestärken, nicht die<br />
Hoffnung zu verlieren. Wir können ihnen<br />
Mut machen, indem wir ihnen aufzeigen,<br />
dass es dank der neuen Therapien heute<br />
möglich ist, noch viele Jahre ein Leben<br />
ohne größere Einschränkungen oder<br />
Einbuße der Lebensqualität zu führen.<br />
Aufgeben ist also keine Option!<br />
<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2018</strong>