TOPFIT September 2018
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Gesund leben<br />
23<br />
der Samen ergibt, umkehren und zu Verstopfung<br />
und Blähungen führen. Grundsätzlich gibt<br />
es wenig gegen die exotischen Körner einzuwenden.<br />
Wer sie regelmäßig essen möchte, kann das<br />
also durchaus tun. Er sollte sich allerdings an<br />
die empfohlene Maximalmenge von 15 Gramm<br />
pro Tag halten, um möglichen Nebenwirkungen<br />
vorzubeugen.<br />
Zudem sollte, wer auf seine schlanke Linie<br />
achtet, vor allem die Dosis in Betracht ziehen,<br />
schließlich haben 15 Gramm Chiasamen<br />
schon etwa so viele Kalorien wie eine Scheibe<br />
Toastbrot.<br />
Açaí-Beeren — exotisch und<br />
vitaminreich<br />
Kleine schwarze Beeren, die aus dem Amazonasgebiet<br />
kommen – das klingt doch schon mal<br />
sehr nach Superfood. Nachgesagt werden den<br />
Açaí-Beeren ein ausgesprochen hoher Vitamingehalt<br />
und eine Menge Antioxidantien, die die<br />
sogenannten freien Radikale binden und damit<br />
bei Arteriosklerose und sogar Diabetes helfen<br />
sollen. Auch soll die Açaí-Beere, die es hier meist<br />
als Saft oder häufiger noch als Pulver zu kaufen<br />
gibt, beim Abnehmen helfen. Die Beere ist heute<br />
zusammen mit der Avocado eines der am besten<br />
erforschten Superfoods auf dem Markt. Der Abnehmeffekt<br />
konnte trotz entsprechender Studien<br />
aber auch bei der Açaí-Beere nicht bestätigt<br />
werden.<br />
Richtig ist jedoch: Die Açaí-Beere hat viele Vitamine<br />
und Antioxidantien, die das Label »gesund«<br />
durchaus rechtfertigen. Nur eine kleine<br />
Einschränkung des Loblieds gibt es: Heimische<br />
Produkte wie etwa Heidelbeeren oder Holunder<br />
sind genauso gesund und stehen der teuren importierten<br />
Açaí-Beere in nichts nach.<br />
Goji-Beeren — nicht gerade<br />
unbedenklich<br />
Bei den Ureinwohnern Mittelamerikas war Chia eine<br />
wichtige Nahrungspflanze.<br />
Ähnlich gepriesen wie die Açaí-Beere, doch leider<br />
gesundheitlich deutlich bedenklicher sind<br />
die chinesischen Goji-Beeren. Von einem Mangel<br />
an Studien kann man hier nicht sprechen, jedoch<br />
sind die meisten davon in chinesischen Laboren<br />
und nicht, wie hierzulande üblich, durch<br />
Tests an einer repräsentativen Gruppe von Menschen<br />
entstanden. Tatsächlich hat die Deutsche<br />
Gesellschaft für Ernährung mittlerweile belegt,<br />
dass kein Zusammenhang zwischen der Einnahme<br />
von Goji-Beeren und einer verbesserten<br />
Gesundheit besteht. Also gilt auch hier: Hilft<br />
nicht, schadet aber auch nicht? Leider nein, denn<br />
die importierten Goji-Beeren überschreiten immer<br />
wieder die Grenzwerte an Pestiziden, was<br />
für Menschen alles andere als gesund und sogar<br />
gefährlich ist. Da kann auch ein angeblich hoher<br />
Anteil an Vit amin C nicht helfen, der geht nämlich<br />
durch das Trocknungsverfahren, das nötig<br />
ist, um die exotischen Beeren nach Europa zu<br />
transportieren, größtenteils verloren. Hier kann<br />
die Empfehlung also wirklich nur lauten: Greifen<br />
Sie doch lieber zu frischen Erdbeeren, Himbeeren<br />
oder Heidelbeeren. Die enthalten mehr<br />
Vitamin C als die Goji-Beeren– und hiesige Bio-<br />
Produkte sind zudem pestizidfrei.<br />
Avocado — schon lange beliebt,<br />
seit kurzem Superfood<br />
Zu guter Letzt soll hier noch das vermutlich bekannteste<br />
Superfood genauer unter die Lupe<br />
genommen werden: die Avocado. Tatsächlich<br />
zeichnen sich Avocados durch eine sehr hohe<br />
Menge an Vitaminen und Nährstoffen aus<br />
– schon allein deshalb ist ihr Ruf eines ausgesprochen<br />
gesunden Nahrungsmittels berechtigt.<br />
Auseinander gehen die Meinungen allerdings,<br />
wenn es um die Frage geht, ob die grünen<br />
Früchte beim Abnehmen helfen oder ob sie nicht<br />
im Gegenteil vielleicht sogar dick machen. Avocado-Unterstützer<br />
argumentieren gerne damit,<br />
dass früher häufig angenommen wurde, dass es<br />
das Fett sei, das dick mache und die Avocado als<br />
eine der fetthaltigsten Früchte der Welt besonders<br />
ungünstig für die schlanke Linie sei. Von<br />
dieser These nimmt man heute Abstand. Mittlerweile<br />
ist man eher der Ansicht, dass vor allem<br />
Zucker und andere »leere« Kohlenhydrate<br />
für die bösen Speckröllchen verantwortlich sind<br />
– und davon hat die Avocado tatsächlich wenig.<br />
Dennoch sind die meisten Ernährungswissenschaftler<br />
weiterhin davon überzeugt, dass das<br />
wirksamste Mittel beim Abnehmen immer<br />
noch die Reduktion von Kalorien ist: Bleibt<br />
man unter seinem täglichen Bedarf an Kalorien,<br />
nimmt man ab, verzehrt man mehr Kalorien,<br />
nimmt man zu. Und was dies betrifft, schlägt<br />
Die Açaí-Beere ist die Frucht einer<br />
südamerikanischen Palmenart.<br />
die Avocado richtig zu. Mit etwa 430 Kalorien<br />
pro Frucht könnte eine Avocado fast eine ganze<br />
Mahlzeit ersetzen. Auch hier heißt es deshalb:<br />
Die Menge macht’s. Gesundheitlich ist gegen die<br />
Avocado nichts einzuwenden, so lange man sie<br />
in Maßen genießt.<br />
Warum überhaupt<br />
Superfoods?<br />
Grundsätzlich ist die Menge, die die Verbraucher,<br />
getrieben durch Foodblogger, Influencer<br />
und andere (selbsternannte) Ernährungsexperten,<br />
zu sich nehmen, nicht das einzige Problem<br />
mit den Superfoods. Viel größer – und das gilt<br />
tatsächlich für alle hier aufgeführten Lebensmittel<br />
– sind die ökologischen Auswirkungen.<br />
Superfoods sind in erster Linie so beliebt, weil<br />
sie exotisch sind, bestimmte Ernährungsströmungen<br />
unterstützen und übermäßig promotet<br />
werden. Die Superfoods werden häufig in Zusammenhang<br />
mit aktuellen Essens trends, z. B.<br />
Vegetarismus und Veganismus, oder aber Gluten-<br />
und Laktoseintolerenz behandelt. Dabei<br />
ist besonders begehrt, was die Stoffe ersetzen<br />
kann, auf die verzichtet werden muss. So sind<br />
Avocados als Fleischersatz beliebt, Chiasamen<br />
können statt glutenhaltigem Getreide verwendet<br />
werden. Dazu kommt meist ein interessanter<br />
Name, der das Flair ferner Welten mittransportiert.<br />
Doch genau diese fernen Welten sind<br />
das Problem. Ökologisch und ökonomisch gesehen,<br />
sind die angeblichen Gesundheitsbomben<br />
alles andere als unbedenklich. Ihre Beliebtheit<br />
schlägt sich nicht nur hierzulande im Preis nieder,<br />
in den Herkunftsländern entstehen teilweise<br />
Kartelle, die versuchen, aus den begehrten Superfoods<br />
Profit zu schlagen. Zudem sorgen die<br />
langen Transportwege für einen enormen CO2-<br />
Ausstoß, der durch den Verzehr von heimischen<br />
Produkten stark reduziert werden könnte.<br />
Einmal mehr lässt sich sagen: Es ist die Menge,<br />
auf die es ankommt. Hin und wieder einen Avocado-Toast<br />
zu essen, ist in Ordnung – vielleicht<br />
demnächst in Deutschlands erster Avocado-Bar.<br />
Fotos: © mona makela (oben) / 123rf.com; Vanias / Adobe Stock (unten)<br />
<strong>TOPFIT</strong> 3 / <strong>2018</strong>