Calluna Herbst 2018
Das Vier-Jahreszeiten-Magazin der Südheide, Ausgabe Herbst 2018
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Das Gesundheitsorgan<br />
»Jede Krankheit beginnt im Darm.« Das erkannte schon Hippokrates vor mehr als 2000 Jahren<br />
INÉS HARMSpätestens mit Erscheinen des<br />
Bestsellers »Darm mit<br />
Charme« von Giulia Enders<br />
2014 ist das Organ Darm<br />
auch in der Öffentlichkeit von seinem bisherigen<br />
Schattendasein befreit und ins<br />
rechte Licht gerückt worden.<br />
Ursache vieler Krankheiten<br />
Was haben Allergien, Arteriosklerose, Arthritis,<br />
Rheumatische Erkrankungen,<br />
Asthma, Atopische Dermatitis, Blähungen,<br />
Blasenentzündung, Depression, Diabetes,<br />
Erschöpfung, Infektanfälligkeit,<br />
Migräne, Nicht-alkoholische Fettleber,<br />
Heuschnupfen, Nahrungsmittelunverträglichkeiten,<br />
Nasennebenhöhlenentzündung,<br />
Parkinson, Reizdarmsyndrom,<br />
Verdauungsprobleme und Zöliakie gemeinsam?<br />
Es klingt fast unglaublich, aber<br />
alle diese Erkrankungen, die auf den ersten<br />
Blick nichts miteinander zu tun zu<br />
haben scheinen, können ursächlich auf<br />
eine gestörte Darmgesundheit zurückzuführen<br />
sein. Veränderungen im Darm<br />
können nicht nur zu Erkrankungen des<br />
Organs selbst führen, sondern auch eine<br />
große Rolle für die Entstehung von Erkrankungen<br />
spielen, die außerhalb des<br />
Darmes lokalisiert sind.<br />
Wurzel unseres Wohlbefindens<br />
Vergleichbar der Funktion der Wurzeln<br />
für den Baum ist die Rolle des Darms für<br />
den Menschen: Wenn ein Baum auf<br />
schlechtem Boden steht, können über<br />
seine Wurzeln nicht die für sein Wachstum<br />
erforderlichen Nährstoffe aufgenommen<br />
werden. Der Baum wächst<br />
kümmerlich, verliert seine Blätter, bis irgendwann<br />
sogar einzelne Äste absterben.<br />
Ein gesundes Wurzelwerk ist entscheidend<br />
für ein prächtiges Baumwachstum.<br />
Diese vielfältige Aufgabe der Nährstoffversorgung<br />
übernimmt der Darm für uns.<br />
Werden über die Ernährung nicht ausreichend<br />
Nährstoffe zugeführt oder kann der<br />
Darm diese nicht aufnehmen, weil er in<br />
seiner Funktion beeinträchtigt ist, so hat<br />
dies Folgen für die Gesundheit des ganzen<br />
Organismus.<br />
Gesundheitsorgan Darm<br />
Wurde der Darm lange Zeit auf seine<br />
Funktion als Resorptions-, Transport- und<br />
Ausscheidungsorgan reduziert, so sind in<br />
den vergangenen Jahren die verschiedenen<br />
Funktionsebenen des Gesundheitsorgans<br />
Darm Gegenstand intensiver<br />
medizinischer Forschung gewesen.<br />
Der Darm stellt das größte Immunorgan<br />
des Menschen dar: Etwa 80 Prozent<br />
der Immunzellen sind im Darm<br />
beheimatet. Über unsere Nahrung wird<br />
die Immunabwehr im Darm tagtäglich<br />
trainiert. Weil das darmassoziierte Immunsystem<br />
mit dem gesamten Körper<br />
eng vernetzt ist, schützt es uns auch an<br />
anderen Schleimhäuten (zum Beispiel<br />
Blase, Atemwege) vor Infektionen.<br />
100 Millionen Nervenzellen bilden das<br />
Darmnervensystem, welches über Nervenfasern<br />
des autonomen Nervensystems<br />
mit dem zentralen Nervensystem verbunden<br />
ist. 90 Prozent der Informationen fließen<br />
vom Darm zum Gehirn, nur zehn<br />
Prozent in die Gegenrichtung. Dieses enterale<br />
Nervensystem wird deshalb auch<br />
als Bauchhirn oder zweites Gehirn bezeichnet.<br />
In unserem Darm werden nicht nur die<br />
»klassischen« Verdauungshormone gebildet,<br />
sondern auch verschiedene (Neuro-)<br />
Hormone: Diese Botenstoffe kommunizieren<br />
über den Blutweg mit dem Körper.<br />
So findet beispielsweise 90 Prozent der<br />
Serotonin-Synthese im Darm statt. Serotonin<br />
wird auch als »Wohlfühlhormon« bezeichnet,<br />
denn es wirkt nicht nur<br />
stimmungsaufhellend, sondern dämpft<br />
auch die Stressantwort des Körpers.<br />
So kommuniziert der Darm auf nervalem<br />
und systemischen Weg über die sogenannte<br />
Darm-Hirn-Achse mit dem Gehirn<br />
und nimmt Einfluss auf unser Denken,<br />
Fühlen und Handeln.<br />
Dieses komplexe Gesundheitsorgan<br />
wird nun noch »gekrönt« von den Mikroorganismen,<br />
die in der »Röhre« Darm auf<br />
den Schleimhäuten leben. Das »Ökosystem<br />
Darm« bildet einen eigenen Mikrokosmos<br />
und besteht bei einem gesunden<br />
Erwachsenen aus etwa 100 Billionen Keimen,<br />
vor allem Bakterien, die in ihrer Gesamtheit<br />
früher als Darmflora, heute als<br />
Darmmikrobiom bezeichnet werden.<br />
Faszinierendes Mikrobiom<br />
Viele Wissenschaftler betrachten das Mikrobiom,<br />
das etwa ein bis zwei Kilogramm<br />
unseres Körpergewichtes ausmacht,<br />
inzwischen als eigenes Organ.<br />
Dessen Bestandteile sind für lokale und<br />
systemische Vorgänge verantwortlich. Es<br />
besiedeln mehr Mikroben die Schleimhäute<br />
und Haut eines gesunden Menschen<br />
als dieser Körperzellen hat.<br />
99 Prozent dieser Bakterien leben im<br />
Darm, davon über 90 Prozent im Dickdarm.<br />
Die Zusammensetzung der Tausenden<br />
von verschiedenen Bakterienarten<br />
verändert sich im Laufe des Lebens stetig.<br />
Schutzbarriere Darm<br />
Der Innenraum des Darms mit einer<br />
Oberfläche von etwa 400 Quadratmetern<br />
ist unsere größte Kontaktfläche zur Außenwelt<br />
und bildet gleichzeitig unsere<br />
wichtigste Schutzbarriere. Um den Organismus<br />
vor dem Eindringen körperfremder<br />
Stoffe, wie zum Beispiel Keimen und<br />
Giften aus der Nahrung oder Umwelt zu<br />
schützen, besitzt die »Grenzfläche<br />
Darm« drei »Abwehrlinien«:<br />
1. Das Darm-Mikrobiom verhindert<br />
durch die lückenlose Besiedlung der<br />
Schleimhaut des Darms die Ansiedlung<br />
gesundheitsschädigender Keime. Die<br />
»guten« Darmbakterien, wie zum Beispiel<br />
Laktobazillen und Bifidobakterien,<br />
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