Calluna Herbst 2018
Das Vier-Jahreszeiten-Magazin der Südheide, Ausgabe Herbst 2018
Das Vier-Jahreszeiten-Magazin der Südheide, Ausgabe Herbst 2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Mit künstlerischer Freiheit arrangierte Fundstücke aus dem ländlichen Lebensraum zeigt Jochen Weise in diesem <strong>Herbst</strong> in der alten Brennerei des<br />
Gutshofes in Langlingen. Der Blick aus der Brennerei fällt auf die nebenstehende Patronatskirche St. Johannis.<br />
MARION KORTH / Text // INKA LYKKA KORTH / Fotos<br />
Ein Stück Abdeckplane am Wegesrand – uninteressant.<br />
Ein paar mehr Zutaten braucht es<br />
schon, damit sich der Künstler Jochen Weise<br />
angesprochen fühlt und es in ihm anfängt zu arbeiten.<br />
An manchen Tagen holt er das Fahrrad heraus<br />
und zieht nur scheinbar ziellos von Meinersen aus seine<br />
Kreise. Im Umkreis von 20 bis 25 Kilometern kennt er<br />
fast alle Feldwege und manche Ecke, die bislang im Verborgenen<br />
gelegen hat.<br />
»Hinter den Höfen« hieß sein erster Bilderzyklus, der<br />
ihn dorthin führte, wo andere einen Teil ihres Lebens und<br />
Wirtschaftens aussortiert, weggestellt und vergessen<br />
haben. »Vicinity« bezeichnet die Fortführung. Vicinity bedeutet<br />
im Englischen Umgebung, Umfeld, Nähe. Zwischen<br />
Nesseln findet der Maler die Dinge wieder. Eine<br />
rostige Deichsel etwa, verknotetes Zaungeflecht, grün bemooste<br />
Bretter. »Zu Hause ist es die Gruschtelschublade«,<br />
sagt Jochen Weise. Darin sammelt sich jener<br />
Kleinkram an, für den es gerade keine Verwendung gibt.<br />
Mindestens ebenso schön waren die Sperrmüllhaufen in<br />
der Stadt und nun die Gerümpelansammlungen auf dem<br />
Land. Nur hier können Jochen Weises Bilder entstehen.<br />
Sein Atelier in Hannover hat er vor sechs Jahren aufgegeben<br />
und sich entschlossen, fortan in Meinersen zu wohnen<br />
und zu arbeiten. Es war eine Rückkehr nach<br />
annähernd 30 Jahren. Jochen Weise war 1990 als erster<br />
Stipendiat ins Künstlerhaus gezogen. Vor sechs Jahren<br />
kam der erneute Ruf aus der Provinz und die Anfrage für<br />
eine Einzelausstellung am einstigen Wirkungsort. Es ist<br />
mehr daraus geworden, Weise berät den Künstlerhausvorstand<br />
in künstlerischen Fragen und geht in Meinersen<br />
wieder selbst auf Motivjagd. »So etwas hat noch keiner<br />
gemalt«, sagt der Maler. Wie alle Künstler ist er froh, ein<br />
Sujet gefunden zu haben, das noch nicht verbraucht, wieder<br />
und wieder abstrahiert und reproduziert worden ist.<br />
»Deshalb habe ich auch nur einen Hochsitz in der Ausstellung.«<br />
Hochsitze seien speziell in der Berliner Kunstszene<br />
gerade hoch geschätzt. Und bei ihm persönlich<br />
eigentlich auch: »... solange die Leiter noch hält …«. Die<br />
Übergänge zwischen Kind und Künstler sind fließend. •••<br />
HERBST <strong>2018</strong> I <strong>Calluna</strong> 49