Calluna Herbst 2018
Das Vier-Jahreszeiten-Magazin der Südheide, Ausgabe Herbst 2018
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NATURGESCHICHTEN<br />
»Die Fichte wird mit dieser Trockenheit nicht fertig«,<br />
sagt Förster Frank Winter. Bereits ein extremes Jahr reiche,<br />
um sehr viele Bäume zu vernichten. Eine Erfahrung, die<br />
nicht erst in diesem Sommer gewachsen ist. Das ebenfalls<br />
sehr trockene Jahr 2003 hatte aufgezeigt, wo die Grenzen<br />
sind. Während ein Landwirt von Jahr zu Jahr planen und<br />
anbauen kann, muss in der Forstwirtschaft in sehr viel<br />
längeren Zyklen gedacht werden. Eine Douglasie benötigt<br />
rund 80 Jahre, bis sie geschlagen werden kann, eine Buche<br />
100 Jahre und mehr. Den Wald so aufzubauen, dass er für<br />
Wetterextreme und gar einen generellen Klimawandel gewappnet<br />
ist, stellt die Forstwirtschaft vor eine große Aufgabe.<br />
Was die Förster heute pflanzen, soll noch in<br />
Jahrzehnten Bestand haben. Die Fichte scheint diesen Herausforderungen<br />
nicht gewachsen zu sein. »Wir planen<br />
schon lange so, dass wir die Fichte hier ablösen«, sagt Winter.<br />
Die Traubeneiche habe sich seit Jahrhunderten in unserer<br />
Gegend bewährt, kann auch einiges an Trockenheit<br />
wegstecken. Wo der Boden gut genug ist, werden deshalb<br />
Traubeneichen gepflanzt. In anderen Bereichen fällt die<br />
Wahl auf Douglasien und Buchen. Ob die Buche auch auf<br />
längere Sicht gut mit Trockenheit zurechtkommt, sei<br />
indes noch nicht sicher. Junge Buchen sind ohnehin empfindlich,<br />
sie werden deshalb grundsätzlich unter einem<br />
»Sonnenschirm« aus größeren Bäumen herangezogen. Wo<br />
sie zu stark der Sonne ausgesetzt sind, bekommen die feinen<br />
Blätter schnell einen Sonnenbrand.<br />
Die kleinen Buchen, die der Förster auf einer Fläche an<br />
der Straße nach Unterlüß hatte pflanzen lassen, sehen<br />
nach diesem Sommer ziemlich jämmerlich aus. Vorsichtig<br />
kratzt Frank Winter bei einem vertrockneten Bäumchen<br />
mit dem Fingernagel an der Rinde. Auch darunter ist alles<br />
braun und trocken. »Die ist hin!« Auf 50 bis 90 Prozent<br />
schätzt er den Ausfall bei den Anfang des Jahres gesetzten<br />
Buchen. »Hier werden wir im nächsten Frühjahr nachpflanzen<br />
müssen.«<br />
Ganz in der Nähe ist eine Plantage angelegt worden, auf<br />
der ursprünglich aus Nordamerika stammende Roteichen,<br />
die sich bislang als recht trockenheitsresistent erwiesen<br />
haben, für die Samengewinnung herangezogen werden sollen.<br />
Auch Walnuss und Schwarznuss würden gepflanzt.<br />
»Es wird alles ausprobiert«, sagt Winter. Während in Europa<br />
viele Baumarten ausgestorben sind, weil sie der Eiszeit,<br />
die sie aus Richtung Norden und von den Alpen her<br />
in die Zange genommen hatte, nicht »davonwachsen«<br />
konnten, hätten in Amerika viel mehr Arten überlebt.<br />
»Wir haben hier drei Ahornarten, in den USA sind es 20«,<br />
sagt der Förster. Ob Zuckerahorn oder amerikanische Küstentanne<br />
– der deutsche Wald wird den Zuwachs aus anderen<br />
Ländern und Kontinenten vielleicht brauchen – das<br />
ist keine politische Frage.<br />
Im Wald von morgen wird auch die Kiefer einen Platz<br />
bekommen. Aus forstwirtschaftlicher Sicht bringt sie zwar<br />
nicht so viel Holzertrag (sieben Festmeter im Vergleich zur<br />
Douglasie, die in der gleichen Zeit zwölf schafft), ist dafür<br />
aber zäh und genügsam. »Wir gehen auf Nummer sicher«,<br />
sagt Winter. Auch mit Blick auf Schädlinge und Krankheiten<br />
kann eine möglichst große Vielfalt an Baumarten nicht<br />
verkehrt sein. Das Ziel: »Wir wollen einen gut sortierten<br />
Gemischtwarenladen haben.«<br />
In der Praxis bedeutet das ein kleinräumiges Wirtschaften.<br />
Große Kahlschläge wird man in den Landesforsten<br />
vergeblich suchen, es sei denn, ein Sturm hätte auf einer<br />
größeren Flächen zugeschlagen. Das Arbeiten in kleinen<br />
Schritten auf kleineren Flächen bedeutet viel mehr Aufwand,<br />
aber die digitale Technik hilft. Förster Winter hat<br />
sein Smartphone stets dabei, nicht um zu telefonieren,<br />
sondern weil er sich mit einer App koordinatengenau •••<br />
HERBST <strong>2018</strong> I <strong>Calluna</strong> 9