Vermögensmanagement für Privatanleger
Publikation growney; u.a. mit Ausführungen zur Fondsbesteuerung ab 2018
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Dr. Gerd Kommer: Das Weltportfoliokonzept ist ein pragmatischer Umsetzungsansatz der<br />
wesentlichen Kernelemente der Modernen Portfoliotheorie für einen <strong>Privatanleger</strong>haushalt. Einfach<br />
formuliert verbirgt sich dahinter ein passives Buy-and-Hold-Portfolio aus einer „risikofreien“ und<br />
einer risikobehafteten Komponente. In seiner simpelsten Umsetzungsvariante ist die „risikofreie“<br />
Komponente ein kurz- bis mittelfristiger Staatsanleihen-ETF, die risikobehaftete Komponente ein<br />
global diversifizierter Aktien-ETF.<br />
Will man einen oder zwei Prozentpunkte mehr Rendite bei etwa gleichem Risiko herausholen, kann<br />
man den risikobehafteten Teil etwas komplexer gestalten. Das kann dann im Endeffekt sieben oder<br />
acht verschiedene ETFs bedeuten. „Rocket Science“ ist das aber trotzdem nicht, schon gar nicht im<br />
Vergleich zu dem viel komplexeren „normalen“ aktiven Investieren. Generell handelt es sich beim<br />
Weltportfoliokonzept um einen Ansatz mit geringem laufendem Arbeitsaufwand und hoher<br />
Transparenz.<br />
growney: Sie sagten sieben oder acht ETFs: Wofür brauchen <strong>Privatanleger</strong> so viel Komplexität?<br />
Können sie nicht auch mit einem einzelnen ETF auf einen globalen Aktienindex wie den MSCI World<br />
oder den MSCI All Countries World Index breit diversifiziert anlegen?<br />
Dr. Gerd Kommer: Ein einzelner Aktien-ETF würde 100 Prozent Aktien-Exposure bedeuten. Das ist<br />
für die meisten Privathaushalte zu risikoreich. Es braucht daher in der Regel noch eine „risikofreie“<br />
Anlage, also beispielsweise einen zweiten ETF oder ein Festgeld innerhalb der gesetzlichen<br />
Einlagensicherung. Das anlegerspezifische Verhältnis zwischen „risikofreier“ und risikobehafteter<br />
Anlage ist die wichtigste und zugleich einfachste Form der Risiko- und Liquiditätssteuerung.<br />
growney: Sie setzen „risikofrei“ stets in Anführungszeichen – warum?<br />
Dr. Gerd Kommer: Weil es wirklich risikofreie Anlagen nicht gibt und noch nie gegeben hat. Allerdings<br />
hat sich dieser Begriff in der modernen Finanzökonomie schon vor Jahrzehnten eingebürgert.<br />
Deswegen kommt man nicht um ihn herum.<br />
growney: Sollte man heute noch Anleihen kaufen, oder ist es besser stattdessen in Festgeld<br />
anzulegen?<br />
Dr. Gerd Kommer: Ich sage jetzt etwas Ketzerisches. Der viel postulierte so genannte<br />
„Anlagenotstand“, ob bei Staatsanleihen oder Festgeldern, ist eine Erfindung von Leuten, die die<br />
Finanzmarktgeschichte nicht kennen oder die nicht rechnen können oder die unter beiden Defiziten<br />
gemeinsam leiden. Betrachtet man die Renditen der so genannten risikofreien Anlagen – zum<br />
Beispiel Sparbücher und kurzlaufende Staatsanleihen – in den letzten rund 100 Jahren, subtrahiert<br />
dann Inflation, Anlagekosten und Steuern, dann wird man im Durchschnitt dieses langen Zeitraums<br />
auf eine reale Jahresrendite von null oder unter null kommen. Mit anderen Worten: Wenn man<br />
Inflation, Steuern und Kosten berücksichtigt, dann gab es im 20. und 21. Jahrhundert Nullrenditen<br />
oder leicht negative Renditen in mehr als der Hälfte aller Jahre. Wenn dieser Zustand heute als<br />
„Sondersituation“ oder „Notstand“ bezeichnet wird, finde ich das ein wenig kurios. Auch schlichte<br />
Investmentlogik stellt die These vom Anlagenotstand in Frage. Renditen sind in erster Linie<br />
Risikoprämien. Wo es kein nennenswertes Risiko gibt, wie im Falle der „risikofreien“ Anlage, kann es<br />
auch keine nennenswerte Rendite geben, jedenfalls nicht im langfristigen Durchschnitt und wenn<br />
man richtig rechnet. Das alles mag uns nicht gefallen, aber es ist die Realität.