SOCIETY 355 / 2010
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sich prädestiniert, die latenten internen<br />
Differenzen zwischen westlichen und östlichen<br />
Staaten der Organisation überbrücken<br />
zu helfen. Russland hat in der OSZE<br />
in den letzten Jahren oft gebremst, wenn<br />
es um Ex-Sowjet-Republiken ging. Georgien<br />
ist nur ein Beispiel für die ungelösten<br />
ethnischen Konflikte in diesem Raum, derer<br />
sich die OSZE annimmt.<br />
***<br />
Konfliktherde Georgien, Kirgisistan,<br />
Afghanistan<br />
Vor dem Gipfel galt und gilt es, die Mühen<br />
der Ebene zu bewältigen. Das Afghanistan-Problem<br />
stand ganz oben auf der<br />
Agenda, als Kasachstan den OSZE-Vorsitz<br />
übernahm. Der regionale Nachbar Afghanistan,<br />
Quelle des internationalen Terrorismus<br />
und der Drogenproduktion, müsse<br />
näher an die Normalität herangeführt werden,<br />
lautete die Devise Astanas. Ein Gutteil<br />
der OSZE-Staaten sei militärisch oder humanitär<br />
am Hindukusch involviert. Kasachstan<br />
finanziert Ausbildungsprojekte.<br />
Angesichts der September-Wahlen steht<br />
Afghanistan vor einer harten Probe.<br />
Doch dann war es ein anderes Nachbarland,<br />
das den OSZE-Vorsitzenden auf Trab<br />
hielt. Troubleshooting in Kirgisistan war<br />
angesagt. Im April wurde Präsident Kurman<br />
Bakijew nach Massenprotesten gestürzt.<br />
Im Juni kamen bei ethnischen Unruhen<br />
im Süden zwischen Kirgisen und<br />
der usbekischen Minderheit rund 2.000<br />
Menschen ums Leben. Übergangspräsidentin<br />
Rosa Otunbajewa hielt dennoch am Juni-Termin<br />
für das Verfassungsreferendum<br />
fest, das die Zukunft in eine parlamentarische<br />
Republik weisen soll. Unterdessen<br />
wurden Parlamentswahlen für den 10. Oktober<br />
angesetzt.<br />
Als Erfolg verbuchte Kasachstan den<br />
Beschluss der OSZE, Anfang September eine<br />
Polizeimission in das kirgisische Krisengebiet<br />
zu entsenden. Die rund 50 Polizisten<br />
sollen lokale Sicherheitsbehörden unterstützen<br />
und Vertrauen zwischen Sicherheitskräften<br />
und Bevölkerung herstellen<br />
Präsentation des Teams<br />
„Astana“ in den Redoutensälen<br />
mit Radfahrstar<br />
Alberto Contador (Mitte)<br />
helfen. Der kasachische OSZE-Botschafter<br />
in Wien, Kairat Abdrakhmanow, hofft,<br />
dass durch diesen Einsatz ein Übergreifen<br />
der Spannungen auf andere Regionen verhindert<br />
werden kann. Ein weiterer OSZE-<br />
Erfolg: Zwei Dutzend Parteien unterschrieben<br />
den Verhaltenskodex der OSZE. Doch<br />
die Krise ist damit noch lange nicht ausgestanden.<br />
Daneben treten Bemühungen um die<br />
Lösung alter Konflikte auf der Stelle. Zwei<br />
Jahre nach dem Fünf-Tage-Krieg zwischen<br />
Russland und Georgien ging im Juli in<br />
Genf die zwölfte Gesprächsrunde praktisch<br />
ergebnislos zu Ende. Die nächste<br />
Runde der Kontrahenten unter Ägide von<br />
UNO, EU und OSZE ist für Mitte Oktober<br />
angesetzt. Moskau lässt keine Beobachter<br />
in die strittigen Gebiete. Nach dem Krieg<br />
hatte Moskau die abtrünnigen georgischen<br />
Regionen Abchasien und Südossetien als<br />
selbständig anerkannt. In der bewaffneten<br />
Auseinandersetzung hatten sich lang anhaltende<br />
Spannungen und Provokationen<br />
entladen.<br />
***<br />
Kasachstan präsentierte sich in allen<br />
Facetten<br />
Kasachstan ist es gelungen, sich in diesem<br />
Jahr am OSZE-Sitz Wien exzellent und<br />
facettenreich zu präsentieren. Zum Auftakt-Galakonzert<br />
in der Wiener Hofburg<br />
wurden an Musikern und Sängern alle Stars<br />
aufgeboten, die im Lande Rang und Namen<br />
haben. Symphonieorchester und Chor der<br />
kasachischen Staatsoper interpretierten<br />
Klassik, das Kurmangazy-Orchester kasachische<br />
Volksmusik. Unter den Gesangsstars<br />
ragte Maira Kerey heraus, die an der Pariser<br />
Oper als Mimi in „La Boheme“ debütierte.<br />
Wien wurde zum OSZE-Auftakt auch<br />
für einen sportlichen Höhepunkt ausgewählt.<br />
Die Redoutensäle in Wien waren in<br />
diesem Jahr ungewöhnlicher Schauplatz<br />
für die offizielle Mannschaftspräsentation<br />
des kasachischen Radsport-Teams Astana<br />
mit Tour-de-France-Sieger Alberto Contador.<br />
Dem von Kasachstan gesponserten<br />
ProTour-Rennstall gehören neben dem<br />
zweifachen Toursieger Contador auch die<br />
Topfahrer Oscar Pereiro und Alexander<br />
Winokurow an.<br />
Zuletzt wartete Kasachstan wieder mit<br />
einer Kunstausstellung in der Bundeshauptstadt<br />
auf, die zwei ganz unterschiedliche<br />
Aspekte der kasachischen Kultur darbot<br />
– vorchristliche Mythologie und<br />
zeitgenössische Kunst. Im Rahmen des Projekts<br />
„Die Große Seidenstraße“ wurden<br />
archäologische Rekonstruktionen skythischer<br />
Funde des Künstlers und Restaurators<br />
Krym Altynbekov gezeigt. Die Wanderausstellung<br />
der Kunstgalerie „Has Sanat“<br />
vermittelte einen Einblick in das Schaffen<br />
von rund vierzig kasachischen Malern und<br />
Kunstwebern der Gegenwart.<br />
Ende August wurde in der Wiener UNO-<br />
City mit einer Schau eines Kapitels der Sowjet-Geschichte<br />
Kasachstans gedacht, das<br />
noch nicht abgeschlossen ist. Der Internationale<br />
Tag gegen Atomversuche wurde<br />
auf Anregung Kasachstans, wo Menschen<br />
noch immer an gesundheitlichen Spätfolgen<br />
leiden, erstmals begangen. Am 29. August<br />
1949 war auf dem damaligen Sowjet-<br />
Atomtestgelände Semipalatinsk die erste<br />
Atombombe der UdSSR gezündet worden.<br />
Genau 42 Jahre später ließ Nasarbajew die<br />
Anlage schließen, wo im Kalten Krieg rund<br />
500 Nukleartests erfolgten.<br />
Kasachstan hat sich seit seiner Unabhängigkeit<br />
zu einem wichtigen Akteur der<br />
Staatengemeinschaft entwickelt. Das flächenmäßig<br />
neuntgrößte Land mit nur 15<br />
Millionen Einwohnern übernahm 1989 als<br />
Rüstungszentrum der arbeitsteiligen<br />
UdSSR ein schwieriges Erbe, wie der<br />
Außenminister in einem Pressegespräch<br />
resümierte; seither habe es „eine Erfolgsgeschichte“<br />
erlebt. Die geostrategische Lage<br />
und die enormen Bodenschätze wie Öl,<br />
Gas, Uran und Kupfer, trugen zweifellos<br />
viel dazu bei. Kasachstan ist ein begehrter<br />
Wirtschaftspartner für Ost und West. Die<br />
Maxime Astanas lautet: alle Optionen offen<br />
halten.<br />
Außenminister Kanat Saudabajew<br />
bei der Präsentation des Buches<br />
„Kasachstans Weg“, verfasst vom<br />
kasachischen Staatsoberhaupt<br />
Nursultan Nasarbajew.<br />
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