SOCIETY 355 / 2010
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CURRICULUM VITAE<br />
DR. GEORG ZANGER, M.B.L.-HSG ist seit 1975 selbständiger<br />
Rechtsanwalt in Wien mit besonderem Schwerpunkt auf<br />
kreativen Lösungen für Wirtschaftsunternehmen. Seine<br />
Spezialgebiete umfassen Wettbewerbs-, Telekommunikations-,<br />
Urheber- und Medienrecht. Zuletzt hat er im Bemühen,<br />
chinesische Unternehmen zu Investitionen in Österreich<br />
zu bewegen, ein Netzwerk mit 25 Rechtsanwaltskanzleien<br />
in den wichtigsten Industriestädten Ostchinas geschlossen.<br />
Er ist Autor verschiedenster Fachbücher und Fachartikel.<br />
KONTAKT<br />
Rechtsanwaltskanzlei „Zanger bewegt“<br />
Dr. Georg Zanger<br />
Neuer Markt 1, A-1010 Wien<br />
Tel.: +43-(0)1-512 02 13, Fax: +43-(0)1-513 48 07<br />
office@zanger-bewegt.at • www.zanger-bewegt.at<br />
auf die Rechte des einzelnen Asylantragstellers<br />
und auf die Auslegung<br />
des Grundgesetzes hat.<br />
Der Europäische Gerichtshof für<br />
Menschenrechte hat nach dänischen<br />
Zeitungsmeldungen bereits<br />
in mehr als 500 Fällen in den Jahren<br />
2009 und <strong>2010</strong> Rückstellungen nach<br />
Griechenland gestoppt. Vor dem<br />
EGMR ist derzeit ein weiteres Verfahren<br />
anhängig, in dem ein belgischer<br />
Anlassfall verhandelt wird.<br />
Mit einer Entscheidung ist in Bälde<br />
zu rechnen. Inzwischen wurde beim<br />
EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren<br />
beantragt, ob unter den genannten<br />
Voraussetzungen ein genereller<br />
vorläufiger Stopp der<br />
Rückschiebung nach Griechenland<br />
gerechtfertigt ist. Da die EMRK seit<br />
dem Vertrag von Lissabon unmittelbar<br />
anzuwendendes Gemeinschaftsrecht<br />
geworden ist, ist davon<br />
auszugehen, dass der EuGH – nunmehr<br />
bindend für alle EU-Staaten –<br />
Rückschiebungen nach Griechenland<br />
zumindest derzeit generell untersagen wird.<br />
***<br />
Verantwortung Österreichs<br />
Österreich scheint all dies in Kenntnis der genannten Vorgänge<br />
nicht daran zu hindern, weiter seine Rückschiebungspraxis<br />
aufrecht zu erhalten: In einer Vielzahl von Entscheidungen<br />
hat der neu geschaffene Asylgerichtshof Flüchtlinge<br />
nach Griechenland zurückgeschoben und der Verfassungsgerichtshof<br />
hat keinen Grund gesehen, die Entscheidung zu ändern.<br />
Bedenkt man das Schicksal der einzelnen Fremden, die, verzweifelt<br />
um ihre Anerkennung als Flüchtlinge kämpfend, sich<br />
nach ihrer Rückschiebung aus Österreich der Folter und unmenschlichen<br />
Behandlung in Griechenland<br />
(wieder) gegenübersehen, lässt sich<br />
das Ausmaß des Unrechts erkennen. Tatsächlich<br />
wäre angesichts der genannten<br />
Berichte über die griechischen Zustände<br />
zu prüfen, ob sich Österreich durch sein<br />
Verhalten nicht eines „flagranti denial“<br />
der EMRK verantwortlich macht und deshalb<br />
nach dem Amtshaftungsverfahren<br />
belangt werden kann.<br />
Österreich scheint aber den Wettlauf,<br />
welcher europäische Staat mit Fremden<br />
am rücksichtslosesten, unmenschlichsten<br />
umgeht, unbedingt gewinnen zu<br />
wollen. Tatsächlich hat kaum ein anderes<br />
Land so restriktive Fremdenrechtsbestimmungen<br />
wie Österreich. Kein<br />
Wunder, dass ein großer Teil der Österreicher<br />
fremdenfeindliche Aussagen<br />
goutiert, und Asylbewerber in ihren Augen<br />
kriminell und verlogen sind. Tatsache<br />
ist, dass sich die Republik Österreich<br />
im Unterschied zu anderen<br />
europäischen Staaten von rechten<br />
Hassideologien noch immer nicht<br />
ausreichend distanziert hat.<br />
***<br />
„Rote Karte“ bei Ausweiskontrolle<br />
Rechtzeitig vor den Herbstwahlen<br />
will die Regierung nun das Asylrecht<br />
nochmals zu Lasten der Asylwerber<br />
verschärfen. Asylwerber, die<br />
sich bisher im politischen Bezirk<br />
frei bewegen durften, werden sich<br />
künftig die ersten fünf bis sieben Tage<br />
in der Erstaufnahmestelle aufhalten<br />
müssen. Nicht einmal der<br />
Besuch eines Supermarktes oder eines<br />
Lokals wird künftig möglich<br />
sein, selbst wenn man dafür vom<br />
Flüchtlingslager nur um die Ecke gehen<br />
müsste. Bei Verlassen der Erstaufnahmestelle<br />
droht ihnen eine<br />
umgehende Festnahme. Das Gesetz<br />
soll mit Anfang 2011 in Kraft treten.<br />
Eine „ rote Karte“ soll die Asylwerber<br />
künftighin für die Exekutive<br />
bei einer Ausweiskontrolle sofort erkennbar machen. Laut Andreas<br />
Weber im „Format“ vom 10.9.<strong>2010</strong> ist allein der Begriff<br />
schon menschenverachtend. Er fragt zu Recht: Was kommt als<br />
nächstes? Ein gelber Stern, den sich Asylwerber zum Ausgehen<br />
annähen müssen?<br />
Es stört die Regierung offenbar nicht, dass der VfGH schon<br />
im Jahre 1992 erkannt hat, dass die Einschränkung der persönlichen<br />
Freiheit durch die Verpflichtung, sich in einer Überprüfungsstation<br />
(damals das Flüchtlingslager Traiskirchen)<br />
aufzuhalten, Art 5 Abs.1 der EMRK widerspricht und damit verfassungswidrig<br />
ist. Das Asylverfahren ist nämlich kein Teil des<br />
Ausweisungsverfahrens, im Rahmen dessen die Verhängung<br />
der Schubhaft zulässig ist.<br />
Der Verfassungsjurist Heinz Mayer<br />
meint zu Recht, dass die Aufenthaltspflicht<br />
in einer Aufnahmestelle als Haft<br />
zu qualifizieren ist. Es ist aber nicht nur<br />
nach Art. 5 EMRK, sondern auch nach<br />
Art. 6 der Charta der Grundrechte der EU<br />
verboten, einen Asylwerber in Haft zu<br />
nehmen, nur weil er Asylwerber ist. Maßgebend<br />
ist, ob der Betroffene den Aufenthaltsort<br />
jederzeit verlassen kann, ohne<br />
mit einem physischen Zugriff rechnen<br />
zu müssen.<br />
Caritas-Präsident Franz Küberl kritisiert<br />
die Fremdenrechtsnovelle schließlich,<br />
weil die Politik so tue, als wären<br />
Asylwerber von vornherein Schubhäftlinge.<br />
Wörtlich führte er aus: „Die Reichen<br />
müssen wieder lernen zu wissen,<br />
wo die Armen sind, nur das ist der Schlüssel<br />
für eine Globalisierung, die den Namen<br />
sozial verdient“.<br />
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