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Berliner Kurier 18.01.2019

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12 BERLIN<br />

BERLINER KURIER, Freitag, 18. Januar 2019*<br />

Forscher sicher:<br />

Stasiklinik warauch<br />

geheimes Bio-Labor<br />

In dem Krankenhaus in Buch wurden nicht nur MfS-Mitarbeiter<br />

behandelt,eswurden offenbar gezielt Menschentests durchgeführt<br />

Die<br />

einstige<br />

Stasi-Klinik in<br />

Buch: Akten<br />

belegen Tests<br />

an Menschen –<br />

vermutlich auch<br />

an Sportlern.<br />

Von<br />

NORBERT KOCH-KLAUCKE<br />

Berlin – Nach der Entdeckung<br />

der über 25 000 vergessenen<br />

Patienten-Akten in der einstigen<br />

Stasi-Klinik in Buch durch<br />

KURIER-Recherchen rückt<br />

das Krankenhaus jetzt erneut<br />

in den Fokus der historischen<br />

Betrachtung. Was in der Klinik<br />

von 1980 bis 1989 geschah,<br />

ist ein großes Geheimnis. An<br />

diesem Thema forscht auch<br />

Dr. Heidrun Budde (64) von<br />

der Uni Rostock. Sie fand anhand<br />

von MfS-Unterlagen<br />

heraus: „In der Klinik wurden<br />

nicht nur Stasi-Mitarbeiter<br />

behandelt, es wurde offenbar<br />

auch an Menschen geforscht.“<br />

Seit den 90er-Jahren beschäftigt<br />

sich die Wissenschaftlerin der<br />

Juristischen Fakultät der Uni<br />

Rostock auch mit den Stasi-Machenschaften,<br />

veröffentlichte<br />

mehrere Bücher. „Dabei stieß<br />

ich auf das Thema Stasi und die<br />

Medizin, forsche seit 2010 da-<br />

ran“, sagt sie. „Erste Untersuchungen<br />

zeigen, dass es Anhaltspunkte<br />

für ein medizinisches<br />

Schattenreich in der DDR mit<br />

brisanten Aufgaben gab, das<br />

streng geheim von der Staatssicherheit<br />

geführt wurde.“<br />

Die Akteneinsichten führten<br />

Budde zur Stasi-Klinik, die 1980<br />

neben dem Regierungskrankenhaus<br />

entstand. „Was dort geschah,<br />

ist heute in Akten nur<br />

bruchstückhaft vorhanden“,<br />

sagt Budde. Aber sie fand in den<br />

wenigen Unterlagen, dass es in<br />

dem schon hochgesicherten Klinik-Reich<br />

Bereiche mit besonderen<br />

Sicherheits- und Geheimhaltungsmaßnahmen<br />

gab, zu denen<br />

eine „Sonderstation“ gehörte.<br />

Was dort passierte? Budde<br />

fand in einem Dokument einen<br />

möglichen Hinweis darauf. Laut<br />

einer Akte hatte der „Operativ<br />

Technische Sektor“ (OTS) der<br />

Stasi am 22. Mai 1987 „biologisches<br />

Material von Probanden<br />

mit chromosomalen Aberrationen“<br />

für „spezielle Untersuchungsaufgaben“<br />

angefordert.<br />

Auch DDR-Athletinnen standen bei Wettkämpfen wegen ihrer Muskeln im Verdacht,Männer<br />

zu sein. Verbände führten daher Chromosomen-Kontrollen ein.<br />

Chromosomale Aberrationen<br />

sind Abweichungen in der<br />

Struktur oder Anzahl der Chromosomen<br />

in der Zelle, die z.B. zu<br />

körperlichen Fehlbildungen<br />

oder geistigen Behinderungen<br />

führen können. Unter anderem<br />

werden solche Abweichungen<br />

mittels Blutproben festgestellt.<br />

„Dass eine Stasi-Dienststelle solches<br />

Bio-Material von Probanden<br />

von der Klinik wollte, lässt<br />

vermuten, dass dort Tests an<br />

Menschen gemacht wurden“,<br />

sagt Budde.<br />

Doch was wollte die Stasi mit<br />

veränderten Chromosomen? In<br />

den MfS-Akten fand die Forscherin<br />

bisher keine genaue Antwort.<br />

Aber es gibt einen Verdacht:<br />

Sportler könnten die Probanden<br />

in der Klinik gewesen<br />

sein, die auf Geschlechts-Chromosomen<br />

untersucht wurden.<br />

Prof. Volker Hess, Leiter des<br />

Charité-Institutes für Geschichte<br />

der Medizin und Ethik, erklärt:<br />

„Chromosomen-Abweichungen<br />

können zum Beispiel<br />

bei Frauen dazu führen, dass sie<br />

männlicher wirken, mehr Muskelmasse<br />

besitzen.“ Er vermutet:<br />

„Möglicherweise ließ die DDR<br />

Sportler im Geheimen untersuchen,<br />

damit es bei internationalen<br />

Wettkämpfen keinen Ärger<br />

gibt, wenn Abweichungen bei<br />

Kontrollen entdeckt werden.“<br />

Anders als es Hess vermutet,<br />

wäre auch möglich, dass die<br />

Stasi herausfinden wollte, wie<br />

weit man bei Athleten mit Anomalien,<br />

die einen Kräftevorteil

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