25.02.2019 Aufrufe

LEO März/April 2019

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

FILM<br />

INTERVIEW<br />

JOEL EDGERTON<br />

„Also besser ich als niemand, dachte ich mir.“<br />

Einer der wohl wichtigsten<br />

Filme <strong>2019</strong> ist sicherlich „Der<br />

verlorene Sohn (Boy Erased)“ mit<br />

Nicole Kidman und Troye Sivan. Wir<br />

sprachen mit dem Regisseur.<br />

Mr. Edgerton, die erste Frage zu Ihrem<br />

neuen Film „Der verlorene Sohn“ über<br />

einen jungen Schwulen, der von seinen<br />

Eltern in eine Umerziehungstherapie<br />

gesteckt wird, liegt auf der Hand:<br />

Was hat Sie als Heterosexuellen daran<br />

interessiert?<br />

Ich bekam Garrard Conleys autobiografisches<br />

Buch „Boy Erased“ von einer befreundeten<br />

Produzentin in die Hand gedrückt<br />

und war beim Lesen schnell sehr emotional<br />

involviert. Zunächst einmal aus einem ganz<br />

profanen Grund: Weil ich schon lange eine<br />

tiefe Faszination für geschlossene Einrichtungen,<br />

Heime und Anstalten habe. Die<br />

waren schon in meiner Kindheit die Basis all<br />

meiner Ängste und Albträume.<br />

Haben Sie in dieser Hinsicht schlimme<br />

Erfahrungen gemacht?<br />

Nicht direkt. Aber es gibt nicht umsonst<br />

ziemlich viele Filme, die sich mehr oder<br />

weniger direkt damit beschäftigen, wenn<br />

Kinder oder Jugendliche in die falschen<br />

Hände geraten. Denken Sie doch mal an<br />

„Annie“ und die böse Heimleiterin. Ich<br />

selbst war als Kind mal ein paar Wochen in<br />

der Obhut einer Person, die mich nicht gut<br />

behandelt hat. Da ist nichts wahnsinnig<br />

Schlimmes vorgefallen, aber ich fühlte mich<br />

unwohl und verlassen. Durch diese Brille las<br />

ich anfangs Garrards Geschichte.<br />

Dafür geht es nun in Ihrem Film aber<br />

erstaunlich wenig um das Gefangensein<br />

in der Therapieanstalt selbst ...<br />

Das ist ja nicht wirklich der springende<br />

Punkt, wie auch ich bald gemerkt habe. Der<br />

Punkt, wo ich überzeugt davon war, dass<br />

jemand einen Film aus der Geschichte<br />

machen muss, war der, als die Mutter<br />

einen Sinneswandel hat. Als sie plötzlich<br />

beschließt, ihm doch zu helfen, hat mich<br />

das enorm berührt, nicht zuletzt unter dem<br />

Aspekt von Hoffnung. Ich fand es unglaublich<br />

wichtig, dass jemand einen Film über<br />

diese Praxis der Konversionstherapie dreht.<br />

Aber eben nicht mit einer vollkommen hoffnungslosen<br />

Haltung, sondern auch als eine<br />

Art Wegweiser für andere Eltern. Nur war ich<br />

nicht davon überzeugt, dass ich der Richtige<br />

für diesen Job war.<br />

Aufgrund Ihrer Heterosexualität?<br />

Genau! Ich war richtig sauer, denn ich hatte<br />

unglaublichen Bock darauf, diese Geschichte<br />

zu verfilmen, war mir aber eben auch sicher,<br />

dass das problematisch wäre. Ich habe mir<br />

als Schauspieler schon immer Gedanken<br />

über Repräsentation gemacht: Welches<br />

Recht haben wir in diesem Job, eine bestimmte<br />

Person oder Sache darzustellen,<br />

gerade wenn es um Dinge wie Herkunft,<br />

Hautfarbe, Geschlecht und sexuelle Identität<br />

geht. Und ich habe nie verstanden,<br />

warum sich viele Produzenten diese Gedanken<br />

anscheinend nicht machen und auch<br />

nicht aus den Fehlern anderer lernen. Ich<br />

weiß jedenfalls, wie wichtig es ist, seinesgleichen<br />

auf der Leinwand zu sehen, wie viel<br />

Wert auf Authentizität gelegt wird und wie<br />

emotional die Diskussionen darüber geführt<br />

werden. Bis zu einem gewissen Grad war<br />

mit „Loving“ sogar schon mal einer meiner<br />

Filme von einer solchen Debatte betroffen.<br />

Der handelte von der Liebe zwischen einer<br />

Schwarzen und einem Weißen, aber es<br />

gab Menschen, die fragten, ob ein weißer<br />

Regisseur wie Jeff Nichols die Geschichte<br />

hätte erzählen dürfen. Oder denken Sie an<br />

Kathryn Bigelow und ihren Film „Detroit“!<br />

Sie haben sich dann aber doch dazu<br />

durchgerungen, „Der verlorene Sohn“<br />

zu drehen ...<br />

Ja, nach reiflicher Überlegung. Prinzipiell<br />

gebe ich jedem recht, der meint, dass ich<br />

als weißer Australier nicht der geeignete<br />

Regisseur bin, zum Beispiel etwas über die<br />

Lebensrealität eines Afroamerikaners oder<br />

auch über den Nahostkonflikt zu erzählen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!