-flip_joker_2019-03
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KUNST KULTUR JOKER 13<br />
Wie Picasso Picasso wurde<br />
Die Fondation Beyeler zeigt das Frühwerk der Blauen und Rosa Periode des Künstlers<br />
Pablo Picasso: „Arlequin assis sur fond rouge“,<br />
© Succession Picasso / 2018 ProLitteris, Zürich 2018<br />
Pablo Picasso: „Arlequin et sa compagne“, 1901<br />
© Succession Picasso / 2018 ProLitteris, Zürich 2018<br />
Die Fondation Beyeler hätte<br />
diese Ausstellung durchaus auch<br />
„Ich Picasso“ nennen können.<br />
Denn „YO Picasso“ heißt ein<br />
1901 entstandenes Selbstporträt<br />
des Malers. Sehr selbstbewusst<br />
und in bunten Farben schaut der<br />
junge Mann im weißen Hemd<br />
und vor einem blauen Hintergrund<br />
den Betrachter an. Im<br />
Verlauf der nächsten Jahre wird<br />
er zwar nichts von seinem Selbstbewusstsein<br />
einbüßen, aber doch<br />
zumindest einige Gewissheiten<br />
und auch das breite Farbenspektrum.<br />
Diskreter heißt es nun in<br />
der Fondation Beyeler: „Der junge<br />
Picasso. Blaue und Rosa Periode“.<br />
Die 75 Bilder und Skulpturen aus<br />
dem Frühwerk des Künstlers sind<br />
flankiert durch eine kleine Sammlungsschau.<br />
Mehr als 30 Werke<br />
von Pablo Picasso, mit dem Ernst<br />
Beyeler eine freundschaftliche<br />
Beziehung verband, sammelte<br />
dieser zeit seines Lebens, so dass<br />
man jetzt in Riehen eine wirklich<br />
umfassende Präsentation Picassos<br />
erleben kann. So ganz spart man<br />
in der Fondation dann aber doch<br />
nicht mit den Superlativen. Es sei<br />
die hochkarätigste Ausstellung<br />
seit der Eröffnung des Museums<br />
heißt es dort. Man glaubt es gerne,<br />
verpassen sollte man sie jedenfalls<br />
nicht. Man kann hier beim<br />
Werden eines Künstlers zuschauen,<br />
„Ich wollte Maler werden und<br />
bin Picasso geworden“, sagt er<br />
einmal. Jenseits Geniekults sind<br />
einige der Bilder, die in der Ausstellung<br />
zu sehen sind, einfach<br />
großartig.<br />
Was das Frühwerk zu einem<br />
derart gewinnbringenden Thema<br />
macht, ist eine Einheitlichkeit bei<br />
großer Variabilität im Frühwerk<br />
von 1901 bis 1906. Picasso setzt<br />
sich in diesen ersten Jahren des 20.<br />
Jahrhunders, die er in Paris und<br />
Barcelona verbringen wird, mit<br />
existenziellen Themen auseinander.<br />
Der Selbstmord seines Freundes<br />
Carles Casagemas bringt eine<br />
Veränderung der Farbigkeit. Casagemas,<br />
der nur wenige Monate<br />
nach der gemeinsamen Ankunft<br />
in Paris im Jahr 1900 aus Liebeskummer<br />
Suizid begeht, sieht man<br />
auf einigen Arbeiten Picassos als<br />
Toten aufgebahrt. Mit ihm zieht<br />
das melancholische Blau in sein<br />
Werk und ein Stil, der auch auf El<br />
Greco zurückgreift. Und Casagemas<br />
ist der eigentliche Held in<br />
einem der Hauptwerke der Schau.<br />
„La Vie“, das 19<strong>03</strong> entsteht zeigt<br />
den jungen Mann in einem allegorisch<br />
wirkenden Bildaufbau.<br />
Eine junge nackte Frau lehnt sich<br />
an die Brust des Mannes, hinter<br />
dem zwei Bilder stehen, die einmal<br />
zwei kauernde ineinander<br />
geschmiegte Menschen zeigen,<br />
das andere Mal eine Frau, die<br />
ihren Kopf auf ihre Knie legt.<br />
Im Vordergrund ist auf diesem<br />
Großformat eine streng wirkende<br />
Frau zu sehen, die in einen blauen<br />
Umhang gehüllt ist und einen<br />
schlafenden Säugling auf ihrem<br />
Arm hat. Was diese Figuren miteinander<br />
verbindet, erklärt sich<br />
nicht. Röntgenuntersuchungen<br />
haben ergeben, dass Casagemas<br />
an die Stelle eines Selbstporträts<br />
trat, denn der junge Mann trug davor<br />
noch die Züge des Künstlers.<br />
Viele der in Paris entstandenen<br />
Bilder der Rosa Periode lassen ein<br />
Interesse daran erkennen, was das<br />
Menschsein ausmacht. Oft sieht<br />
man Familien – wie das junge<br />
Gauklerpaar mit ihrem Kind und<br />
einem Affen - die in Fürsorge<br />
und Liebe einander zugetan sind.<br />
Oder junge Artisten, die sich in<br />
ihrem Leben als Außenseiter und<br />
in Armut eine Stütze sind. Die Figuren<br />
wirken fragil und überaus<br />
zart. Und manchmal sieht man<br />
sie in Vereinzelung, als gäbe es<br />
keine Verbundenheit unter den<br />
Menschen oder Frauen in Bars<br />
vor Gläsern mit Absinth. Picasso<br />
zu dieser Zeit auch nicht eben<br />
wohlhabend hat einen Blick für<br />
die Verlorenen und Erniedrigten.<br />
Es sind Randexistenzen, die die<br />
Künstlerthematik variieren. Picassos<br />
eigene materielle Grundlage<br />
bessert sich dann 1906 als<br />
der Galerist Ambroise Vollard<br />
ein Konvolut an Arbeiten kauft.<br />
Nach dem anschließenden Aufenthalt<br />
in den spanischen Pyrenäen<br />
reduziert er die Figuren, die<br />
auch den Einfluss ethnografischer<br />
Kunst erkennen lassen, mit der<br />
sich Picasso in Paris beschäftigte.<br />
Doch das wäre schon wieder eine<br />
andere Geschichte.<br />
Der junge Picasso – Blaue und<br />
Rosa Periode. Fondation Beyeler,<br />
Baselstr. 101, Riehen/Basel.<br />
Montag bis Sonntag 10 bis 18<br />
Uhr, Mittwoch 10 bis 20 Uhr. Bis<br />
26. Mai.<br />
Annette Hoffmann