antriebstechnik 4/2019
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PEER REVIEWED<br />
FORSCHUNG UND ENTWICKLUNG<br />
Wellendrehzahl gewählt. Unmittelbar im Anschluss an die 96 h<br />
wurde die Drehrichtung der Welle für 1 h umgekehrt. In Bild 16 ist<br />
die Leckage in dieser einen Stunde aufgetragen. Die Versuche mit<br />
den Wellen 1–4 (Bild 16 links) wurden bei einer Wellendrehzahl von<br />
1 000 min -1 durchgeführt. Die Versuche mit den Wellen 9–12 (Bild 16<br />
rechts) wurden bei einer reduzierten Wellendrehzahl von 100 min -1<br />
durchgeführt. Die Betriebsbedingungen wurden in Anlehnung an<br />
die Bedingungen der Konditionierung für die Funktionsuntersuchungen<br />
gewählt. Daher wurden die Dauerlaufuntersuchungen<br />
mit einer Ölsumpftemperatur von 60 °C durchgeführt.<br />
Die Dauerlaufuntersuchungen bestätigen die Ergebnisse der<br />
Funktionsuntersuchungen. Bei einem Drehrichtungswechsel der<br />
Welle tritt bei fast allen Dichtsystemen sofort Leckage auf. Die Versuchsdurchführung<br />
mit der reduzierten Wellendrehzahl 100 min -1<br />
führt zu einer deutlichen Reduzierung der Leckage. Vereinzelte<br />
Dichtsysteme sind sogar dicht. Dies ist auf die reduzierte Reibung<br />
zurückzuführen und passt mit den Ergebnissen der Funktionsuntersuchungen<br />
hervorragend überein.<br />
HYPOTHESE ZUR KONDITIONIERUNGS<br />
RICHTUNGSABHÄNGIGEN DICHTFUNKTION<br />
RWDR aus Elastomer bilden im Betrieb axiale Verschleißstrukturen<br />
aus. Diese sind maßgeblich am Rückfördermechanismus des<br />
Dichtrings beteiligt. Die Rückförderwirkung entsteht durch die<br />
betriebsbedingte Verzerrung dieser Strukturen in Umfangsrichtung.<br />
Der Rückfördermechanismus bildet sich in beide Wellendrehrichtungen<br />
aus, da das Elastomer auch in beide Richtungen<br />
gedehnt werden kann. Bei längerem Betrieb in eine Wellendrehrichtung<br />
treten Alterungsvorgänge im Elastomer auf. Diese<br />
äußern sich in einer Elastomerverhärtung, bedingt durch Nachvernetzungseffekte<br />
der Schwefelbindungen im NBR. Diese Nachvernetzungsvorgänge<br />
führen zu einem „Einfrieren“ der Verschleißstrukturen<br />
in Richtung der Wellenrotation. Trotz der zunehmenden<br />
Verhärtung der Dichtkante bleibt die Förderwirkung erhalten, weil<br />
die notwendige Verzerrung der Verschleißstrukturen gewährleistet<br />
bleibt. Erfolgt jedoch nach längerem Betrieb des Dichtsystems<br />
in eine Wellendrehrichtung eine Drehrichtungsumkehr<br />
der Welle, können die Verschleißstrukturen aufgrund der geringeren<br />
Verformungsfähigkeit des Elastomers nicht mehr so stark ausgelenkt<br />
werden. Die geringere Verzerrung der Verschleißstrukturen<br />
nach einem Drehrichtungswechsel der Welle führt zu einer<br />
geringeren Förderwirkung des Dichtrings. Im Extremfall kann<br />
dies sogar zu einer Förderwirkung führen, die nach außen gerichtet<br />
ist. In diesem Fall ist mit einem Ausfall der Dichtung infolge<br />
Leckage zu rechnen.<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Bei längerem Betrieb in eine Wellendrehrichtung bilden RWDR aus<br />
NBR eine Vorzugsrichtung aus. In Vorzugsrichtung weist der Dichtring<br />
eine ausgeprägte Förderwirkung auf. Wird die Wellendrehrichtung<br />
umgekehrt, weist der Dichtring nur noch eine deutlich<br />
verminderte Förderwirkung auf. Aus diesem Grund kommt es bei<br />
Drehrichtungswechseln nach längerem Betrieb in eine Wellendrehrichtung<br />
häufig zu Leckage.<br />
Das Förderwertverhältnis zwischen den Wellendrehrichtungen<br />
hängt stark von den Betriebsbedingungen ab. Hier konnte ein Zusammenhang<br />
zwischen dem Reibverhalten und dem drehrichtungsabhängigen<br />
Förderverhalten des Dichtrings hergestellt werden.<br />
Je größer die Reibung im Dichtkontakt, desto größer ist auch<br />
die Drehrichtungsabhängigkeit der Förderwirkung.<br />
Dauerlaufuntersuchungen bestätigen diese Erkenntnisse. Bei<br />
einem Drehrichtungswechsel der Welle nach einer Laufzeit von<br />
96 h und einer Wellendrehzahl von 1 000 min -1 tritt bei allen durchgeführten<br />
Dauerlaufuntersuchungen unmittelbar Leckage auf.<br />
Werden die gleichen Versuche mit einer reduzierten Wellendrehzahl<br />
von 100 min -1 durchgeführt, fällt die Leckage unmittelbar nach<br />
dem Drehrichtungswechsel der Versuchswelle deutlich geringer<br />
aus. Vereinzelte Versuche sind sogar dicht.<br />
Literaturverzeichnis:<br />
[1] Forschungsvereinigung Antriebstechnik 696 I: Lastkollektive RWDR.<br />
Abschlussbericht eingereicht. 2015<br />
[2] DIN 3760 – Radial-Wellendichtringe. Mai 1972<br />
[3] MÜLLER, H. K.: Abdichtung bewegter Maschinenteile. Waiblingen:<br />
Medienverlag Müller. 1990<br />
[4] JENISCH, Bernhard: Abdichten mit Radial-Wellendichtringen aus Elastomer<br />
und Polytetrafluorethylen. Universität Stuttgart. Dissertation. 1991<br />
[5] KAMMÜLLER, Matthias: Zur Abdichtwirkung von Radialwellendichtringen.<br />
Universität Stuttgart. Dissertation. 1986<br />
[6] RINNBAUER, Meike: Technische Elastomerwerkstoffe. Verlag Moderne<br />
Industrie. 2006<br />
[7] BAUMANN, Matthias: Abdichtung drallbehafteter Dichtungsgegenlaufflächen<br />
– Messung, Analyse, Bewertung und Grenzen. Universität Stuttgart.<br />
Dissertation. 2017<br />
[8] Forschungsvereinigung Antriebstechnik 570 III: Einfluss weichgeschliffener<br />
Gegenlaufflächen auf das Dichtverhalten von Radial-Wellendichtungen.<br />
FVA-Heft Nr. 1230. 2017<br />
DIE AUTOREN<br />
Dipl.-Ing. Jan Totz,<br />
Akademischer Mitarbeiter<br />
Dichtungstechnik,<br />
Universität Stuttgart<br />
Dr.-Ing. Matthias Baumann,<br />
Leiter Messtechnik,<br />
Universität Stuttgart<br />
Dr.-Ing. Frank Bauer,<br />
Bereichsleiter Dichtungstechnik<br />
& StutCAD,<br />
Universität Stuttgart<br />
www.<strong>antriebstechnik</strong>.de <strong>antriebstechnik</strong> <strong>2019</strong>/04 153