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BERLINER KURIER, Mittwoch, 10. April 2019<br />
Auf die Wohnungssuch-Anzeige von<br />
Kristin Hermann bekam diese auch<br />
anzügliche und sexistische<br />
Nachrichten zugeschickt.<br />
Fotos: imago images/Seeliger,imago images/Stana, Hermann<br />
bilienportale im Internet ein<br />
und lasse mich via E-Mail über<br />
neue Inserate informieren.<br />
Alle paar Minuten geht eine<br />
neue Nachricht ein. Schnell<br />
merke ich: Die Wohnungssuche<br />
in Berlin ist ein Vollzeitjob.<br />
Nicht selten sind Anzeigen nur<br />
für wenige Stunden online, bevor<br />
sie die Vermieter aufgrund<br />
der Masse an Rückmeldungen<br />
Ob online oder in der <strong>Berliner</strong> City.Suchende<br />
versprechen Belohnungen.<br />
wieder deaktivieren.<br />
Mit dem Start meiner journalistischen<br />
Selbstständigkeit bin<br />
ich zum Glück zeitlich flexibel.<br />
Doch wie machen das Berufstätige?<br />
Schließlich sind es nicht<br />
nur die Anfragen, sondern auch<br />
die vielen Besichtigungstermine,<br />
die häufig mitten am Tag<br />
stattfinden –dabei ist den meisten<br />
Vermietern ein festes Arbeitsverhältnis<br />
doch so wichtig.<br />
Vermieter brauchen eine gewisse<br />
Sicherheit, das ist verständlich.<br />
Schufa-Auskunft, Gehaltsabrechnungen,<br />
Bescheinigungen des<br />
Vormieters sind in<br />
umkämpften Märkten<br />
längst Alltag geworden.<br />
Aber wie viel<br />
müssen wir von uns<br />
preisgeben, ohne den<br />
Vermieter überhaupt persönlich<br />
kennengelernt zu haben?<br />
Bekannte haben uns empfohlen,<br />
zu Besichtigungsterminen<br />
eine Bewerbungsmappe mit allen<br />
Unterlagen mitzunehmen.<br />
Uns erscheint das überzogen,<br />
das kein Vorstellungsgespräch.<br />
Schon nach den ersten Besichtigungen<br />
werden wir eines Besseren<br />
belehrt. Zusammen mit<br />
50 anderen Paaren und Einzelpersonen<br />
stehen wir nun da und<br />
überlegen, wie wir innerhalb<br />
Zur Besichtigung<br />
kommen 50 Pärchen.<br />
Viele haben<br />
eine Bewerbungsmappe<br />
dabei<br />
von fünf Minuten zeigen<br />
können,dass wir viel besser<br />
als alle anderen passen.<br />
Und plötzlich kommt uns die<br />
Idee einer Mappe gar nicht<br />
mehr so doof vor –wobei die<br />
Vermittlerinnen schnell klar<br />
machen, dass sie aufgrund der<br />
Datenschutzverordnungen solche<br />
Unterlagen eigentlich gar<br />
nicht annehmen dürfen.<br />
Während die Tage ohne ein<br />
passendes Objekt dahinfliegen,<br />
wächst auch die Panik.<br />
Eines Morgens<br />
um 8 Uhr dann der<br />
Lichtblick: Eine<br />
Dachgeschosswohnung<br />
in Charlottenburg<br />
gefällt, ist bezahlbar.<br />
Hier wird<br />
vor dem Einzug gestrichen, und<br />
es werden die Arbeiten erledigt,<br />
die bei einem Mieterwechsel<br />
eben notwendig werden.<br />
Um es kurz zu machen: Wir<br />
haben eine neue Bleibe! Bekommen<br />
haben wir die Wohnung<br />
deshalb, weil wir schnell waren.<br />
Eine Stunde nach der Besichtigung<br />
ging bei der Hausverwaltung<br />
eine Mail mit sämtlichen<br />
Unterlagen von uns ein –wir<br />
haben in den vergangenen Wochen<br />
schließlich dazugelernt.<br />
Lichtenbergs Bürgermeister<br />
knöpft sich Gier-Vermieter vor<br />
Lichtenberg – Michael<br />
Grunst (Linke) hat sich mit<br />
einem Brief beim Wohnungskonzern<br />
Akelius beschwert.<br />
Der Grund: Für eine<br />
45,92 Quadratmeter-Wohnung<br />
in der<br />
Egmontstraße 4a<br />
nahe dem S-Bahnhof<br />
Lichtenberg<br />
verlangt der Konzern<br />
eine Kaltmiete<br />
von 800 Euro. Zu teuer<br />
sei das, findet der Bürgermeister.<br />
Es ist nicht<br />
das einzige Angebot<br />
dieser Art von Akelius.<br />
Grunst hat die Warmmiete<br />
für die Wohnung auf etwa<br />
920 Euro geschätzt. „Das<br />
entspricht einem Quadratmeterpreis<br />
von 20 Euro. Sie<br />
haben offenkundig keine<br />
Vorstellung davon, was die<br />
Lichtenberger derzeit an<br />
Einkommen generieren. Ihr<br />
Michael<br />
Grunst<br />
(Linke) ist<br />
sauer.<br />
Wohnungsangebot greift<br />
aus meiner Sicht in das soziale<br />
Gefüge des Kiezes ein“ ,<br />
schreibt er in dem Brief. Der<br />
Mietspiegel liege im Wohngebiet<br />
um die Egmontstraße<br />
zwischen 4,81 Euro und 9,21<br />
Euro. „Diese Wohnung<br />
kostet nun 17,80 Euro<br />
kalt den Quadratmeter.<br />
Wir werden alles<br />
unternehmen,<br />
um gegen solche Angebote<br />
vorzugehen“,<br />
sagt er. Michael Grunst<br />
bittet Akelius, die in<br />
Berlin 13700 Wohnungen<br />
vermietet, zum Gespräch.<br />
Rechtlich hat er<br />
kaum Möglichkeiten. Das<br />
Haus gehört Akelius. „Der<br />
neue Mieter kann sich beschweren.<br />
Wir werden als<br />
Bezirk versuchen, dass Milieuschutzgebiet<br />
auszuweiten“,<br />
sagte er. Akelius teilt<br />
auf Nachfrage mit, dass der<br />
Mietpreis aufgrund der umfangreichen<br />
Sanierung angemessen<br />
sei. C. Gehrke