Berliner Zeitung 15.04.2019
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10 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 88 · M ontag, 15. April 2019<br />
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Stadtgeschichte<br />
1. Schlossbrunnen, auch Neptunbrunnen:<br />
Vonder Bürgerschaft dem Kaiser zu Gefallen<br />
wurde der prächtigeBrunnen am 1. November<br />
1891 auf dem Schlossplatz eingeweiht.<br />
Starbildhauer Reinold Begas hatte ihn geschaffen.<br />
Neptun, allmächtiger Herrscher,gebietet<br />
mit Dreizack den MeereswogenEinhalt. Zu seinen<br />
Füßen vier weibliche Fluss-Allegorien: der<br />
Rhein mit Fischernetz und Trauben, die Weichsel<br />
mit Holzkloben, die Oder mit Ziege, die Elbe mit<br />
Ähren und Früchten. Die Bronzefiguren sind verkalkt,<br />
aber intakt.<br />
2. St. Georg im Kampf mit dem Drachen:<br />
Die sechs Meter hohe, acht Tonnen<br />
schwere Figurengruppe des Heiligen, der Stadt<br />
samt Prinzessin vordem Monsterterror rettet,<br />
stand von1865 bis zur Sprengung des Schlosses<br />
in dessen Äußerem Hof, dann im Volkspark<br />
Friedrichshain und gelangte 1987 ins Nikolaiviertel.<br />
Das Werk des Bildhauers August Kiß, in<br />
Lauchhammer gegossen, wurde 2010/11 in<br />
der Adlershofer Werkstatt des Restaurators<br />
Bernd Helmich aufwendig restauriertund wieder<br />
aufgestellt. Sehr beliebtes Fotoobjekt.<br />
3. Amazone und Löwenkämpfer: Mann<br />
und Frau, beide in antiker Nacktheit auf sich<br />
aufbäumenden Pferden –dieses tolle Paar präsentiertsich<br />
in spektakulärer Pose am Alten Museum<br />
und wird allenthalben bewundert. Seine<br />
Lanze durchbohrteinen Löwen, ihre einen Panther<br />
(siehe Foto). Der Kämpfer ist ein Werk von<br />
AlbertWolff (nach Entwurf vonRauch), aufgestellt<br />
1861, die Amazone eines vonAugust Kiß,<br />
aufgestellt 1842. 2007 wurden beide Figuren<br />
auf einem speziell hergerichteten Platz vordem<br />
Alten Museum saniert.<br />
4. Albrecht Daniel Thaer, Peter Christian<br />
Wilhelm Beuth (l.) und Karl Friedrich<br />
Schinkel (r.): Den dreien setzte die<br />
dankbare Stadt in den 1860er-Jahren je ein<br />
Denkmal: dem Agrarreformer,dem Begründer<br />
des deutschen Ingenieurwesens sowie dem Architekten<br />
und Baumeister.Sie waren die ersten<br />
Nicht-Adeligen, die zu solcher Ehre gelangten.<br />
Im Zweiten Weltkrieg erlitten die Bronzestatuen<br />
Schäden, sie kehrten zwischen 1996 und 2000<br />
nach der Restaurierung wieder auf den Schinkelplatz<br />
zurück.<br />
5. Preußen-Generäle von der Neuen Wache:<br />
Seit 1822 befandensich vorder Neuen<br />
Wache die Marmorstandbilder der wichtigsten<br />
Generäleund Reformer der Freiheitskriege:Bülow<br />
(l.), Scharnhorst (r.) in Marmor;Yorck, Blücher<br />
und GneisenauinBronze.Walter Ulbrichtverbanntedie<br />
Standbilder 1950 ins Depot,1964<br />
durften die Bronzen und der Marmor-Scharnhorst<br />
zurück –auf dieandereLindenseite. 2002 stellte<br />
der Senat um: Bülow und Scharnhorst in die erste<br />
Reihe, die anderen hinten. DieOriginal-Marmorfiguren<br />
sind gefährdet (siehe Haupttext).<br />
6. Wilhelm und Alexander von Humboldt:<br />
Die <strong>Berliner</strong> Geistesheroen, Stolz der<br />
Bildungsbürger, thronen in Marmor beiderseits<br />
des Eingangs der nach ihnen benannten Universität.<br />
Alexander (im Bild), Weltreisender und Naturforscher,stammt<br />
aus der Werkstatt vonReinhold<br />
Begas; Wilhelm, den Bildungsreformer,<br />
schuf Martin Paul Otto. Nach diesem Entwurf<br />
hatte sich auch Begas zu richten. 1985 wurden<br />
jeweils Gips-Abformungen für Marmorduplikate<br />
angefertigt, doch seit 1989 sank die Schwefeldioxidbelastung<br />
der Luft um etwa 90 Prozent.<br />
Wiegeht’s<br />
Euch?<br />
Ein Osterspaziergang zu den schönsten<br />
Denkmälern zwischen Marienkirche<br />
und Tiergarten samt<br />
Erkundigung zu deren Wohlergehen<br />
8<br />
VonMaritta Tkalec<br />
Ebertstr.<br />
Pariser<br />
Platz<br />
Behrenstr.<br />
Friedrichstr.<br />
Unter den Linden<br />
Charlottenstr.<br />
Dorotheenstr.<br />
7<br />
Schloßplatz<br />
Humboldt-<br />
Universität<br />
6<br />
Neue Wache<br />
5<br />
Französische Str.<br />
Museumsinsel<br />
Altes Museum<br />
4<br />
3<br />
Lustgarten<br />
Schloss<br />
Spree<br />
Breite Str.<br />
Karl-Liebknecht-Str.<br />
2<br />
Marienkirche<br />
1<br />
Nikolaiviertel<br />
50 m<br />
Rotes Rathaus<br />
Spandauer Str.<br />
V.L.N.R.: DPA/JENSEN, LDA/ZIMMERMANN, BERLINER VERLAG, IMAGO/MEISNER, IMAGO/STEINACH, LDA/ZIMMERMANN (2), LDA/KRIESTEN<br />
BLZ/HECHER<br />
Neptun sieht kläglich<br />
aus,bis zu sechs Zentimeter<br />
dick lagernKalkablagerungen<br />
auf seiner<br />
Oberfläche. „Lediglich ein ästhetisches<br />
Problem“, sagt Amtsrestaurator<br />
York Rieffel vom<br />
Landesdenkmalamt, „keine Gefahr<br />
für die Bronze.“Mit Ausnahme der<br />
dringend zu erneuernden Technik<br />
befindet sich der Brunnen in gutem<br />
Zustand. Dashat 2006 eine restauratorische<br />
und technische Untersuchung<br />
ergeben.<br />
Kein Grund zur Sorgealso,auch<br />
nicht mit Blick auf die anderen hier<br />
vorgestellten Skulpturen. Sie sind<br />
seit 2009 Bestandteil des umfangreichen<br />
Wartungsprogramms, das<br />
Landesdenkmalamt, Senatsverwaltung<br />
für Stadtentwicklung und<br />
Wohnen sowie das Bezirksamt umsetzen.<br />
Laut Rieffel ermitteln Metall-<br />
und Steinrestauratoren jährlich<br />
den Zustand, beseitigen Schäden<br />
und reinigen die insgesamt 36<br />
Skulpturen in Mitte:„Alle Denkmäler<br />
in altersentsprechend gutem<br />
Zustand.“ Schön zu wissen.<br />
Stärkere Zuwendung benötigen<br />
lediglich die Preußengeneräle<br />
vonBülowund Scharnhorst: Zwar<br />
werden sie jeden Winter eingehaust,<br />
doch die Witterung hat ihnen<br />
im Lauf der Jahre zugesetzt.<br />
Deshalb sollen die Originale in ein<br />
Museum und am Standort durch<br />
Marmorkopien ersetzt werden. Ihr<br />
ursprünglicher Platz liegt vor der<br />
Neuen Wache. Der Streit um ihre<br />
Rückkehr dorthin wird emotional<br />
geführt. Diese wurde nach der<br />
Wende zunächst von den Erben<br />
der Käthe Kollwitz verhindert, die<br />
keine Militärs in der Nähe der<br />
Pietà in der Neuen Wache dulden<br />
wollten. Der Landesdenkmalrat<br />
beschloss 2017: Die Figuren bleiben,<br />
wo sie sind. Einideologisches<br />
Minenfeld –wie auch der Neptunbrunnen:<br />
Erschaffen wurde er für<br />
den Schlossplatz vordem Portal II,<br />
Richtung Breite Straße. Die Rückkehr<br />
verhindern Kräfte, die die<br />
DDR-Machtkomposition zwischen<br />
Rathaus, Fernsehturm und<br />
Marienkirche in die Zukunft retten<br />
wollen.<br />
7. Reiterstandbild Friedrich II: Prominenter kann man in Berlin nicht reiten als vomBrandenburger<br />
Torzum Schloss –immer Unter den Linden entlang.Das Denkmal mit Ross und Reiter,von<br />
Christian Daniel Rauch in realistischer Darstellung –mit Uniformund Dreispitz –erschaffen, in<br />
Lauchhammer gegossen, 1851 eingeweiht, gehörtzuden bedeutendsten Skulpturen des 19. Jahrhunderts.<br />
Während des Zweiten Weltkrieges überstand es –fest eingemauert–anOrt und Stelle<br />
Bomben und Kämpfe ohne Schaden. Doch die DDR-Spitze mochte den König nicht, „weil er genOsten<br />
reitet“. So hatte er 1959 in den Park vonSanssouci umzuziehen, in ein Versteck. DDR-Kulturfunktionäre<br />
retteten „den Großen“ in einer Geheimaktion vordem Schmelzofen und siehe da: Kaum waren<br />
die Zeiten entspannter,stand er 1962 im Park Charlottenhof. Anlässlich der 750-Jahr-Feier Berlins<br />
und im Zugeeiner erinnerungspolitischen Wende veranlasste Erich Honecker die Heimholung<br />
des Königs. Am 30. November 1980 stand er frisch restauriertnur knapp verschoben, und Gisela<br />
Maysang „Es ist kein Witz/der Alte Fritz ist wieder da./Er steht ratz batz /am alten Platz, hurra,<br />
hurra.“ 2001 abermals gründlich saniert, fünf Jahre später mit einer Wachsschicht gegenGraffiti versehen,<br />
unterliegt der Alte regelmäßiger Kontrolle, so im vergangenen Jahr.Status: Sehr prächtig.<br />
8. Goethe im Tiergarten: Zu Friedrich Schiller hätte man einen Abstecher machen können, er<br />
steht auf dem Gendarmenmarkt, zu Lessing gelangt man ein Stück weiter im Tiergarten. Aber dieser<br />
Spaziergang endet beim größten der drei deutschen Dichter.Johann Wolfgang vonGoethe wurde<br />
nach ernsthaftem Wettbewerb vonFritz Schaper aus Carrara-Marmor geformt. Der Bildhauer begann<br />
das Großwerk 1876, am 2. Juni 1880 wurde die Enthüllung groß gefeiert. Den Zweiten Weltkrieg<br />
überstand die Figur recht gut, 1959/60 wurde sie erstmals restauriert. Doch die aggressiven Umweltbedingungen<br />
setzten ihr zu, das Original kam 1982 ins Depot, 2009 wurde die dortverwahrte<br />
Sammlung in die Zitadelle Spandau umgelagert. Die Vertretung des Originals übernahm im Tiergarten<br />
1987 eine Betonkopie, die so litt, dass sie nach 20 Jahren, am 12. November 2010, wieder<br />
durch das besser erhaltene Original ersetzt wurde –nach umfangreicher Untersuchung,Reinigung,<br />
Ergänzung.Inzwischen war auch die <strong>Berliner</strong> Luft deutlich weniger aggressiv geworden. Eine auf<br />
Grundlagedes 3D-Scanverfahrens hergestellte Kopie des Denkmals aus Bronze wurde vonder <strong>Berliner</strong><br />
Bildgießerei Knaak angefertigt, verschifft und 2016 in Seoul aufgestellt. Auch dem Dichterfürsten<br />
geht es gut an seinem Platz im Grünen.<br />
DAS IST<br />
DAS WAR<br />
DAS KOMMT<br />
Krumpuhler Weg<br />
Schöne Weyde<br />
Turm des Märkischen<br />
Aufdem Gelände am Billerbecker Weg123 in Reinickendorfbefand<br />
sich von1942 bis 1945 ein Zwangsarbeiterlager.<br />
Mit bis zu 1500 Personen zählte das Lager zu den<br />
großen unter den etwa 3000 in Berlin und Umgebung.<br />
1944 gab es in Reinickendorf über 30 000 Zwangsarbeiter,inganz<br />
Berlin rund 400 000, im Deutschen Reich warenesacht<br />
Millionen. 1955 wurde das Lager in eine Gartenarbeitsschule<br />
und ein Mädchenerziehungsheim umgestaltet.<br />
Heute sind Spuren aller historischen Schichten<br />
vorzufinden.<br />
Ein Gedenkort wurde 2010 eingeweiht: Zehn Betonbänkevisualisieren<br />
die Schichten der Geschichte.<br />
Derbrandenburgische Kurfürst Joachim II. bereiste 1595<br />
seine Lande entlang der Spree zwischen Berlin und Köpenick.<br />
Er beschrieb seine Eindrücke,und so wissen wir,<br />
dass die idyllische Gegend sein Wohlgefallen fand. Eine<br />
ausgedehnte Uferwiese am südlichen Spreeufer nannte<br />
er „Schöne Weyde“. Diese offenbar spontan erfolgte Benennung<br />
überdauerte auch Zeiten, in denen Schöneweide<br />
alles andereals eine lauschige Wiese war,sondern<br />
ein schmutziges,wenn auch kreatives und leistungsfähiges<br />
Industriequartier. Erstmals schmutzig wurde es im<br />
17. Jahrhundert, als mit der Besiedlung des südlichen<br />
Spreeufers (Niederschöneweide) auch eine TeerschwelereiinBetrieb<br />
ging. Alte Karten zeigen eine kleine Ansied-<br />
lung mit dem Namen „Theer Ofer“. Als diese Produktion<br />
in friderizianischer Zeit an Bedeutung verlor,ließ die Köpenicker<br />
Textilerzeugung auf der schönen Weide das<br />
Bleichereigewerbe erblühen. Am nördlichen Ufer wird<br />
im Jahr 1674 als Zeichen beginnender Landlust der Städter<br />
zuerst der Gasthof„Pefferkrug“ erwähnt, der bald darauf<br />
nach seinemWirt Quappe„Quappenkrug“ hieß. 1682<br />
kaufte der Große Kurfürst die ansehnliche Acker-, Viehund<br />
Gastwirtschaft. Diese Keimzelle von Oberschöneweide<br />
lag etwa auf dem heutigen Gelände der Reinbeckhallen.<br />
1814 erwarb Oberfinanzrat Johann Phillipp Otto<br />
Reinbeck Quappenkrug und benannte das Gutnach seiner<br />
Frau Wilhelminenhof. (mtk.)<br />
Wieein Burgfried überragt der Backsteinturmdes Märkischen<br />
Museums mit seiner markanten grünen Haube<br />
weithin sichtbar die Innenstadt. Während des Zweiten<br />
Weltkriegs brannte der Turm aus. Seit Jahrzehnten für<br />
das Publikum gesperrt, können nun auch Besucher das<br />
einzigartige Panorama von der Aussichtsplattform genießen.<br />
Kerstin Lassnig und Detlef Hilbrecht vom Förderverein<br />
des Stadtmuseums Berlin erläutern dazu die<br />
Geschichte des Ortes und die Lage des Märkischen Museums<br />
in der Stadt.<br />
Führung: Der Turm des Märkischen Museums –Geschichte und Panorama,<br />
4. Mai, 14.30 Uhr,AmKöllnischen Park 5.