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Berliner Zeitung 15.04.2019

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22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 88 · M ontag, 15. April 2019<br />

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Feuilleton<br />

Othello (Ingo Hülsmann, rot) und die Bleichgesichter Jago, Desdemona, Cassio (Peter Moltzen, Sina Martens, Nico Holonics v.l.) IMAGO<br />

Die pubertierende Sportgruppe erhebt Anklage gegen die Ignoranz der Erwachsenen.<br />

UTE LANGKAFEL/MAIFOTO<br />

Rot ist das neue Schwarz<br />

„Othello“ im <strong>Berliner</strong> Ensemble und „Jugend ohne Gott“ im Maxim-Gorki-Theater −ein Premierenwochenende mit Rassismus-Schwerpunkt<br />

VonUlrich Seidler<br />

Zwei heiße Eisen in puncto<br />

Rassismus,Rassismuskritik<br />

und Rassismusreproduktion<br />

hatten am vergangenen<br />

Wochenende Premiere. Ansonsten<br />

habenWilliam Shakespeares Tragödie<br />

„Othello“ (1603/04), in der ein<br />

Schwarzerdie Hauptrolle spielt, und<br />

Ödön von Horváths Roman „Jugend<br />

ohne Gott“ (1937), in dem es um die<br />

Frage geht, ob auch Schwarze ein<br />

Recht zu leben haben, nicht viel gemeinsam.<br />

Beide Inszenierungen −<br />

der Shakespeare von Michael Thalheimer<br />

im <strong>Berliner</strong> Ensemble und<br />

der Horváth von Nurkan Erpulat im<br />

Gorki-Theater − umschifften sehr<br />

vordergründig die Stolperfallen<br />

Blackfacing und N-Wort. Die gute<br />

Nachricht ist, dass man an diesen<br />

ethischen Hindernissen und vergifteten<br />

Debatten vorbeiinszenieren<br />

und dennoch beim Stoff und beim<br />

Thema bleiben kann. Die schlechte<br />

ist, dass in beiden Fällen kein guter<br />

Theaterabend herausgekommen ist.<br />

Horváths dritter Roman zeichnet<br />

in kunstvoll knapper Sprache ein Generationsporträt<br />

aus der Perspektive<br />

eines opportunistischen Lehrers,der<br />

am Ende Mitverantwortung am Tod<br />

eines Kindes trägt. Er findet zugleich<br />

den Glauben an einen strafenden<br />

Gott und darin einen kalten und<br />

Jugend ohne Gott. Nach Ödön vonHorváth<br />

Regie: Nurkan Erpulat<br />

Mit: TiffanyKöberich, Felix Kammerer,Helena<br />

Simon, Eren Kavukoglu, Theo Trebs, Yusuf<br />

Celik, Lara Feith und Denis Geyersbach.<br />

Vorstellungen: 13., 26. April, 19.30 Uhr im<br />

Gorki-Theater,T.: 20 22 11 15<br />

finsteren Trost. Der Lehrer ist alles<br />

andere als ein Idealist, aber immerhin<br />

tadelt er –recht vorsichtig und<br />

selbst rassistisch argumentierend –<br />

einen Jungen für dessen Konsequenz<br />

in einem Aufsatz über den Kolonialismus.<br />

Ja, das dürfte schon<br />

stimmen, dass„wirWeißen“ kulturell<br />

und zivilisatorisch über den Schwarzen<br />

stünden, aber auch sie seien<br />

doch Menschen. Dass er mit dieser<br />

„Humanitätsduselei“ der Doktrin<br />

des herrschenden Nationalsozialismus<br />

widerspricht und Ärger bekommt,<br />

stürzt ihn in eine Krise.<br />

Aber der Lehrer interessiert Erpulat<br />

wenig. Gespielt vonDenis Geyersbach<br />

kommt er fast die ganzeZeit nur<br />

als stiller Beobachter mit Videokamera<br />

vor, bevor er dann in einem<br />

viertelstündigen Turbomonolog einen<br />

Großteil der Handlung nachholt.<br />

Dievon Tina Müller erstellte Fassung<br />

macht die Gruppe Jugendlicher zum<br />

erzählenden Subjekt, gespielt wirdsie<br />

von sieben Nachwuchsschauspielern:<br />

Tiffany Köberich, Felix Kammerer,<br />

Helena Simon, Eren Kavukoglu,<br />

Theo Trebs, Yusuf Celik und Lara<br />

Feith. Der Romantext wird ins Heute<br />

umgebastelt und in epische Blöcke<br />

aufgeteilt, die die jungen Spieler an<br />

der Rampe rangelnd, in die Kamera<br />

rufend, durchs Parkett stolpernd herauspumpen.<br />

Das Ganze steht unter<br />

hastigem Druck und sich überschlagender<br />

Ekstase, für die es dann wohl<br />

auch den typischen Gorki-Theater-<br />

Jubel im Parkett gab.<br />

Dass in diesem Gruppenbild<br />

keine individuellen Figuren entstehen,<br />

entspricht dem Roman, in dem<br />

die Schüler nur mit Buchstaben gekennzeichnet<br />

werden. Aber auf der<br />

Bühne ist der Lehrer als einzige innerlich<br />

beteiligte, eine Entwicklung<br />

durchmachende und zugleich das<br />

Geschehen reflektierende Figur seiner<br />

Funktion enthoben. Übrig bleibt<br />

diese pubertierende Sportgruppe,<br />

die in ihrer Unreife,Wut und Anpassungsbedürftigkeit<br />

nach unserem<br />

Verständnis heischt. Sie wird uns erwachsenen<br />

Zuschauern als Opfer<br />

BESETZUNG UND TERMINE<br />

Othello vonWilliam Shakespeare<br />

Regie: Michael Thalheimer<br />

Mit: IngoHülsmann, Sina Martens, Peter<br />

Moltzen, Kathrin Wehlisch, Nico Holonics und<br />

einem 25-köpfigen Chor<br />

Vorstellungen: 18., 25. April,2., 3.,10. Mai,<br />

19.30 Uhr,<strong>Berliner</strong>Ensemble,T.:28408115<br />

unseres Opportunismus und unserer<br />

Ignoranz vorgeführt. Wobei −<br />

vielleicht richtet sich der Abend gar<br />

nicht so sehr an Erwachsene?<br />

Noch konsequenter und also in<br />

Richtung Leere, Allgemeingültigkeit<br />

und Sinnlosigkeit hat Michael Thalheimer<br />

nach seinem „Macbeth“ im<br />

November nun den nächsten Shakespeare<br />

zusammengestaucht. Ein<br />

Schlagzeug hämmert in finsterer<br />

Leere erst langsam, dann immer<br />

schneller, bis es sich zu einem wildem<br />

Trommelorgasmus steigertund<br />

abbricht (am Instrument: Ludwig<br />

Wandinger). Parallel zum Getrommel<br />

stolziertder nicht mit schwarzer,<br />

sondern mit roter Farbe übergos-<br />

sene nackte Ingo Hülsmann in der<br />

Titelrolle an die Rampe, präsentiert<br />

seinen feuchten Glanz dem Publikum.<br />

Es folgt Sina Martens als Desdemona,<br />

ebenfalls nackt und übergossen,<br />

aber mit weißer Farbe. Die<br />

beiden fallen übereinander her und<br />

haben Sex: eine brutale und unheilvolle<br />

Verrichtung unter Trommelgedonner.<br />

Die Farbe mischt sich –das<br />

erinnert anPeter Zadeks berühmte<br />

„Othello“-Inszenierung, in der der<br />

schwarz geschminkte Mann die<br />

weiße Frau vollschmierte.Ein Regieeinfall<br />

von 1976, macht man heute<br />

nicht mehr.<br />

Thalheimer schminkt stattdessen<br />

die handelnden Figuren, bis auf die<br />

titelgebende, weiß –und stülpt dem<br />

grau gekleideten, angewidert brüllenden<br />

Chor weiße Kissenbezüge<br />

über die Köpfe. Als Blackfacing, also<br />

als rassistisch geltendes Schwarzschminken<br />

von weißen Schauspielern,<br />

kann man das strenggenommen<br />

nicht bezeichnen, aber natürlich<br />

wird die Debatte mit auf die<br />

Rampe geklatscht. Schließlich war es<br />

Thalheimers Dea-Loher-Inszenierung<br />

„Unschuld“ (2011), nach der<br />

die Diskussion ziemlich eskalierte.<br />

Nun also rot-weiß −und zurück<br />

zu der Rampennummer,die sehr explizit<br />

klatscht und spritzt, sodass<br />

man mit den Gedanken bei den<br />

Schauspielern ist. Die Figuren, die<br />

hier ihre Körpersäfte mischen, werden<br />

nicht nur auf äußerliche Farbunterschiede,<br />

auf die Spannung von<br />

gesellschaftlicher Zuschreibung und<br />

individueller Liebe reduziert, sondern<br />

hier bleibt allein die mit dem<br />

Todestrieb verknüpfte Sexualität.<br />

Irgendwann kriegt man das Bild<br />

nicht mehr aus dem Kopf: Der rote<br />

Macho ragt als dauererigierter Brüllpenis<br />

in die leere Finsternis (zwischenzeitlich<br />

kommt ihm aus bekannten<br />

Eifersuchtsgründen das<br />

Stehvermögen abhanden), die weiße<br />

Frau fliegt ihm als Wonnevulva zu,<br />

aus der es gierig züngelt. Gut, Augen<br />

haben diese überspannten Genitalgestalten<br />

auch, aber die sehen<br />

nichts, sondern verdrehen sich vor<br />

Lust oder tropfen vor Schmerz. Und<br />

aus den durchtrainierten Schauspielermündern<br />

dringt gar nicht mal so<br />

wenig hochgezüchteter Shakespeare-Text<br />

mit seiner von dem Geschehen<br />

auf der Bühne unabhängigen<br />

Wucht und Gerissenheit. Die<br />

Sprache,solernen wir,stört.<br />

Besonders in Form der diabolischen<br />

Einflüsterungen von Jago (Peter<br />

Moltzen) pfuscht er in die als rein<br />

körperliches und unbezähmbares<br />

Bedürfnis erzählte Liebe. Das<br />

nächste Mal versuchen sie es vielleicht<br />

einfach ohne Shakespeare,<br />

aber unbedingt mit Schlagzeug, Körpersäften<br />

und Farbe.<br />

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INFORMATIONEN UND BUCHUNG<br />

038378 –65805<br />

Kennwort: <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />

01.11.2019 –20.12.2019 (A)<br />

02.01.2020 –27.02.2020 (A)<br />

27.09.2019 –31.10.2019 (B)<br />

28.02.2020 –30.04.2020 (B)*<br />

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·EZ-Zuschlag 3Tage: €46,-<br />

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·*Aufschlag Saison B(3Tage): €20,-<br />

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Detaillierte Informationen zur Reise und rechtliche Hinweise erhalten Sie vor Buchung vom Reiseveranstalter.<br />

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