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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 91 · 1 8./19. April 2019 – S eite 20 *<br />
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Sport<br />
Steht sinnbildlich in der Sonne: Fredi Bobic ist momentan mit Eintracht Frankfurtüberaus erfolgreich.<br />
IMAGO IMAGES<br />
„Das kannst du mit Geld nicht aufwiegen“<br />
Sportvorstand Fredi Bobic spricht über den Höhenflug mit Eintracht Frankfurt, die wirtschaftlichen Folgen eines Pokalsiegs und den Vergleich mit Hertha BSC<br />
Das Nobelhotel Myriad im<br />
Parque das Nações. Mit<br />
seinen 145 Metern ragt<br />
der dazugehörige Vascoda-Gama-Turm,<br />
das höchste Gebäude<br />
Lissabons, weit über den Tejo<br />
hinaus.Gut gelaunt nimmt Fredi Bobic,<br />
47, am Morgen vordem Viertelfinalhinspiel<br />
in der Europa League gegen<br />
Benfica Lissabon, das 2:4 aus<br />
Sicht von Eintracht Frankfurt enden<br />
soll, auf der Hotelveranda Platz. An<br />
diesem Donnerstag (21 Uhr, RTL) findet<br />
das Rückspiel statt. Während Bobic<br />
über seine schweren Anfänge in<br />
Frankfurt, den sportlichen Höhenflug<br />
und Hertha BSC spricht, ist am Nachbartisch<br />
immer wieder lautes Gelächter<br />
zu hören. DieFreunde Luka Jovic,<br />
Ante Rebic, Filip Kostic und Mijat Gacinovic<br />
spielen Karten.<br />
Herr Bobic, hat diese Saison schon<br />
jetzt IhreErwartungen übertroffen?<br />
Wirstehen imViertelfinale der Europa<br />
League und in der Bundesliga<br />
auf einem Platz, der zur Champions-<br />
League-Teilnahme berechtigen<br />
würde –damit konnte nun wirklich<br />
keiner rechnen. Es hat sich eine Eigendynamik<br />
entwickelt. Durch die<br />
vielen Siege haben unsereSpieler ein<br />
enormhohes Selbstvertrauen.Wirgenießen<br />
die Spiele in der Europa<br />
League.Das sind Festtage.<br />
AlsSie 2016 zur Eintracht kamen, hatten<br />
Sie ein Transferbudget von zwei<br />
Millionen Euro.Die Bilanz seitdem: 98<br />
Zu-und Abgänge. Auffällig ist, dass Sie<br />
häufig mit Leihgeschäften arbeiten.<br />
Wardas die einzige Möglichkeit, um<br />
konkurrenzfähig zu werden?<br />
Zu Beginn meiner Arbeit war mir<br />
klar:Duhast hier keine Kohle.Esgab<br />
daher keine andere Möglichkeit. Wir<br />
konnten vielleicht den einen oder anderen<br />
Transfer machen, mussten<br />
aber sonst schauen, dass wir verkaufen,<br />
um aus dem Kaderwert, der sicherlich<br />
nicht so zu sehen war, das<br />
Beste rauszuholen. Wirhaben unsere<br />
Netzwerke genutzt und sind mit Leihmodellen<br />
gewisse Risiken eingegangen.<br />
Denn da bleibt für uns als Klub<br />
erst mal nicht viel hängen: DerSpieler<br />
kommt, bietet sich an und geht nach<br />
einem Jahr wieder. Als ich kam, war<br />
der Auftrag: In der Liga konkurrenzfähig<br />
sein und keine Sorgen im Abstiegskampf<br />
haben. Das haben wir<br />
geschafft. Vorallem haben wir sehr<br />
viel Geld in den Mitarbeiterstab investiert.<br />
Da haben wir Topexperten<br />
geholt. Das war mir sogar wichtiger,<br />
als in einen guten Spieler zu investieren.<br />
Denn die Mannschaft im Hintergrund<br />
ist entscheidend.<br />
Wolfgang Steubing, der Aufsichtsratsvorsitzende,<br />
erhielt im Zuge Ihrer Verpflichtung<br />
Drohbriefe von Fans. Der<br />
Ruf, den VfB Stuttgart inden Abstieg<br />
geführtzuhaben, haftete an Ihnen.<br />
Ichhatte mich damals gewundert,<br />
welche Mythen verbreitet wurden.<br />
Schließlich war ich zwei Jahre raus<br />
aus dem Geschäft, als derVfB abstieg.<br />
Das war absurd. Wer genauer hinschaut,<br />
weiß, dass auch der VfB mit<br />
mir erfolgreich war. Wolfgang Steubing<br />
hatte sich richtig informiertund<br />
die Gespräche mit ihm waren sehr<br />
gut. Er und der Klub standen voll hinter<br />
mir.Das war mir wichtig.<br />
Sie wurden 2018 vom Kicker zum<br />
„Mann des Jahres“ gewählt und werden<br />
nun auch vonden Fans gefeiert.<br />
So schnell kann es gehen. Ich<br />
merke schon, dass die Akzeptanz im<br />
Umfeld da ist. Mich macht es froh,<br />
wenn ich nach dem Pokalfinale sehe,<br />
wie glücklich Fans und Spieler sind.<br />
Dassind Momente,die kannst du mit<br />
Geld nicht aufwiegen. Ich fliege ja<br />
sehr viel durch die Welt und überall<br />
kommen Leute auf mich zu, die sich<br />
als Bayern-, Gladbach- oder Hertha-<br />
Fanouten und sagen: „Wir finden die<br />
Eintracht klasse! Es macht total Spaß<br />
euch zuzusehen.“ Das ist eine große<br />
Anerkennung für unsereArbeit.<br />
DerSieg im DFB-Pokalfinale oder der<br />
Einzug in die Champions League –<br />
was wäreeigentlich größer?<br />
EinFinale ist immer nur ein Spiel,<br />
eine Bundesligasaison dagegen ist<br />
sehr lange.Über die Liga in die Champions<br />
League einzuziehen, das wäre<br />
der größte Coup. Wir würden in Dimensionen<br />
vorstoßen, in denen wir<br />
nie zuvor waren. Daswäregefühlt wie<br />
ein Doublesieg.<br />
Vonwelchen finanziellen Dimensionen<br />
reden wir da?<br />
Es ist nicht so,dass wir schlagartig<br />
explodieren würden. Als Neuling bist<br />
du nämlich ganz unten in der Kette.<br />
Du verdienst zwar gutes Geld, aber<br />
nicht so viel wie die Vereine,die lange<br />
dabei sind. Es macht uns aber für<br />
viele Klubs und Spieler interessant.<br />
Sicherlich würden einige mit Geld<br />
winken und unsere Spieler wegnehmen<br />
wollen. Aber das ist normal. Die<br />
Großen kaufen den Kleinen die Puzzleteile,<br />
die aufstrebenden Spieler,<br />
weg. Daskönnte uns auch passieren.<br />
Wiesehr würde Ihnen die Champions<br />
League helfen, um europaweit umworbene<br />
Spieler wie Luka Jovic oder<br />
Sebastien Haller zu halten?<br />
Das würde uns auf alle Fälle attraktiver<br />
machen. Ichkönnte mir gut<br />
vorstellen, dass ein Jovic oder ein Haller<br />
nach der Saison vielleicht sagen,<br />
dass sie die Champions League mit<br />
Eintracht Frankfurt, mit diesen tollen<br />
Fans,unbedingt erleben und sich dadurch<br />
weiterentwickeln wollen. Aber<br />
so und so wissen wir, dass ein langer<br />
Sommer vor uns steht, in dem unheimlich<br />
viel passieren kann. Das<br />
entscheidende ist, dass wir auf alles<br />
gut vorbereitet sind.<br />
ZUR PERSON<br />
Der Spieler: Fredi Bobic wurde am 30. Oktober 1971 im slowenischen Maribor geboren, wanderte<br />
als kleiner Jungemit seinen Elternnach Deutschland aus. Beim VfR Bad Cannstatt begann<br />
er 1979 das Kicken, wechselte kurz darauf zum VfB Stuttgart. 1994 gabBobic sein Debüt<br />
in der Ersten Bundesligaund bildete später zusammen mit Krassimir Balakow und Giovane<br />
Elber das „Magische Dreieck“. 1996 wurde der Stürmer mit 17 TreffernTorschützenkönig<br />
und gewann im selben Jahr die Europameisterschaft mit dem DFB-Team. Insgesamt schoss<br />
Bobic für den VfB,den BVB,Hannover96und Hertha BSC 108 Tore in 285 Bundesligaspielen.<br />
Der Funktionär: 2009 begann Bobic seine Funktionärskarriere beim bulgarischen Erstligisten<br />
Tschernomoretz Burgas als Geschäftsführer Sportund Marketing.Von 2010 bis 2014 war er<br />
Sportdirektor bzw.Sportvorstand beim VfB Stuttgart. Seit Juni 2016 ist er Sportvorstand bei<br />
Eintracht Frankfurt, gewann mit den Hessen 2018 den DFB-Pokal und hat dorteinen Vertrag<br />
bis 2023. Bobic hat zweiTöchter,Tyra, 19, und Celine, 22. Mit Ehefrau Britta lebt er in Dahlem.<br />
DerMarkt explodiertregelrecht. Gladbachs<br />
Sportdirektor MaxEberlsprach<br />
von Fantasiesummen, die mittlerweile<br />
aufgerufen werden.<br />
Ich gebe Max absolut recht. Es ist<br />
schwierig zu begreifen, wie diese<br />
Summen zustande kommen. Für<br />
Bayern oder Dortmund sind 80-Millionen-Transfers<br />
gar nicht so außergewöhnlich.<br />
Für Frankfurt dagegen<br />
wären schon acht bis zehn Millionen<br />
außergewöhnlich. Wir normalen<br />
Klubs aus der Mitte müssen damit leben.<br />
Wir versuchen, eine Lücke zu<br />
schließen, die wir eigentlich nie mehr<br />
schließen können. Außer du hast unfassbaren<br />
Erfolg und spielst zehn<br />
Jahrelang in der Champions League.<br />
Aber auch dann würde die Lücke nur<br />
etwas kleiner werden.<br />
Kaum ein Tagvergeht ohne eine neue<br />
Transfermeldung über Jovic. Summen<br />
wie 50, 60 oder 70 Millionen sind im<br />
Gespräch.Wergibt den Preis vor?<br />
Es ist eine Kombination aus vielen<br />
Faktoren: die Leistung des Spielers,<br />
sein Entwicklungspotenzial und sicher<br />
auch Berichte der Medien. Auch<br />
vergleicht man Spieler wie ihn mit anderen,<br />
die in dem gleichen Alter<br />
schon gewechselt sind. Natürlich<br />
wirddabei auch die Frage gestellt, wer<br />
der Käufer ist, wie potent die andere<br />
Seite ist.<br />
Das heißt also, dass für Frankfurt bei<br />
einer Teilnahme an der Champions<br />
League Wunschspieler plötzlich teurer<br />
wären, weil die Gegenseite weiß, dass<br />
das Geld da ist?<br />
Dasmag sein.Wirwerden aber nur<br />
die Pakete schnüren, die wir uns wirklich<br />
leisten können. Das Budget werden<br />
wir nicht sprengen, wollen auch<br />
nicht in eine Schuldenfalle tappen.<br />
Das gab es in der Vergangenheit bei<br />
anderenVereinen schon oft genug.<br />
Inwieweit hat der Pokalsieg einen<br />
wirtschaftlichen Boom ausgelöst?<br />
DerSieg hat dem Verein einen unfassbaren<br />
Push gegeben. Als Marke<br />
hat uns dieser Erfolg sehr gestärkt, die<br />
internationale Anerkennung ist nun<br />
viel größer. ImMerchandising generieren<br />
wir momentan unfassbare<br />
Umsätze. Wir haben keine Trikots<br />
mehr, esgibt Wartelisten in allen Bereichen<br />
im Sponsoring. Die Logen,<br />
die Businessseats, die normalen Karten<br />
sind bis zum Saisonende in jedem<br />
Spiel ausverkauft. Die ganze Stadt ist<br />
immer noch euphorisiert. Letztens<br />
kam ein Fanzumir und meinte:„Herr<br />
Bobic, ich kann mich gar nicht mehr<br />
ärgernüber meine launische Diva,irgendwie<br />
haben Siemir meine ganzen<br />
Emotionen genommen.“<br />
Im Februar 2017 sagten Sie der <strong>Berliner</strong><br />
Morgenpost: „Hertha ist uns zwei<br />
Jahrevoraus.“Wieschaut es jetzt aus?<br />
Hertha ist wirklich gut aufgestellt.<br />
Es sieht momentan zwar so aus, als<br />
wären wir Hertha weit voraus, aber<br />
dem ist nicht so. Michael Preetz hat<br />
wirtschaftlich vieles richtig gemacht.<br />
Auch finde ich völlig richtig, dass er<br />
mit Hertha um ein neues Stadion<br />
kämpft und an die Wände der Politiker<br />
klopft.<br />
Siehaben zwischen 2003 und 2005 in<br />
61 Spielen neun Tore für Hertha erzielt.<br />
Was für ein Gefühl ist es, im<br />
Olympiastadion aufzulaufen?<br />
Ich liebe das Olympiastadion, in<br />
dem viel Geschichte drinsteckt. Nur<br />
hat man als Spieler,wenn 40 000 Fans<br />
da sind, das Gefühl, dass es nur halb<br />
voll ist. Die Ostkurve ist stark. Wenn<br />
ich mir vorstelle,dass die direkt hinter<br />
dem Torineinem kompaktem Stadion<br />
steht: großartig! Als ehemaliger<br />
Spieler kann ich das komplett nachvollziehen.<br />
Für mich gibt es keinen<br />
Grund, warum man das nicht machen<br />
soll. Hertha braucht das Stadion<br />
auch, um eine gewisse Emotionalität<br />
herzustellen. Ich würde mir wünschen,<br />
dass es kommt. Daswäreauch<br />
für die Liga gut.<br />
Hauptstadt vs. Bankenstadt Frankfurt<br />
–wer hat den Standortvorteil?<br />
Beide Städte haben gewisse Vorzüge.<br />
Die Hauptstadt hat eine große<br />
Wucht. Die Bankenstadt Frankfurt<br />
war monetär gesehen lange Zeit nicht<br />
wirklich aktiv bei Eintracht. Das hat<br />
sich verändert. Der Unterschied zu<br />
Berlin ist, dass die Eintracht voll in der<br />
Stadtgesellschaft verankertist. Dasist<br />
in Berlin mit den verschiedenen Vereinen<br />
und Kiezen anders. Dahalten<br />
die Leute zu Union, Dynamo oder<br />
eben zur Hertha. In Berlin gibt es zudem<br />
viele Zugereiste, wie auch ich<br />
selbst ja einer bin (Bobic wohnt mit<br />
seiner Familie in Dahlem; Anm. d.<br />
Red.),die ihrenVerein mitnehmen.<br />
Hertha stellt sich moderner auf,arbeitet<br />
am Image der grauen Maus …<br />
…und dann gibt es Stress.<br />
Siesprechen es an. Vorallem die Digitalisierung<br />
ist vielen Fans ein Dorn im<br />
Auge. Es kommt immer wieder zu Protesten.<br />
Können Siedas verstehen?<br />
Nein, ich kann das nicht nachvollziehen.<br />
Das ist eine Heuchel-Diskussion.<br />
Tradition bedeutet nicht, dass<br />
wir das Ticket, das Bier und die Wurst<br />
in bar bezahlen müssen. Die Zeiten<br />
ändern sich und das Stadionerlebnis<br />
auch. Der Verein muss modern werden.<br />
Wichtig ist, dass wir unsereTradition<br />
dabei nicht leugnen. Man<br />
sollte die Tradition mitnehmen und<br />
geschickt in die Moderne hinein gestalten.<br />
Dazu muss man intensiv mit<br />
Fanclubvertretern kommunizieren.<br />
Das machen wir bei der Eintracht<br />
auch.Wirmüssen dieTradition hegen<br />
und pflegen, aber dürfen darin nicht<br />
verweilen. Sonst bist du irgendwann<br />
in der vierten Liga. Da spielen genügend<br />
frühere Meister. Leider wird es<br />
immer Gruppierungen geben, die gegen<br />
etwas sind. Die werden medial<br />
aber oft so dargestellt, als wären sie<br />
groß. Ichglaube,dass über 90 Prozent<br />
der Fans die moderne Entwicklung<br />
verstehen und annehmen.<br />
Wie beurteilen Sie die Arbeit von Michael<br />
Preetz bei Hertha?<br />
Ich halte große Stücke von der<br />
Mannschaft, die sehr talentiert ist.<br />
Michael macht einen Riesenjob. Für<br />
ihn ist das Ergebnis aber nicht zufriedenstellend.<br />
Niemand spielt am Ende<br />
der Saison gerne um die Goldene<br />
Ananas.Ich hätte Hertha vorder Saison<br />
durchaus höher angesiedelt.<br />
DasGespräch führte Patrick Berger.