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Berliner Kurier 27.05.2019

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4 EUROPA-WAHL BERLINER KURIER, Montag, 27.Mai 2019 **<br />

Rechts, wink!<br />

So rütteln die<br />

Nationalisten<br />

an Europa<br />

IhreAllianz könnte das Parlament<br />

in Straßburgerheblich stören<br />

Nachdem Matteo Salvini<br />

am Sonntag seinen<br />

Stimmzettel in einem<br />

Mailänder Wahllokal in die Urne<br />

geschoben hatte, setzte der<br />

stellvertretende Ministerpräsident<br />

Italiens zu einer düsteren<br />

Prophezeiung an. Ein Sieg seiner<br />

Partei, der rechten Lega,<br />

werde Folgen haben. „In Italien<br />

ändert sich nichts, in Europa ändert<br />

sich alles“, sagte Salvini.<br />

Die neue Rechte Europas erstarkt<br />

und sie formiertsich. „Der<br />

Nationalismus ist der Feind des<br />

europäischen Projekts“, hatte<br />

Kanzlerin Angela Merkel noch<br />

vor wenigen Tagen bei einem<br />

Wahlkampfauftritt gesagt. Dieser<br />

„Feind“ scheint sich nun im<br />

Kern der EU einzunisten.<br />

Bei der französischen Parlamentswahl<br />

vor zwei Jahren unterlag<br />

die Rechte Marine Le Pen<br />

in der Stichwahl um<br />

das Präsidentenamt<br />

dem Liberalen Emmanuel<br />

Macron.<br />

Damals hieß ihre<br />

Partei „Front National“,<br />

heute heißtsie<br />

„Rassemblement<br />

National“. Sie wurde<br />

gestern stärkste<br />

Kraft in Frankreich,<br />

noch vor Macrons<br />

„En Marche“-Partei. Le Pen<br />

sprachvon einem „Sieg des Volkes„.<br />

Den Präsidenten rief sie<br />

auf, den Weg für Neuwahlen<br />

freizumachen.<br />

Sozial-und Christdemokraten<br />

verlieren in Europa ihrenStatus<br />

als Volksparteien. InDeutschland<br />

profitieren davon vor allem<br />

die Grünen, andernorts sind Radikale<br />

klare Gewinner –allem<br />

voran in Italien.Dort sagtendie<br />

Umfragen Salvinis Lega einen<br />

Wahlsieg mit rund 30 Prozent<br />

voraus.<br />

Und auch die deutsche AfD<br />

zieht gestärkt wieder ins EU-<br />

Parlament ein. Sie baut ihr Ergebnis<br />

aus 2014 aus. Auf eine<br />

Zunahme seines Einflusses in<br />

Europa hoffte auch Ungarns Ministerpräsident<br />

Viktor Orbán.<br />

Orban<br />

nimmt<br />

Kampagne<br />

wieder auf<br />

Nach der Suspendierung seiner<br />

Fidesz-Partei aus der christdemokratischen<br />

Parteienfamilie<br />

der EVP nahm er seine Anti-EU-<br />

Wahlkampagne ruchlos wieder<br />

auf. Seine Parteikam Prognosen<br />

zufolge auf über 50 Prozent.<br />

Und auch die nationalkonservative<br />

PiS, die in Polen regiert,<br />

wurde dort stärkste Kraft.<br />

Selbst ein handfester Skandal<br />

vermag den Rechten keinen allzu<br />

starkenSchlag versetzen, wie<br />

das Ergebnis der österreichischen<br />

FPÖ zeigt. Trotz der Ibiza-Affäre<br />

um Staatsaufträge gegen<br />

Wahlhilfe der FPÖ kam die<br />

ÖVP auf mehrals 17 Prozent. Täte<br />

sich die europäische Rechte,<br />

wie es sich Italiens starker<br />

Mann Matteo Salvini wünscht,<br />

im neuen EU-Parlament tatsächlich<br />

zu einerAllianz zusammen,<br />

dann könnte das Bündnis<br />

die Parlamentsarbeit<br />

erheblich stören,<br />

wenn nicht gar<br />

blockieren. Der<br />

clowneske Ober-<br />

Brexiteer Nigel Farage,<br />

dessen Brexit-<br />

Partei wohl als<br />

stärkste Partei aus<br />

Großbritannien ins<br />

europäische Parlament<br />

einzieht, dürfte<br />

diese Allianz nach Kräften unterstützen–zumindest<br />

solange,<br />

wie er ein Mandat in Straßburg<br />

hat.<br />

Vielleicht lag es an dem sich<br />

abzeichnenden Erstarken rechter<br />

Parteien, dass diese Wahl einen<br />

Trend gebrochen hat. Seit<br />

der ersten Europawahl vor 40<br />

Jahren ging die Wahlbeteiligung<br />

stetig zurück, bis sie 2014<br />

einen Tiefstand von knapp 43<br />

erreichte.Gesternlag die Wahlbeteiligung<br />

in vielen Staaten höher<br />

als damals.<br />

Die erstarkte Rechte stellt die<br />

Parteien der Mitte im EU-Parlament<br />

vor neue Herausforderungen.<br />

Sie müssensich neu aufstellen.<br />

Christdemokraten und Sozialdemokraten<br />

büßen ihre<br />

Mehrheit ein –die informelle<br />

große Koalition im EU-Parlament<br />

gehört der Vergangenheit<br />

an. Für eine parlamentarische<br />

Mehrheit der Mitte wird es fortan<br />

drei, vier Fraktionen brauchen.<br />

Liberale und Grüne sind<br />

nun am Zug. Das trifft vorallem<br />

auf die Christdemokraten der<br />

Europäischen Volkspartei zu,<br />

deren Spitzenkandidat Manfred<br />

Weber trotz des desaströsen<br />

Wahlergebnisses der Union EU-<br />

Kommissionschef werden will.<br />

Auch die Sozialdemokraten<br />

werden sich neu sortieren –und<br />

den insgesamt geschwundenen<br />

Einfluss in ihren Reihen neu<br />

verteilen müssen. Bewegung<br />

Grüne gehen<br />

gestärkt ins<br />

Parlament<br />

gibt es auch bei den Grünen. Die<br />

deutschen Grünen gehen deutlich<br />

gestärkt in die nächsten<br />

fünf Jahre; auch in den Niederlanden<br />

und in Irland schnitten<br />

sie stark ab.<br />

Auch die Liberalen formieren<br />

sich neu: Erstmalszieht die „En<br />

Marche“-Bewegung von Präsident<br />

Emmanuel Macron ins Parlament<br />

ein. Sie wird wohl mit<br />

der liberalen Alde-Gruppe eine<br />

neue, französisch dominierte<br />

Fraktion bilden, die „Renaissance“<br />

heißen soll. Die unter<br />

Macrons Führungerstarkenden<br />

Liberalen werden großen Einfluss<br />

auf dieBesetzung der Top-<br />

Jobs haben. Weder Konservative<br />

noch Sozialdemokraten kommen<br />

an ihnen vorbei, wenn sie<br />

mit Manfred Weber oder dem<br />

sozialdemokratischen Niederländer<br />

Frans Timmermans den<br />

Kommissionsvorsitz stellen<br />

wollen.<br />

Marina Kormbaki,Damir Fras

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