Berliner Kurier 27.05.2019
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6 BERLIN WÄHLT EUROPA BERLINER KURIER, Montag, 27.Mai 2019 **<br />
Wahl-Erdbeben:<br />
Ganz entspannt: Diese <strong>Berliner</strong><br />
Grünen-Anhänger begossen<br />
den Sieg mit Bier und Wasser.<br />
Es grünt so grün<br />
an der Spree<br />
SPD stürzt vom ersten auf den dritten Platz ab, auch die CDU<br />
lässt Federn. PankowerWahlhelfer schwänzten den Dienst.<br />
Berlin – Die Europawahl<br />
brachte in Berlin eine dramatische<br />
Verschiebung der Parteienstärke<br />
mit sich. Die SPD,<br />
die 2014 in der Hauptstadt<br />
noch mit 24 Prozent obsiegt<br />
hatte, landete nach den Auszählungsergebnissen<br />
von 23<br />
Uhr bei 14 Prozent und noch<br />
hinter der CDU auf dem dritten<br />
Platz. Dafür schossen die<br />
Grünen von 19,1 auf 27,8 Prozent<br />
hoch und wurden<br />
stärkste Partei der Stadt.<br />
Europawahl 2019<br />
Stärkste Parteien in den Bezirken<br />
Spandau<br />
Charlotten-<br />
burg-<br />
Wilmersdorf<br />
Reinickendorf<br />
Steglitz-<br />
Zehlendorf<br />
Mitte<br />
Pankow<br />
Friedrichsh.-<br />
Kreuzberg<br />
Die CDU verlor nach der fast<br />
abgeschlossenen Auszählung,<br />
(nur sechs von 2518 Wahl- und<br />
Briefwahllokalen waren nicht<br />
fertig), auf 15,2 gegenüber 20<br />
Prozent vor fünf Jahren. Die<br />
Linke, 2014 noch bei 16,2 Prozent,<br />
landete bei nur 11,9 Prozent.<br />
Die AfD konnte mit 9,9<br />
statt 7,9 Prozent ihr Ergebnis<br />
verbessern. Die FDP, 2014 bei<br />
nur 2,8 Prozent gelandet, erzielte<br />
4,7 Prozent. Damit blieb<br />
sie allerdings hinter der Satirepartei<br />
Die Partei, die 4,8 Prozent<br />
schaffte.<br />
Im Vergleich zur Bundestagswahl<br />
2017 stehen SPD, CDU<br />
und Linke, aber auch AfD und<br />
FDP als Verlierer da. Damals<br />
hatte die SPD 17,9 Prozent erzielt,<br />
die CDU als stärkste Kraft<br />
22,7. Die Linke kam auf 18,8, die<br />
Grünen auf 12,6 Prozent. Die<br />
AfD landete bei 12, die FDP bei<br />
8,9 Prozent.<br />
Die politische Landkarte hat<br />
sich deutlich zugunsten der<br />
Grünen verändert: Sie wurde in<br />
acht von zwölf Bezirken am<br />
stärksten. Der CDU blieben nur<br />
Spandau und Reinickendorf,<br />
der Linken Marzahn-Hellersdorf<br />
und Lichtenberg.<br />
Zwischen Ost- und Westteil<br />
der Stadt gab es wieder deutliche<br />
Unterschiede beim Ergebnis:<br />
Während Grüne, CDU und<br />
SPD im Westen stärker waren<br />
als im Osten, erzielte die Linke<br />
im Osten mehr als doppelt so<br />
viele Stimmen wie im Westen.<br />
Bei der AfD war der Anteil im<br />
Osten fast 50 Prozent höher.<br />
Der Wahltag in Berlin war ruhig<br />
verlaufen, obwohl die<br />
Wahlbeteiligung mit 60,6 Prozent<br />
weit höher lag als 2014<br />
(46,7 Prozent). Dazu dürften<br />
neben dem in den letzten Tagen<br />
etwas belebteren Wahlkampf<br />
die Klima-Bewegung Fridays<br />
for Future und auch der bundesweit<br />
diskutierte Youtube-<br />
Auftritt des Bloggers „Rezo“<br />
beigetragen haben.<br />
Nina Stahr und Werner Graf,<br />
Neukölln<br />
Tempelhof-<br />
Schöneberg<br />
Lichtenberg<br />
Marzahn-<br />
Hellers-<br />
Dorf<br />
Treptow-<br />
Köpenick<br />
CDU<br />
Grüne<br />
Linke<br />
Grafik/Hecher; Quelle: Wahlen-Berlin.de<br />
Vorsitzende der <strong>Berliner</strong> Grünen,<br />
waren ganz aus dem Häuschen.<br />
„Fantastisch“ sei das Resultat:<br />
„Das Wahlergebnis zeigt<br />
deutlich, dass die Menschen<br />
sich eine andere Politik wünschen,<br />
besonders beim Thema<br />
Klimaschutz. Wir müssen den<br />
Kampf gegen die Klimakrise<br />
endlich konsequent anpacken.<br />
Es ist keine Zeit mehr für Ausreden<br />
und Aufschübe.“<br />
Michael Müller, Regierender<br />
Bürgermeister und SPD-Landesvorsitzender,<br />
nannte das Ergebnis<br />
ein Alarmsignal: „Natürlich<br />
kann man ein Ergebnis<br />
unter 20 Prozent nicht schönreden.“<br />
Ihm könnten in der<br />
<strong>Berliner</strong> Landespolitik, aber<br />
auch innerhalb der SPD die Felle<br />
wegschwimmen, weil seine<br />
Partei in der rot-rot-grünen Koalition<br />
nur noch halb so stark ist<br />
wie die Grünen.<br />
Der <strong>Berliner</strong> CDU-Fraktionsvorsitzende<br />
Burkard Dregger<br />
meinte: „Den Grünen ist das<br />
Geschäft mit der Angst am besten<br />
gelungen. Sie haben die<br />
Angst vor dem Klimawandel in<br />
Zustimmung ummünzen können.<br />
Diese Ängste haben gerade<br />
im Endspurt des Wahlkampfes<br />
die Ängste vor Terror und Kriminalität<br />
übertroffen.“<br />
Organisatorisch scheint der<br />
Wahlsonntag in Berlin gut geklappt<br />
zu haben. Sorgen hatte<br />
es nur am Morgen in Pankow<br />
gegeben: 39 der rund 3000<br />
Europawahl 2019<br />
Ergebnisse in Berlin<br />
15,2<br />
20<br />
14,0<br />
24<br />
27,8<br />
19,1<br />
Foto: Getty Images Europe<br />
Stimmenanteile in Prozent,Stand 23 Uhr<br />
4,7<br />
2,8<br />
Wahlhelfer des Bezirks waren<br />
nicht zu ihrem Dienst erschienen.<br />
Bezirkswahlleiterin Christine<br />
Ruflett: „16 Helfer haben<br />
sich krank gemeldet, aber 23<br />
sind ganz ohne Entschuldigung<br />
ausgeblieben.“ Aus der Reserve<br />
konnten aber 31 Wahlhelfer<br />
mobilisiert werden, so dass die<br />
Wahl ohne weitere Probleme<br />
durchgeführt werden konnte.<br />
Gut 2,5 Millionen <strong>Berliner</strong><br />
11,9<br />
16,2<br />
9,9<br />
7,9<br />
und in der Stadt lebende EU-<br />
Ausländer waren zur Wahl aufgerufen.<br />
Das vorläufige Endergebnis<br />
für Berlin wurde gegen Mitternacht<br />
erwartet. Welche <strong>Berliner</strong><br />
Kandidaten ins Straßburger<br />
Parlament gewählt wurden,<br />
dürfte erst in der Nacht festgestanden<br />
haben.<br />
Weil nur die CDU mit Listen<br />
für jedes Bundesland angetreten<br />
war, alle anderen Parteien<br />
aber mit Bundeslisten, hing es<br />
vom Bundesergebnis ab, wer es<br />
geschafft hat. Sicher war nur,<br />
dass Berlins Grüne vier Kandidaten<br />
entsenden können, die<br />
auf der Bundesliste weit vorne<br />
standen: Hannah Neumann,<br />
Anna Cavazzini, Erik Marquardt<br />
und Sergey Lagodinsky.<br />
Bei der Linken dürfte es erneut<br />
Martina Michels schaffen, bei<br />
der SPD Gabriele Bischoff, so<br />
wie bei der CDU Hildegard<br />
Bentele, Spitzenkandidatin auf<br />
der <strong>Berliner</strong> Landesliste. Bei<br />
der AfD wird es sicher Nicolaus<br />
Fest gelingen, ins Parlament<br />
einzuziehen.<br />
G. Lehrke, A. Leister.<br />
2019 '14 '19 '14 '19 '14 '19 '14 '19 '14 '19 '14 '19 '14<br />
CDU SPD Grüne DP inkeF<br />
AfDL<br />
Sonstige<br />
16,4<br />
10<br />
Grafik/Hecher; Quelle: Landeswahlleiterin