Berliner Kurier 05.06.2019
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*<br />
HINTERGRUND<br />
Streit um den<br />
9. Oktober 1989<br />
Mit den Demonstrationen<br />
in Plauen, Leipzig und Berlin<br />
begann die politische<br />
Wende in der DDR im Jahr<br />
1989.Obwohl Armee und<br />
Polizei mit Waffen und<br />
Munition einsatzbereit<br />
waren, um mit Gewalt gegen<br />
die Demonstranten<br />
vorzugehen, fielen keine<br />
Schüsse. Es warder Beginn<br />
der friedlichen Revolution.<br />
Über die Bedeutung<br />
dieser Tage im Oktober<br />
1989 wird nun gestritten.<br />
Die Gethsemanekirche<br />
in Prenzlauer Berggehört<br />
zu den wichtigsten<br />
Protestorten im Herbst<br />
1989. Mit Mahnwachen,<br />
Friedensgebeten und<br />
Soli-Aktionen für inhaftierte<br />
Demonstranten wurde<br />
die Kirche zum Zentrum<br />
des Widerstands.<br />
Der<br />
vergessene<br />
Oktober-<br />
Aufstand<br />
Bürgerrechtler kritisieren Bundesregierung für ihren Umgang mit den Demonstrationen im Wendejahr 1989<br />
Von<br />
STEFAN STRAUSS<br />
Ohne den 9. Oktober 1989<br />
und seine Ereignisse in<br />
Leipzig ist der 9. November,<br />
der Tag des Mauerfalls vor<br />
30 Jahren, nicht denkbar.<br />
Namhafte DDR-Bürgerrechtler<br />
fordern deshalb von der<br />
Bundesregierung, die Ereignisse<br />
im Oktober mehr zu würdigen.<br />
Sie sind ziemlich unzufrie-<br />
den, wie die Regierung die Feierlichkeiten<br />
im Jubiläumsjahr<br />
vorbereitet. Ihrer Meinung<br />
nach spielen die Demonstrationen<br />
im Oktober 1989 in Städten<br />
wie Plauen Leipzig, und Berlin<br />
bisher keine Rolle bei den Planungen<br />
für die Feierlichkeiten<br />
im Jubiläumsjahr. Dabei sei bereits<br />
der 9. Oktober 1989 der<br />
„Tag der Entscheidung“ gewesen,<br />
an dem „die Ostdeutschen<br />
zu Tausenden auf die Straße<br />
gingen und sich selbst befreiten“,<br />
sagt Frank Ebert von der<br />
Robert-Havemann-Stiftung in<br />
Berlin.<br />
Ebert hat mit mehr als 50 Bürgerrechtlern<br />
und DDR-Dissidenten<br />
einen Offenen Brief an<br />
das Bundesministerium des Innern,<br />
für Bau und Heimat geschrieben.<br />
Das hatte im April<br />
2019 eine Kommission einberufen,<br />
die die Feierlichkeiten zum<br />
30. Jahrestag des Mauerfalls<br />
vorbereiten soll – allerdings<br />
nicht im Sinne der früheren<br />
Bürgerrechtler. „Ohne den 9.<br />
Oktober 1989 hätte es den 9.<br />
November 1989 nicht gegeben<br />
und nicht den 3. Oktober 1990“,<br />
steht in dem Brief.<br />
Unterschrieben haben ihn<br />
Künstler, Wissenschaftler und<br />
Historiker, Vertreter von Kirchen,<br />
Umwelt- und Friedensgruppen<br />
sowie Opferverbänden.<br />
Auf der Liste stehen etwa<br />
die Namen von Sebastian Pflugbeil,<br />
Wolfgang Templin und<br />
Christoph Wonneberger.<br />
Zumindest Bundespräsident<br />
Frank-Walter Steinmeier würdigt<br />
den Oktobertermin, der<br />
den früheren Bürgerrechtlern<br />
so wichtig ist.<br />
Steinmeier wird am 9. Oktober,<br />
dem Tag der Friedlichen<br />
Revolution, an den offiziellen<br />
Feierlichkeiten in Leipzig teilnehmen<br />
und an die Großdemonstration<br />
vor dann genau 30<br />
Jahren erinnern, als 100 000<br />
Menschen mit den Rufen „Wir<br />
sind das Volk!“ und „Keine Ge-