Die Malteser-Zeitung 2/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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Zuflucht fand sie in der türkischen Grenzstadt Kilis.<br />
Hier half sie anderen Flüchtlingen aus ihrer Heimat dabei,<br />
ihre oft traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten.<br />
Als Psychologin leitete sie von 2013 bis 2016 ein fünfköpfiges<br />
Team für psychosoziale Betreuung.<br />
Respektvolle Gespräche und ihr Schreibtalent<br />
halfen Batoul, auch ihr eigenes Leid zu verarbeiten<br />
<strong>Die</strong> Unbarmherzigkeit des Krieges, die jeden Bereich<br />
der syrischen Gesellschaft durchdrang, spiegelt sich<br />
in den Geschichten der Patienten wider, die Batoul in<br />
ihrem Buch erzählt. „<strong>Die</strong> größte Herausforderung beim<br />
Schreiben dieses Buches war es, eine Auswahl der Geschichten<br />
zu treffen. So viele Berichte meiner Patienten<br />
hatten mich berührt. Ich versuchte dann, ganz unterschiedliche<br />
Patienten zu Wort kommen zu lassen, um<br />
die Grausamkeiten in ihrer gesamten Bandbreite aufzuzeigen“,<br />
sagt Batoul. In den drei Jahren, in denen sie<br />
Geflüchtete psychosozial betreute, kamen hunderte Patienten<br />
zu ihr, manchmal 30 an einem Tag.<br />
Respekt und ein offenes Ohr – beides sehr selten inmitten<br />
eines Kriegs – sind wesentlich für Batouls Arbeit<br />
und maßgeblich dafür, dass ihr die Geflüchteten ihre<br />
Leidensgeschichten erzählten. Auch darum sind die Erfahrungsberichte<br />
in ihrem Buch so persönlich und eindringlich.<br />
„Wenn ich einem Patienten zum ersten Mal begegne,<br />
versuche ich zunächst, eine ruhige und entspannte Atmosphäre<br />
zu schaffen, indem ich mit ihm über ganz<br />
allgemeine Themen spreche, beispielsweise über seine<br />
Lieblingsthemen oder seine Lieblingsbeschäftigungen.<br />
Falls der Patient verwundet ist, versuche ich, den Grund<br />
für die Verletzung in Erfahrung zu bringen. Ganz besonders<br />
wichtig ist es, dem Patienten aufmerksam zuzuhören,<br />
auf alles zu achten, was er sagt, und ihm Respekt<br />
und Wertschätzung entgegenzubringen.“ So entstand<br />
ein eindrückliches Bild der Auswirkungen des Krieges<br />
auf die Überlebenden. Zugleich zeigen die Berichte, wie<br />
gut es ihr gelingt, Vertrauen zu den Menschen aufzubauen.<br />
Viele Flüchtlinge haben auf Grund ihrer Traumata<br />
Schwierigkeiten, sich in eine Gemeinschaft zu integrieren.<br />
In Kilis helfen die <strong>Malteser</strong> vor allem Frauen dabei,<br />
sich in die türkische Gesellschaft zu integrieren und für<br />
den Arbeitsmarkt zu qualifizieren. Zunächst bekommen<br />
sie von unseren Mitarbeitern psychosoziale Unterstützung,<br />
um ihre mentale Stabilität zurückzugewinnen.<br />
Auch Kindern bieten wir individuelle Therapien und<br />
Gruppensitzungen an, um ihre traumatischen Erlebnisse<br />
zu verarbeiten. In einem weiteren Schritt erlernen<br />
die syrischen Frauen die türkische Sprache, können an<br />
Handarbeits- und Kochkursen teilnehmen, führen Gespräche<br />
mit Arbeitsvermittlern und lernen schließlich<br />
auch noch Englisch.<br />
Seit drei Jahren arbeitet Batoul Abras nun nicht mehr<br />
direkt mit Patienten zusammen, sondern unterstützt<br />
uns bei der administrativen Arbeit. Doch die Erfahrungsberichte<br />
ihrer Patienten aus der Zeit, als sie noch<br />
direkt mit den Patienten arbeitete, haben sie bis heute<br />
nicht losgelassen. „Das Aufschreiben dieser zehn Lebenserfahrungen<br />
meiner Patienten hat mir sehr dabei<br />
geholfen, meine eigene Flucht und auch die schrecklichen<br />
Berichte dieser Menschen besser zu verarbeiten.<br />
Ich wollte nicht allein diejenige sein, die all diese furchtbaren<br />
Berichte zu hören bekommt. <strong>Die</strong> ganze Welt soll<br />
von diesem unermesslichen Leid erfahren“, sagt sie.<br />
DIE MALTESER 2/<strong>2019</strong> 25