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Berliner Kurier 22.09.2019

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16 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 22. September 2019<br />

Fotos: iStockphoto (3), Getty Images, imago images, CC BY-SA3.0<br />

Ayurveda gibt auch Empfehlungen,<br />

wie man den Tag gestalten<br />

sollte. Dazu gehört zum Beispiel:<br />

sehr früh aufstehen. Am besten<br />

vor 6Uhr, denn dann sei es wesentlich<br />

leichter, aus dem Bett zu<br />

kommen als eine Stunde später.<br />

Für die Morgen- und Reinigungsrituale<br />

mussman sich allerdings ohnehin<br />

Zeit nehmen.<br />

Krankenhaus.<br />

„Ich<br />

bin damals nachts mehrmals bei<br />

der kleinsten Bewegung wegen<br />

der Schmerzen aufgewacht“,<br />

berichtet sie.<br />

Bei der Studie, an der sie teilnahm,<br />

bekam die eine Gruppe<br />

der 151 Patienten zwölf Wochen<br />

lang eine konventionelle Therapie<br />

wie sie in Deutschland bei<br />

Knie-Arthrose üblich ist. Dazu<br />

gehören vor allem Physiotherapie,<br />

Schmerzmittel und Ernährungsberatung<br />

im Falle von<br />

Übergewicht.<br />

Die andere Gruppe, zu der<br />

auch Judy Gummich gehörte,<br />

wurde ayurvedisch therapiert –<br />

mit Ölmassagen, Kräuterbeutelund<br />

Dampfbehandlungen,<br />

Knie-Yoga sowie einer individuellen<br />

Ernährungs- und Lebensstilberatung.<br />

Besserung gab es bei allen<br />

Teilnehmern. Alle waren im<br />

Durchschnitt mobiler und hatten<br />

weniger Schmerzen. Der Effekt<br />

bei der Ayurvedabehandlung<br />

war jedoch fast doppelt so<br />

groß wie bei der konventionellen<br />

Therapie. Und: Eine deutliche<br />

Wirkung war auch noch ein<br />

Jahr später feststellbar. Einige<br />

Studienteilnehmer, denen Ärzte<br />

vorher zu einem künstlichen<br />

Kniegelenk geraten hatten, kamen<br />

ohne Operation aus.<br />

1. Ein großes Glas warmes Wasser<br />

trinken. Das regt die Verdauung<br />

an. Und es ist schonender als kaltes<br />

Wasser; der Organismus muss<br />

keine Energie aufbringen, um es<br />

auf Körpertemperatur zu bringen.<br />

2. Öl ziehen. Dabei soll man beispielsweise<br />

Sesamöl zehn bis<br />

zwanzig Minuten im Mund herumbewegen<br />

und durch die Zähne ziehen.<br />

Anschließend spuckt man alles<br />

wieder aus, um sich von den<br />

Giftstoffen zu befreien, die sich<br />

über Nacht angesammelt haben.<br />

Danach kann eine Zungenreinigung<br />

mit Esslöffel oder Schaber<br />

folgen.<br />

Ingwer hilft bei<br />

Erkältungen,<br />

Bronchitis<br />

und Asthma.<br />

Reinigende Rituale<br />

Vor allem<br />

diese Nachhaltigkeit<br />

des Ayurveda<br />

ist<br />

es, die<br />

Christian<br />

Kessler<br />

beeindruckt<br />

hat. Er<br />

führt sie<br />

auf den<br />

ganzheitlichen<br />

Ansatz<br />

der indischen<br />

Heilkunde<br />

zurück:<br />

„Unsere westliche<br />

Schulmedizin<br />

bezieht die Patienten<br />

oft zu wenig ein. Die indische<br />

Naturheilkunde leitet zur<br />

Selbstwirksamkeit an“, sagt der<br />

Mediziner.<br />

So lernen die Patienten beispielsweise,<br />

wie sie sich zu Hause<br />

selbst massieren<br />

können, welche<br />

Yoga-Übungen sie<br />

in den Alltag einbauen<br />

und wie sie<br />

3. Neti, die Nasenspülung. Um die<br />

Sinneswahrnehmung zu verbessern,<br />

wird mit einer lauwarmen<br />

Salzlösung aus einem speziellen<br />

Kännchen die Nase gereinigt.<br />

4. Selbstmassage. Sich selbst mit<br />

Sesam- oder Kokosöl einzureiben,<br />

soll gesundheitsfördernd wirken<br />

und jung halten. Empfohlen sei,<br />

das Öl von Kopf bis Fuß über den<br />

Körper zu verteilen und über Beine<br />

und Arme auszustreichen und es<br />

anschließend unter der Dusche<br />

wieder abzuspülen.<br />

„Unsere<br />

westliche<br />

Schulmedizin<br />

bezieht die<br />

Patienten<br />

oft zu<br />

wenig ein.“<br />

ihre Ernährung<br />

dauerhaft sinnvoll<br />

umstellen können.<br />

„Sie bekommen<br />

hier im Grunde eine<br />

Art Bootcamp<br />

zur therapeutischen<br />

Selbstfürsorge“,<br />

sagt Christian<br />

Kessler.<br />

Ayurveda ist eine sehr individualisierte<br />

Therapie. Zugrunde<br />

liegt die Annahme, dass Menschen<br />

ganz unterschiedliche<br />

Konstitutionen haben. Als Erklärungsmodell<br />

zur Veranschaulichung<br />

von Gesundheit<br />

und Krankheit verwendet Ayurveda<br />

das Konzept der drei<br />

Funktionsprinzipien Vata, Pitta<br />

und Kapha, die in jedem Menschen<br />

unterschiedlich ausgeprägt<br />

sind. Gerät dieses individuelle<br />

Verhältnis aus der Balance,<br />

kommt es aus ayurvedischer<br />

Sicht zu gesundheitlichen Beschwerden<br />

und Krankheiten.<br />

Dabei können auch Lebensstilfaktoren,<br />

psychischer Stress,<br />

falsche Ernährung und mangelnde<br />

Schlafhygiene eine Rolle<br />

spielen.<br />

Um den Konstitutionstyp eines<br />

Patienten zu erfassen, nehmen<br />

Ayurvedaärzte eine ausführliche<br />

Anamnese und Untersuchung<br />

vor. Sie betrachten die<br />

Beschaffenheit von Körperbau,<br />

Haaren und Haut, stellen viele<br />

Fragen zu Verdauung, Vorlieben<br />

und Lebenswandel. Auch<br />

eine Puls- und Zungendiagnostik<br />

gehört zu den ersten Untersuchungen.<br />

Die Therapie wird auf jeden<br />

Menschen möglichst individuell<br />

abgestimmt. Sie umfasst neben<br />

spezifischen Behandlungen<br />

auch Empfehlungen zur Ernährung,<br />

denn Ayurveda geht davon<br />

aus, dass bestimmte Lebensmittel<br />

für die eigenen konstitutionellen<br />

Voraussetzungen<br />

förderlich oder nachteilig sein<br />

können. Eine typgerechte Ernährung<br />

kann Körper und Geist<br />

demnach dabei unterstützen,<br />

wieder<br />

ins Gleichwicht zu<br />

kommen.<br />

Auch Judy Gummich<br />

hat vieles von<br />

dem beibehalten,<br />

was sie während<br />

der Studie gelernt<br />

hat. Ihr Knie<br />

schwillt zwar immer<br />

mal wieder an,<br />

sie kann heute aber<br />

ohne Schmerzen<br />

durchschlafen und viel besser<br />

gehen.<br />

Zu Hause kocht sie regelmäßig<br />

nach ayurvedischen Prinzipien<br />

–zum Beispiel Suppen und<br />

andere Gerichte mit Wurzelgemüse,<br />

die sie mit Kurkuma und<br />

Kreuzkümmel würzt. Hauptmahlzeiten<br />

nimmt sie mittags<br />

ein. Eher schwer verdauliche<br />

Lebensmittel wie Fleisch, Milch<br />

und Rohkost soll sie vor allem<br />

abends meiden.<br />

Auch einige ayurvedische<br />

Morgenrituale hat sie in ihren<br />

Alltag integriert. Nach dem Aufstehen<br />

trinkt sie ein Glas warmes<br />

Wasser und reinigt den<br />

Mund, indem sie Sesamöl durch<br />

die Zähne zieht. Durch Ayurveda<br />

sei sie auch sensibler für die<br />

Signale ihres Körpers geworden.<br />

„Ich habe gelernt, dass es<br />

nicht allein darum geht, an meinem<br />

Knie herumzudoktern“,<br />

sagt sie. „Für Ayurveda muss<br />

man sich eben auch Zeit nehmen.“<br />

Etwas, das ihr in ihrem<br />

turbulenten Alltag als Diversity-<br />

Coach und alleinerziehende<br />

Mutter einer Tochter mit<br />

Down-Syndrom nicht immer<br />

leichtfällt.<br />

Einmal im Monat fährt sie<br />

weiterhin für eine Ayurvedabehandlung<br />

ins Immanuel-Krankenhaus.<br />

Eine Stunde lang wird<br />

sie am ganzen Körper mit einem

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