18 JOURNAL BERLINER KURIER, Sonntag, 22. September 2019 Ralph Fiennes im Interview „Künstler sind keine Der Schauspieler spricht über „The White Crow“, seinen Film über den Tänzer Rudolf Nurejew Fotos: British Broadcasting Corporation, Imago Images /Spöttel Picture Er ist ein Chamäleon: Ralph Fiennes war der Erzbösewicht Voldemort in den Harry-Potter-Filmen, James Bonds Boss „M“ in den jüngsten 007- Abenteuern, ein SS-Kommandant in „Schindlers Liste“ sowie ein adeliger Forscher in „Der englische Patient“. In seinem neuen Film „Nurejew: The White Crow“ (Kinostart: 26. September) geht es um den berühmten Tänzer Rudolf Nurejew –umseine harte Kindheit und Jugend in Russland sowie seine dramatische Flucht 1961 in den Westen. Ralph Fiennes spielt nicht nur Nurejews Ballettlehrer, sondern hat auch Regie geführt. Wir trafen den Engländer beim Münchner Filmfest, wo er den CineMerit Award für sein Lebenswerk bekam. KURIER :Nach Ihrer letzten Regiearbeit „The Invisible Woman“ haben Sie geschworen, Sie würden nie wieder bei einem Film gleichzeitig als Regisseur und Schauspieler arbeiten … Ralph Fiennes:Stimmt. Jetzt habe ich meinen Schwur gebrochen, weil ich unbedingt„Nurejew: The White Crow“ drehen wollte. Es war nahezu unmöglich, den Film ohne Starbesetzung zu finanzieren. Meine russische Koproduzentinmeinte schließlich: „Ralph, wenn du potente Investoren aus Russland gewinnen willst, musst du eine Hauptrolle übernehmen.“ Daraufhin ließ ich mich dazu breitschlagen. Ironie des Schicksals: Einen russischen Geldgeber habe ich trotzdem nicht gefunden. Warum wollten Sie den Film unbedingt drehen? Haben Sie eine Leidenschaft fürs Ballett? Nein, ich hatte sogar Schiss deswegen, weil ich mit Tanz im Allgemeinen und mit Ballett im Besonderen überhaupt nichts am Hut habe. Doch ich fand einfach, dass das ein großartiger Filmstoff ist: Die Geschichte eines ungebildeten, ungehobelten Jungen, der buchstäblich aus der Gosse kommt, aus der tiefsten Provinz, und der einen gigantischen Freiheitsdrang hat – eine brennende Sehnsucht danach, zu tanzen, Ballettsolist zu werden und sich als Künstler neu zu erfinden. Fiennes (li.) als Tanzlehrer mit Nurejew(Oleg Ivenko) Nurejew ist oft in Gemäldegalerien gegangen, um sich dort Anregungen für seine Tanzkünste zu holen. Finden Sie selbst auch in Museen Inspiration für Ihre Arbeit als Schauspieler? Ja, absolut. Ich liebe es, meine Fantasie mit Ideen von außen zu füttern. Gemälde, Skulpturen, Filme –alle diese Dinge waren stets eine wichtige Inspirationsquelle für mich. Deshalb fühle ich mich Nurejew sehr nahe: Auch er hatte einen fast un- „Mit seinem ekelhaften Benehmen kann ich mich keineswegs identifizieren.“ stillbaren Hunger, sämtliche Kunstformen in seine Arbeit einfließen zu lassen. Er galt allerdings auch als unglaublicher Egomane. Ist Ihnen dieser Wesenszug ebenfalls vertraut? Nurejew war ein sehr zwiespältiger Charakter: einerseits ein sensibler, tiefgründiger Denker, andererseits ein aufbrausendes Arschloch. Mit seinem ekelhaften Benehmen kann ich mich keineswegs identifizieren, sehr wohl aber mit seiner künstlerischen Entschlossenheit. Die schiere Kraft seines kreativen Geistes hat mich stets fasziniert. Ich finde, Künstler sind lebensnotwendig. Sie zeigen uns, wer wir sind. Und sie weisen uns den Weg in die Freiheit. Neigen Sie dazu, einem Künstler zu verzeihen, wenn er sich wie ein Kotzbrockenaufführt? Nurejews Ziel war es, als Tänzer immer noch besser zu werden und die Ballettkunst konsequent weiterzuentwickeln. Damit große Kunst entstehen kann, müssen Menschen manchmal Extreme ausloten. Als Künstler wird man zwangsläufig irgendwann anecken. Mag sein, dass man dann –wie Nurejew –bisweilen übers Ziel hinausschießt und die Grenzen des Tolerierbaren überschreitet. Aber Künstler sind nun einmal keine Heiligen. Finden Sie, dass man als Künstler ein gewisses Ego braucht? Während meines Schauspielstudiums hat mal ein Lehrer zu mir gesagt: „Wenn du Schauspieler werden willst, bedeutet das automatisch, dass andere Menschen Geld dafür zahlen sollen, um dir zusehen zu dürfen.“ Wer sich fremden Leuten präsentieren möchte, sollte also durchaus ein gesundes Selbstbewusstsein mitbringen. Wenn ich denken würde, dass ich nur einen Haufen Scheiße produziere, dann wäre ich für diesen Beruf völlig ungeeignet. Im Film deuten Sie Nurejews Homosexualität dezent an –durch eine Szene, in der er mit seinem ersten Freund, dem Ostdeutschen Teja Kremke (gespielt von Louis Hofmann), nackt im Bett liegt. War es schwer, diese Szene durchzusetzen? Ich habe deswegen einen Riesenärger bekommen. Schon während der Dreharbeiten hatte man von mir verlangt, die Szene mit angekleideten Schauspielern im Bett zu filmen. Ich fand das absurd und habe mich geweigert. Später machte mir der Verleih Druck, die Szene wieder herauszuschneiden, damit der Film in russischen Kinos ab 16 Jahren freigegeben werden konnte. Letztlich einigten wir uns auf einen Kompromiss: Es gab sowohl eine Version ab 16 als auch eine ungeschnittene Version, die in den Spätvorstellungen laufen sollte. Nachdem der Film in Russland angelaufen war, fragte ich einen Moskauer Freund, der ihn sich spätabends angeschaut hatte: „Hast du die Szene mit den beiden Jungs im Bett gesehen?“ Und er sagte: „Nein!“ Staatliche Zensur? Ach, ich weiß nicht, was wirklich passiert ist. Der Verleih behauptet, die Kinobetreiber hätten sich geweigert, die ungeschnittene Fassung zu zeigen. Es kann aber natürlich auch sein, dass das Kultusministerium sich eingemischt hat, weil es fand, die Darstellung von Homosexualität auf der Leinwand wäre inakzeptabel. Jedenfalls ist das alles extrem frustrierend. Inzwischen habe ich mich schon damit abgefunden, dass man auch in China und in arabischen Ländern diese Szene nie zu sehen bekommen wird. Welche Szene hat Ihnen in Ihrer schauspielerischen Karriere beim Drehen am meisten Spaß gemacht? Die Szene in „A Bigger Splash“, in der ich als manischer Plattenproduzent wild zu „Emotional Rescue“ von den Rolling Stones abtanze. Sagten Sie nicht vorhin, Sie hätten mit Tanz nichts am Hut? Ja. Ich bin auch definitiv ein völlig untalentierter Tänzer. Aber zum Glück habe ich einen Bruder, der Musiker ist –erhat mit Tipps gegeben, wie man sich bewegt, ohne dass es allzu lächerlich aussieht. Außerdem habe ich eine Tanzlehrerin engagiert, die die gesamte Choreografie akribisch mit mir einstudiert hat. Und dann fand ich es einfach wahnsinnig befreiend, halbnackt vor der Kamera mal so richtig die Sau rauszulassen! Interview: MarcoSchmidt
19 Heiligen“ Fiennes macht Faxen: Der Schauspieler (56) bei der Verleihung des CineMerit Award 2019
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