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10 BERLIN BERLINER KURIER, Montag, 14. Oktober 2019<br />
Die Sirplus-Gründer<br />
Martin Schott und<br />
Raphael Fellmer (r.)<br />
während ihres Auftritts in<br />
„Die Höhle der Löwen“,<br />
wo sie als „obergierige<br />
Kapitalisten“ bezeichnet<br />
wurden.<br />
Retter gegen Helfer<br />
DasGeschäftsmodell von Start-ups wie Sirplus<br />
und die fatalen Folgen für die <strong>Berliner</strong> Tafel<br />
Von<br />
JOCHEN KNOBLACH<br />
Ein Apfel mit einer Druckstelle,<br />
ein Becher Joghurt<br />
mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum,<br />
Toastbrot<br />
von vorgestern–in<br />
Sabine Werthist Gründerin<br />
und Vorsitzende der <strong>Berliner</strong><br />
Tafel. 1993 hatte sie die<br />
erste Ausgabestelle<br />
eröffnet.<br />
DeutschlandlandenUnmengen an<br />
Lebensmitteln im Müll. Laut Bundeszentrumfür<br />
Ernährung sindes<br />
jährlich zwölf Mio. Tonnen –150<br />
Kilogramm pro Jahr und Kopf.<br />
InBerlinhatsichdasStart-upSirplus<br />
dem Kampfgegendie enorme<br />
Lebensmittelverschwendung verschrieben.<br />
Vor zweiJahrenwurde<br />
es gegründet, um Lebensmittel etwa<br />
mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum<br />
vor der Tonne zubewahren.<br />
Diese als unverkäuflich<br />
geltenden Lebensmittel nimmt Sirplus<br />
dem Handel abund verkauft<br />
sie mit hohen Rabatten. „Lebensmittelretter“<br />
nennen sich die Jungunternehmer,die<br />
in der Stadt mittlerweile<br />
100 Mitarbeiterbeschäftigen,<br />
drei Filialen betreiben und<br />
nach eigenen Angaben die Vernichtung<br />
von 2000 Tonnen Lebensmittel<br />
verhindert haben.<br />
Nun bekommtdas Unternehmen<br />
Monatlich werden in Berlin etwa660 Tonnen<br />
Lebensmittel verteilt.<br />
Konkurrenz. Matsmart ausSchweden<br />
bereitet seinen Deutschland-<br />
Start vor. 17 Millionen Euro hat das<br />
Start-up dafür gerade bei Investoren<br />
eingesammelt. Das Geschäftsmodell<br />
ist identisch: Auch diese<br />
Firma verkauft Lebensmittel, die<br />
nachAnsichtvon Händlern in kein<br />
Supermarktregalgehören, mit sattenRabattenund<br />
liefert nach Hause.<br />
Zuletzt lag der Jahresumsatz<br />
bei 37 Millionen Euro.<br />
Bei der <strong>Berliner</strong> Tafel, dietäglich<br />
Tausende Bedürftige in dieser<br />
Stadt kostenlos mit gespendeten<br />
Lebensmitteln versorgt,sieht man<br />
den Plan der Schweden allerdings<br />
mit großer Sorge. „Dasist wirklich<br />
der Hammer, dass jetzt noch so ein<br />
vermeintliches Sozialunternehmen<br />
dazu kommt“, sagt Sabine<br />
Werth, Vorsitzende und Gründerin<br />
der<strong>Berliner</strong>Tafel.<br />
Tatsächlich hat in Berlin der Verteilungskampf<br />
umdie Lebensmittelzweiterund<br />
dritterWahllängst<br />
begonnen. Retter und Helfer stehen<br />
sich gegenüber. „Wir verteilen<br />
Lebensmittel anBedürftige, diese<br />
Firmen aber verkaufenbilliganalle“,<br />
sagt Sabine Werth und verweist<br />
darauf, dass der besser Verdienende,<br />
der aus moralischen<br />
Gründen bei Sirplus &Co. einkauft<br />
keineswegsdie Ausnahme ist.„Das<br />
sind reine Wirtschaftsunternehmen,<br />
die auf der Welleder Lebensmittelrettung<br />
eifrig Fahrt aufnehmen.“<br />
Es seibereits zu spüren,dass<br />
die Tafeln wenigerbekommen.<br />
Dabei hat dieselbst ernannteLebensmittelretter-Branche<br />
auch ei-