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16 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 244 · M ontag, 21. Oktober 2019<br />
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Lokalsport<br />
Schattenriss vor Traglufthalle: Der malaysische Hockeyspieler Hawinder Makbul Singh auf dem Wegzum Training in Berlin. Er zählt zu denjenigen, die sich schon bei den Zehlendorfer Wespen weitergebildet haben.<br />
OSTKREUZ/SEBASTIAN WELLS<br />
Vonden Besten lernen<br />
Warum<strong>Berliner</strong> Hockey-Klubs mit dem malaysischen Verbandeinen Vertragschließen wollen und wie beide Seiten davon profitieren könnten<br />
VonAnnika Schultz<br />
Dato´Sri Megat D. Shariman<br />
bin Dato´ Zaharudin<br />
ist ein Mann der Taten.<br />
Dererfolgreiche Geschäftsmann,<br />
seit kurzem Präsident<br />
des Hockey-Verbandes von Kuala<br />
Lumpur, hat sich eines neuen Projekts<br />
angenommen: Der 36-Jährige<br />
will das malaysische Hockey auf ein<br />
neues Level heben. „Wir könnten so<br />
gut wie die Deutschen sein –vielleicht<br />
irgendwann besser“, sagt er<br />
mit einem verschmitzten Lächeln,<br />
„wir wollen von den Besten lernen.<br />
Wir müssen in der Lage sein zu verstehen,<br />
wie unsereGegner spielen.“<br />
Zaharudin ist bewusst, dass der<br />
Abstand zu den deutschen Hockey-<br />
Nationalteams, die 2016 bei den<br />
Olympischen Spielen jeweils Bronze<br />
gewannen, groß ist. Um ihn zu verkleinern,<br />
reist er durch Europa, vor<br />
seinem Stopp in Berlin war er in den<br />
Niederlanden und in Belgien, danach<br />
flog er nach Italien. Er trifft sich<br />
mit Funktionären und Spielern. Er<br />
verhandelt mit ihnen über eine Kooperation,<br />
in der auch drei deutsche<br />
Hockey-Vereine eine ganz entscheidende<br />
Rolle spielen.<br />
„Wir kommen nicht voran, wenn wir<br />
uns nicht öffnen und über den Tellerrand<br />
hinausschauen.“<br />
Dato´Sri MegatD.Shariman bin Dato´ Zaharudin will die SportartHockey als Präsident<br />
des malaysischen Vebandes mit europäischer Hilfe wettbewerbsfähig machen.<br />
DasTreffen zwischen dem Malaysier<br />
und Verantwortlichen des <strong>Berliner</strong><br />
HC, der Zehlendorfer Wespen<br />
und des Bremer Hockey Clubs hat im<br />
noblen Hotel Waldorf Astoria in der<br />
City West stattgefunden. Zaharudin<br />
hat sich leicht verspätet. Sofortdreht<br />
sich das Gespräch um Hockey, um<br />
frühere Erfahrungen, darum, wie<br />
eine Zusammenarbeit in Zukunft<br />
aussehen könnte. „Wir kommen<br />
nicht voran, wenn wir uns nicht öffnen<br />
und über den Tellerrand hinausschauen“,<br />
sagt Zaharudin.<br />
Obwohl die Sportartindem Land<br />
in Südostasien zu den populärsten<br />
gehört, hat sich die Männer-Nationalmannschaft<br />
seit 2010 nicht mehr<br />
für Olympische Spiele qualifiziert,<br />
die Frauen waren noch nie bei einer<br />
WM. Dabei genießt die Auswahl einen<br />
hohen Stellenwert. DieTerminplanung<br />
der nationalen Liga wirdan<br />
den Kalender der Nationalteams angepasst,<br />
oft ist erst kurzfristig bekannt,<br />
wann die Saison beginnt und<br />
endet. Derzeit stehen alle männlichen<br />
Nationalspieler in Malaysia unter<br />
Vertrag. „Wenn sie Länderspiele<br />
im Ausland bestreiten, verlieren sie<br />
wegen des Wetters, weil sie nicht an<br />
die klimatischen Bedingungen gewöhnt<br />
sind“, klagt Zaharudin, „auch<br />
nicht daran, gegen große Gegenspieler<br />
zu spielen.“<br />
Um das zu ändern, schwebt Zaharudin<br />
ein Austausch von Spielern<br />
und Spielerinnen vor, beginnend in<br />
der Altersklasse U16 bis hin zu den<br />
Erwachsenen. Der Umfang und die<br />
Art dieser Transfers sollen sich am<br />
Alter und Leistungsvermögen der<br />
Akteure orientieren. „Die Leistungssportler<br />
sollten mindestens sechs<br />
Monate bei einem deutschen Verein<br />
spielen, um sich an das Spiel anpassen<br />
zu können und es wirklich zu<br />
verstehen, um eine Gewinnermentalität<br />
zu entwickeln“, sagt Zaharudin.<br />
In Belgien und den Niederlanden<br />
hat er sich mit Topspielern wie<br />
Weltmeister TomBoon getroffen, dabei<br />
ging es um die Leitung von Hockeycamps<br />
in Malaysia.<br />
Projekte dieser Art gibt es immer<br />
wieder, nun sollen erstmals Verträge<br />
zum organisatorischen und finanziellen<br />
Rahmen geschlossen werden.<br />
Ob Zaharudins Vorstellungen umgesetzt<br />
werden können, hängt nicht<br />
nur von den europäischen Klubs ab.<br />
Zaharudin bewirbt sich um den Posten<br />
als Präsident des malaysischen<br />
Hockey-Verbandes, den er mithilfe<br />
der Kooperation reformieren will.<br />
Wird er im November nicht gewählt,<br />
könnten sich viele seiner Ideen zerschlagen,<br />
der Umfang der Zusammenarbeit<br />
könnte sich reduzieren.<br />
Schon in derVergangenheit scheiterten<br />
Transfers malaysischer Nationalspieler<br />
am Veto des Verbandes.<br />
Dabei wären es genau diese Spieler,die<br />
für das deutsche Spitzen-Hockey<br />
interessant wären. Schließlich<br />
sollen nicht nur die Malaysier voneiner<br />
Zusammenarbeit profitieren.<br />
„Die Spieler aus Malaysia haben einen<br />
anderen Stil. Sie bestechen<br />
durch ihreSchnelligkeit und Beweglichkeit,<br />
ihr Eins-gegen-Eins ist sehr<br />
ausgeprägt“, sagt Kevin Lim vom<br />
<strong>Berliner</strong> HC, der selbst sechsmal in<br />
der malaysischen Liga spielte. Das<br />
Niveau in der Bundesliga sei so,dass<br />
für den BHC nur Spieler und Spielerinnen<br />
infrage kämen, die im A-Kader<br />
stehen. „Es gilt das Prinzip, dass<br />
ausländische Spieler so qualitativ<br />
gut sein müssen, dass sie unseren<br />
Talenten nicht im Wegstehen.“<br />
Ohnehin verfolgen die deutschen<br />
Klubs unterschiedliche Interessen.<br />
Bei den Zehlendorfer Wespen besteht<br />
schon seit 2008 ein reger Austausch<br />
von Spielern und Spielerinnen<br />
aus Malaysia, der nun formalisiertwerden<br />
könnte,beim BHC sieht<br />
man vor allem bei den Frauen Bedarf,<br />
der Bremer Hockey-Clubstrebt<br />
eine Jugend-Kooperation an.<br />
Bis Ende des Jahres wird wohl<br />
kein Vertrag unterzeichnet. Bei Zaharudin<br />
funkeln trotzdem die Augen,<br />
wenn er von seinen Ideen<br />
spricht. „Wir wollen mit etwas Kleinem<br />
anfangen, das zu etwas Großem<br />
wachsen könnte. Esgibt kein anderes<br />
Land, das das macht. Lasst uns<br />
die ersten sein.“<br />
Annika Schultz<br />
hat ihr journalistisches Debüt<br />
im Hockey gegeben.<br />
Eine Höhle für die Logik<br />
Serie –Tierisch fit: WarumSchach bei Kindern in Berlin seit einigen Jahren immer beliebter wird und wie die Schachpinguine davon profitieren<br />
VonChristian Kattner<br />
Mit der richtigen Adresse im Gepäck<br />
lässt sich das Ziel gar<br />
nicht verfehlen. Nicht etwa im vierten<br />
Hinterhof und irgendwo in der<br />
obersten Etage gelegen, sondern so<br />
etwas wie ein Ladenbürohaben sich<br />
die Schachpinguine ausgesucht, um<br />
regelmäßig zu trainieren. Große<br />
Schachfiguren und Pokale im Schaufenster,<br />
ein großes Schild mit der<br />
Aufschrift „Schach Schule“ über der<br />
Tür gibt auch dem letzten Suchenden<br />
den entscheidenden Hinweis,<br />
dass er sein Ziel erreicht hat. Tische<br />
mit noch mehr Schachbrettern bestimmen<br />
die schlichte, aber imponierende<br />
Inneneinrichtung der Heimat<br />
des im Jahr 2005 gegründeten<br />
Vereins am Ende des Ku´damms.<br />
Weiterer Platz wurde in der „Pinguinhöhle“<br />
vom Vermieter geschaffen.<br />
EinBüround einen kleiner Trainingsraum,<br />
in welchem ein Sandsack<br />
vonder Decke baumelt und ein<br />
Laufband steht, sind entstanden.<br />
Manchmal kommt der Sandsack<br />
auch zum Einsatz. Kinder, die Frust<br />
abbauen müssen,„können hintergehen,<br />
ihn bearbeiten und dann geht<br />
das auch wieder“, erzählt Michael<br />
Richter, „die Kinder haben nach einem<br />
Negativerlebnis Energie und<br />
Spannung in sich, die raus muss.Die<br />
Figuren können sie nicht werfen,<br />
also muss der Boxsack herhalten.“<br />
Richter weiß, wovon er spricht.<br />
Der Trainer und Vorsitzende der<br />
Schachpinguine hat selbst leistungsmäßig<br />
Schach gespielt, kann sich in<br />
die Gefühlslage eines Schachspielers<br />
in Ausbildung sehr gut hineinversetzen.<br />
Er lässt daher Freiräume, geht<br />
auf Wünsche und Bedürfnisse ein.<br />
Nur über den tierischen Namen ließ<br />
er nicht mit sich reden.<br />
Trainer werden rar<br />
Auch nicht, als die Kinder erzählten,<br />
dass sie auf Turnieren wegen des Namens<br />
gehänselt werden. Nach ein<br />
paar Diskussionen war das Problem<br />
aus derWelt geschafft, der Name und<br />
damit die Assoziation zu den Wesen<br />
in den Schachfarben Schwarz und<br />
Weiß blieb bestehen. Dafür verzichteten<br />
Richter und sein Team auf die<br />
Schachschule am Ku’damm: Vereinsvorsitzender Michael Richter.<br />
Unterteilung der Klassen in Kaiseroder<br />
Königspinguine, wie sie es eigentlich<br />
noch vorgesehen hatten. In<br />
kleinen Gruppen, aber eben ohne<br />
namentliche Unterteilung, wirdseitdem<br />
so ziemlich jeden Tagtrainiert.<br />
Viele Jahremit einer konstanten Mitgliederzahl<br />
von 30bis 40 Kindern.<br />
Aber:„In den letzten vier,fünf Jahren<br />
hat es einen Boom gegeben.“<br />
BLZ/KATTNER<br />
Schach hat an vielen Ganztagsschulen<br />
einen Platz gefunden. „Eltern<br />
suchen für Kinder nach Möglichkeiten,<br />
um ihnen das logische<br />
Denken, Konzentration und Entscheidungsfindung<br />
spielerisch zu<br />
zeigen. Und daist Schach eine Anlaufstelle“,<br />
sagt Richter. Mittlerweile<br />
gehen 130 Kinder bei den Pinguinen<br />
dem Sport nach, 80 Prozent davon<br />
zwischen fünf und neun Jahren.„Wir<br />
haben aber auch Kinder, die einfach<br />
nicht gehen wollen, die sind Anfang<br />
20, das ist dann gleich unser Erwachsenenkurs“,<br />
so Richter mit einem Lächeln,<br />
„es ist auffällig, dass viele Eltern<br />
mit Migrationshintergrund auf<br />
die Ausbildung ihrer Kinder achten,<br />
und da hat Schach einen sehr hohen<br />
Stellenwert, insbesondere, wenn sie<br />
aus Osteuropa, vor allem Russland,<br />
aber auch aus China kommen.“<br />
Dieser Boom ist nicht nur bei den<br />
Schachpinguinen, sondern in der<br />
gesamten Stadt zu spüren. Teilweise<br />
gibt es nicht genug Trainer,mancher<br />
Verein weiß sich nur noch mit Aufnahmestopps<br />
zu helfen. Auch die<br />
Schachpinguine stoßen in ihren<br />
Räumlichkeiten an Kapazitätsgrenzen.<br />
Ein Luxusproblem in Zeiten, da<br />
mancher Verein Überalterung beklagt<br />
und keinen Nachwuchs findet.<br />
Nachwuchsprobleme haben die<br />
Schachpinguine nicht. Neben einem<br />
Erwachsenenkurs bieten sie fast ausschließlich<br />
Kindertraining an. Die<br />
große Kunst besteht darin, die Kinder<br />
bei Laune zu halten. Natürlich<br />
„kann man die Begeisterung nicht<br />
immer voll aufrecht halten“, sagt<br />
Richter, „der Idealfall ist, dass die<br />
Kinder kommen, absolut heiß sind<br />
und unbedingt Schach spielen wollen.<br />
Diesen Moment muss man nutzen.<br />
Wir geben ihnen Aufgaben und<br />
sorgen dafür, dass sie Schachbretter<br />
zu Hausehabenund lassen sie,wenn<br />
möglich, bei Turnieren mitspielen.“<br />
Vieles laufe über eine Eigenmotivation.<br />
Es sei aber auch typisch, dass<br />
Kindern ineiner Phase hochbegeistertsind<br />
und zu einem anderen Zeitpunkt<br />
mal wieder ein Tief haben.„Da<br />
muss man dann eigentlich entgegenwirken“,<br />
so Richter, „das ist das,<br />
was der Trainer immer machen<br />
muss.“ Bei zu großer Euphorie<br />
bremsen, bei Enttäuschung aufbauen<br />
–dawird Schach auch mal<br />
hinten angestellt, im vorderen Raum<br />
mal Fußball gespielt oder eben im<br />
hinteren Raum der Boxsackbearbeitet.<br />
Undfür dieganz harten Fälle hat<br />
Michael Richter auch noch das<br />
Schachbrett mit den Star-Wars-Figuren.<br />
Davon hat sich bislang jedes<br />
Kind begeisternlassen.