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Berliner Zeitung 21.10.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 244 · M ontag, 21. Oktober 2019 – S eite 9 *<br />

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Berlin<br />

Leser fragen –Experten<br />

antworten: Alles über<br />

das Sparen im Alter<br />

Seite 12<br />

Samariterkiez: Jetzt sprechen die Poller-Befürworter Seite 12<br />

Charité: Neue Dokumentation lässt Mitarbeiter zu Wort kommen Seite 13<br />

Stadtbild<br />

Aram Tram<br />

Tram<br />

BarbaraWeitzel<br />

erlebt eine Ohrwurmplage.<br />

Während die Blätter sich nun<br />

verfärben, herrscht in den Supermärkten<br />

schon Winter. Ich gehöre<br />

nicht zu den Leuten, die im<br />

September mit einem „Endlich!“ zu<br />

Dominosteinen und Spekulatius<br />

greifen, habe es mir aber auch abgewöhnt,<br />

mich über die Weihnachtsberge<br />

im Altweibersommer aufzuregen.<br />

IchmagVorfreude,und die lasse<br />

ich mir weder durch voreiligen Genuss<br />

noch durch den Ärger über die<br />

Verführung nehmen. Man kann sie<br />

ja ignorieren.<br />

Nicht ignorieren kann ich die Begleiterscheinungen.<br />

Das Kind fängt<br />

nämlich beim Anblick der Lebkuchen<br />

und Zimtsterne verlässlich an<br />

zu singen. Und wer einmal „In der<br />

Weihnachtsbäckerei“ im Ohr hatte<br />

weiß: Das geht so schnell nicht weg.<br />

Kaum ein Wurm hält sich fester. Gemessen<br />

an seiner Länge und Kraft<br />

müsste er Ohr-Anakonda heißen.<br />

Undsokommt es, dass ich mir zwar<br />

die Dominos und auch das Lamento<br />

über ihre Omnipräsenz verkneife,<br />

aber mit einem gequälten „zwischen<br />

Mehl und Milch /macht so mancher<br />

Knilch /eine riesengroße Kleckerei“<br />

durch den sonnigen Park stapfe.<br />

Stapfte. Denn ich wünsche mir<br />

den Knilch im Ohr zurück. Schreibe<br />

„kaum ein Wurm“ und nicht „kein<br />

Wurm“. Bin seit kurzem klüger. Da<br />

hörte ich Gesang aus einer Kita, vielstimmig,<br />

hell und so schief, wie man<br />

es nur Kinderkehlen verzeiht. Der<br />

Text ging so: „Aram Sam Sam Aram<br />

Sam Sam Gulli Gulli Gulli Gulli Gulli<br />

Ram Sam Sam.“ Die Melodie passte<br />

in ihrer Schlichtheit dazu wie ein<br />

Sternförmchen zum Mürbeteig und<br />

genau in mein Ohr. Demütig begriff<br />

ich, dass man sich noch viel bescheuerter<br />

vorkommen kann, als mit<br />

der „Weihnachtsbäckerei“ auf den<br />

Lippen.<br />

Nun hat man sich ja, im 3. Jahrtausend<br />

und in einer Großstadt lebend<br />

und folglich permanent Musiken<br />

ausgesetzt, Kompetenzen angeeignet,<br />

sich zur Wehr zu setzen.<br />

Denn viele der Lieder, die in Warteschleifen<br />

und Geschäften laufen, haben<br />

Wurmkräfte. Hält sich einer besonders<br />

hartnäckig oder ist besonders<br />

hässlich, hilft am besten ein anderer<br />

hartnäckiger, idealerweise<br />

nicht ganz so schlimmer.<br />

Kinderlieder, siehe „Weihnachtsbäckerei“,<br />

eignen sich hervorragend,<br />

etwa „Booooob the builder“. Man<br />

kann sich aber auch „Für Elise“, „It’s<br />

Raining Men“ oder„Ergehörtzumir“<br />

ins Gedächtnis rufen. Wenn man sich<br />

traut. Denn während man mit Kinderliedern<br />

nur Eltern ansteckt, trifft<br />

es bei letztgenannten alle.<br />

Apropos alle. Von dem Kita-Lied<br />

befreite mich kurzfristig die BVG.<br />

Seit Jahren mit der BSR um den besten<br />

Kalauer wetteifernd, hat sie einige<br />

Straßenbahnen mit folgendem<br />

Slogan bedruckt:„Weine nicht, wenn<br />

der Regen kommt. Tram Tram, Tram<br />

Tram“. Mit dem Wurm könnte ich<br />

ein paar Stunden leben, zumal ich<br />

für Kalauer nicht weniger empfänglich<br />

als für Dominosteine bin. Aber<br />

„Tram“ und „Aram“ reimt sich halt<br />

leider. Dem wilden Wechsel beider<br />

Lieder ausgesetzt, kommt mir die<br />

letzte Zeile der „Weihnachtsbäckerei“<br />

in den Sinn: „Schmeiß den Ofen<br />

an oh ja!“ Vonmir aus.<br />

Blick aus einem Hochhaus am S-Bahnhof Bellevue: Der Wagen des Sonderzuges stand lichterloh in Flammen.<br />

Sonderzug in Flammen<br />

Aus ungeklärter Ursache gerät ein Waggon mit Fans des SC Freiburg in Brand –drei Leichtverletzte<br />

VonPatrick Berger,Mathias Bunkus<br />

Andreas Kopietz und Eric Richard<br />

Eshätte in einer Katastrophe<br />

enden können. Doch die<br />

Fußballfans hatten Glück<br />

im Unglück. Als in der<br />

Nacht zum Sonntag ihr Sonderzug<br />

Feuer fing, waren Feuerwehr und Polizei<br />

schnell zur Stelle, und auch die<br />

Besonnenheit der Fans selbst verhinderte,dass<br />

Panik ausbrach.<br />

Rund 700 Anhänger des Fußball-<br />

Bundesligisten SC Freiburg waren<br />

am Sonnabend nach dem verlorenen<br />

Spiel gegen Union Berlin gegen<br />

20 Uhrmit einem Sonderzug vomS-<br />

Bahnhof Charlottenburg aus in<br />

Richtung Heimat gestartet. Kurz darauf<br />

fing ein Wagen im vorderen Teil<br />

des Zuges Feuer. Im S-Bahnhof<br />

Bellevue kam der Zug zum Stehen.<br />

DieFahrgäste im vorderen Teil retteten<br />

sich auf den Bahnsteig, die im<br />

hinteren Teil auf die Gleise.<br />

Die Feuerwehr rückte mit einem<br />

Großaufgebot von 200 Leuten an.<br />

Der Zug wurde evakuiert, ebenso<br />

zwei S-Bahnen und schließlich der<br />

gesamte Bahnhof. Eine Panik blieb<br />

aus, weshalb die „Supporters Crew<br />

Mit rund 200 Leuten wardie Feuerwehr im Einsatz.<br />

Freiburg“, die die Fahrt organisiert<br />

hatte, dem besonnenen Verhalten<br />

ihrer Fans dankte.„Drei Personen erlitten<br />

Rauchgasvergiftungen und<br />

wurden zur ambulanten Behandlung<br />

in Krankenhäuser gebracht“,<br />

sagte ein Feuerwehrsprecher. Der<br />

Waggon brannte völlig aus.<br />

DieBundespolizei leitete die Freiburger<br />

zum Hauptbahnhof, von wo<br />

die Weiterreise organisiert wurde.<br />

Viele nahmen den letzten ICE kurz<br />

IMAGO IMAGES<br />

vor Mitternacht. Für die Rückfahrt<br />

seiner Fans charterte der SC Freiburg<br />

auch Busse.Erbedankte sich für das<br />

Angebot des 1. FC Union, seine VIP-<br />

Räume als Übernachtungsmöglichkeit<br />

zur Verfügung zu stellen. Die<br />

Unioner hatten kurzfristig geprüft,<br />

inwieweit die Gäste noch verköstigt<br />

werden könnten und Decken bereitgelegt.<br />

„Wir haben uns sofort vorgestellt,<br />

wie es uns ergehen würde,<br />

wenn einer unserer Sonderzüge vom<br />

Abgas-Check am Straßenrand<br />

DPA<br />

Unglück betroffen wäre“, sagt<br />

Union-Sprecher Christian Arbeit. „In<br />

dieser Spielzeit fahren unsere Fans<br />

zu elf Spielen per Sonderzug.“<br />

Der Unglückszug wurde Stunden<br />

nach dem Brand zur Werkstatt Grunewald<br />

geschleppt. Die Bundespolizei<br />

übernahm die Ermittlungen zur<br />

Brandursache. Ein technischer Defekt<br />

kann momentan genauso wenig<br />

ausgeschlossen werden wie fahrlässige<br />

Brandstiftung, etwa durch einen<br />

Bengalo. Einige Freiburg-Fans hatten<br />

beim Spiel in der Alten Försterei<br />

Pyrotechnik gezündet.<br />

Der Zug gehört einem Schweizer<br />

Unternehmen, das laut SCF eine<br />

Übernahme der Rückreisekosten zugesagt<br />

hat. Das Unternehmen bietet<br />

Sonderzugfahrten an. Für Fußballfans<br />

nutzt es meist veraltete Modelle,<br />

da die Züge hinterher wegen Beschmierungen<br />

oder kaputten Scheiben<br />

oft repariert werden müssen. In<br />

einem Statement der Firma hieß es:<br />

„Man schließt einen technischen<br />

Defekt an dem betroffenen Wagen<br />

aus, dader Brand offensichtlich im<br />

Innern eines Abteils in der Wagenmitte<br />

ausgebrochen ist, wo es keine<br />

Technik gibt.“<br />

Der Senat lässt von diesem Montag an messen, welche Autos wie viele Schadstoffe während der Fahrt ausstoßen<br />

VonGerhard Lehrke<br />

Die Apparate, die an diesem<br />

Montag am Straßenrand der<br />

Neuköllner Sonnenallee und der<br />

Straße Am Seegraben in Treptow-<br />

Köpenick aufgestellt werden, könnten<br />

rein optisch Radarfallen sein.<br />

Aber die Messgeräte dienen einem<br />

anderen Zweck. Die Senatsverwaltung<br />

für Umwelt,Verkehr und Klimaschutz<br />

lässt damit bis zum 1. November<br />

die Auto-Schadstoffe messen.<br />

Das eine, kastenförmige, Gerät<br />

sendet unsichtbares Licht –infrarot<br />

schriebenen Kontrollen werden. Parallel<br />

zur Abgasmessung wirdüberVideo<br />

das Kennzeichen erfasst, sodass<br />

über die Zulassungsstelle bekannt<br />

wird, was für ein Auto vorbeigefahren<br />

ist, welche Schadstoff-Eingruppierung<br />

es hat und ob es mit Diesel<br />

oder Benzin fährt.<br />

DerSenat verspricht, dass die Daten<br />

nur für die Bestimmung des<br />

Fahrzeugs verwendet werden. Eine<br />

Abfrage der Halterdaten oder eine<br />

Strafe wegen möglicherweise zu<br />

schnellen Fahrens gebe es nicht. Die<br />

Datenschutzbehörde habe dem Ver-<br />

und ultraviolett – in Auspuffhöhe<br />

über die Straße.Das andereGerät gegenüber<br />

registriert, welche Veränderungen<br />

das Licht durch die Abgase<br />

erfahren hat, und wie schnell das<br />

Auto fuhr. Daraus kann ein Computer<br />

errechnen, wie viel Kohlendioxid<br />

und wie viel Stickoxide der jeweilige<br />

Wagen ausstieß.<br />

Das System, von der spanischen<br />

FirmaOpus entwickelt, soll der Erarbeitung<br />

eines Informationssystems<br />

dienen, das die aktuelle Belastung<br />

der Luft abbildet. Es soll Teil der von<br />

Berlins Luftreinhalteplan vorgefahren<br />

zugestimmt. Allerdings soll<br />

mit dem Versuch, der vomBund mit<br />

155 000 Euro gefördert wird, auch<br />

ausprobiertwerden, ob man defekte<br />

oder manipulierte Autos identifizieren<br />

kann, die zu viele Schadstoffe<br />

ausstoßen.<br />

Erkenntnisse erhofft sich der Senat<br />

künftig weiterhin bei der Wirksamkeit<br />

von Durchfahrverboten für<br />

Dieselautos auf bestimmten Straßen.<br />

Sie sollen ab November für Autos<br />

mit Abgasnorm5oder schlechter<br />

unter anderem auf Teilen der Friedrich-<br />

und der Leipziger Straße gelten.<br />

NACHRICHTEN<br />

Straßenblockade: Polizisten<br />

angegriffen<br />

Vier Polizisten sind angegriffen und<br />

verletzt worden, als sie eine Straßenblockade<br />

in Friedrichshain-Kreuzbergverhinderten.<br />

Eine Gruppe von<br />

rund 50 Menschen wollte gleichzeitig<br />

die Oberbaumbrücke betreten, wie<br />

die Polizei am Sonntag mitteilte.Die<br />

Beamten drängten die Gruppe durch<br />

Schieben und Drücken vonder Fahrbahn<br />

und sprachen mehrfach Platzverweise<br />

aus, hieß es weiter.Essoll<br />

Reizstoff in Richtung der Polizisten<br />

gesprüht worden sein. Drei Einsatzkräfte<br />

erlitten Augen- und Atemwegsreizungen,<br />

sie setzten ihren Dienst<br />

aber fort,wie eine Polizeisprecherin<br />

sagte.Einem weiteren Polizisten sei<br />

voneinem Unbekannten in den Rücken<br />

getreten worden. DiePolizei<br />

hatte vondem Blockadeversuch über<br />

soziale Medien erfahren. Einen Zusammenhang<br />

mit zwei Demonstrationen<br />

gegen die türkische MilitäroffensiveinNordsyrien<br />

am Sonnabendnachmittag<br />

bestätigte sie<br />

nicht.„Die Ankündigungen sind im<br />

Zuge der Demonstrationen aufgetaucht,<br />

die Teilnehmer ließen sich<br />

aber nicht eindeutig zuordnen“, sagte<br />

diePolizeisprecherin. (dpa)<br />

Bei 71 Häftlingen wurde<br />

Tuberkulose diagnostiziert<br />

In <strong>Berliner</strong> Gefängnissen sind in den<br />

vergangenen vier Jahren 71 Tuberkulose-Erkrankungen<br />

bereits bei den<br />

Aufnahme-Untersuchungen diagnostiziertworden.<br />

Dasgeht aus einer<br />

Antwortder Gesundheitsverwaltung<br />

auf eine Anfrage der AfD an das<br />

Abgeordnetenhaus hervor. DieZahlen<br />

für 2015 bis 2019 wurden vom<br />

Landesamt für Gesundheit und Soziales<br />

ermittelt. Zuletzt war im September<br />

eine Tuberkulose-Erkrankung<br />

bei einem Häftling im <strong>Berliner</strong><br />

Gefängnis Heidering (Teltow-Fläming)<br />

bekannt geworden. (dpa)<br />

Trabi-Hupkonzertmit<br />

David Hasselhoff<br />

DerUS-Sänger David Hasselhoff ist<br />

Trabi-Fan.„Es ist ein lustiges Auto,ich<br />

wünschte ich hätte einen in meiner<br />

Auffahrt“, sagte der 67-Jährige am<br />

Sonnabend nach einemVideodreh in<br />

Berlin. Dabei fuhren etwa zehn bunte<br />

Trabis auf die Rathausbrücke,der<br />

Sänger trat zu Fußauf. DieAutofahrer<br />

gaben Hasselhoffs Hit„Looking For<br />

Freedom“hupendzum besten.WenigeWochen<br />

nach der Maueröffnung<br />

1989 hatte Hasselhoff das Lied auf der<br />

Silvesterparty am BrandenburgerTor<br />

gesungen. Im Maiäußerte Hasselhoff<br />

denWunsch, erneut zu Silvester in<br />

Berlin aufzutreten. Aufdpa-Nachfrage<br />

hieß es,das hängevon seinem<br />

Terminplan ab.Derzeit sehe es so aus,<br />

als würde er in Großbritannien auf<br />

der Bühne stehen. (dpa)<br />

Der US-Sänger David Hasselhoff am Sonnabend<br />

beim Dreh mit Trabis. SABINE GUDATH

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