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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 250 · M ontag, 28. Oktober 2019 7· ·<br />
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Wirtschaft<br />
„Es ist nicht egal, wer am Schalter sitzt“<br />
Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz fordert ein digitales Zahlungssystem für Europa<br />
Der Zahlungsverkehr wird<br />
digital – und Burkhard<br />
Balz befürchtet, dass die<br />
Europäer dabei von anderen<br />
abhängig werden. Der Bundesbank-Vorstand<br />
fordert die Geldbranche<br />
zu einer großen gemeinsamen<br />
Anstrengung auf.<br />
In einigen Ländern zahlt man praktischnurnochmitdemHandy,aberin<br />
Deutschland schreibt man die IBAN<br />
mit 22 Stellen auf Überweisungsträger.<br />
Sind wir im Zahlungsverkehr<br />
noch auf der Höhe der Zeit, Herr Balz?<br />
Andere sind sicher weiter, und es<br />
muss in Europa einiges passieren.<br />
Aber wir haben mit der PSD2-Richtlinie<br />
einen wichtigen Schritt gemacht.<br />
Damit bereiten wir die Kontoverbindungen<br />
auf die neue digitale Welt vor,<br />
in der Daten eine überragende Rolle<br />
spielen. Es war nie so viel los im Zahlungsverkehr<br />
wie jetzt.<br />
Das nutzen bisher vor allem Branchenfremde<br />
–etwa Apple und Google.<br />
Für die Banken wirdessicher eine<br />
Herausforderung. Andere können<br />
jetzt auf ihreKundendaten zugreifen<br />
–wenn der Kunde das erlaubt. Am<br />
Anfang waren die Institute deshalb<br />
relativ ablehnend, aber jetzt sieht<br />
man auch die Chancen. Schließlich<br />
müssen sie das Feld nicht den Wettbewerbernüberlassen.<br />
Die Abwehrversuche wirken ein bisschen<br />
hilflos. Es ist ein Wirrwarr aus<br />
digitalen Zahlungssystemen entstanden.<br />
Giropay,Girogo,Paydirekt, Kwitt<br />
–dasteigt niemand mehr durch. Und<br />
nichts davon kommt großen Konkurrenten<br />
wie Paypal oder Apple Pay<br />
auch nur nahe.<br />
Umsowichtigeristjetzteinegroße<br />
gemeinsame Anstrengung. Die großen<br />
Anbieter müssen sich an einen<br />
Tisch setzen und ein gemeinsames<br />
System entwickeln. Sonst werden sie<br />
in einem globalisierten Zahlungsverkehr<br />
bald keine Rolle mehr spielen.<br />
Aus den USA kommen Paypal, Google<br />
Pay, Apple Payund das Facebook-<br />
Projekt Libra, in China zahlt die<br />
Mehrheit längst mit Wechat Payoder<br />
Alipay.Dortwerdengerade weltweite<br />
Standards gesetzt, und wir sollten<br />
uns nicht komplett vonden USA und<br />
Asien abhängig machen. Wir brauchen<br />
ein gemeinsames digitales Zahlungssystem<br />
für Europa. Als ich in<br />
China im Restaurant einmal mit meiner<br />
Kreditkarte zahlen wollte, hat<br />
michdieBedienungvölligentgeistert<br />
angesehen. Nach einigem Hin und<br />
Herhat sie dann Bargeld akzeptiert–<br />
„ausnahmsweise“, wie sie sagte.<br />
GooglePay und andere preschen vor,hiesige Banken fallen zurück.<br />
ZUR PERSON<br />
FOTO: JENS BÜTTNER/DPA<br />
Burkhard Balz ist seit gut einem Jahr Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und zuständig<br />
für den Zahlungsverkehr und Internationales. Der 50-Jährigehat nach einer Banklehre<br />
Jura studiertund zehn Jahre bei der Commerzbank gearbeitet. Von2009 bis 2018 saß er für<br />
die CDU im Europaparlament, wo Bankenaufsicht und die Überwachung der Ratingagenturen<br />
seine Schwerpunktthemen waren. Balz lebt mit seiner Familie in Stadthagen bei Hannover.<br />
Warum tut sich Europa bei dieser Entwicklung<br />
so schwer?<br />
DieTechnologie ist da, mit Instant<br />
Pay haben wir eine technische Basis<br />
für sofortige Überweisungen. Das<br />
Problem ist die Vielfalt der nationalen<br />
Systeme. InDeutschland gibt es<br />
die Girocard, in Frankreich die Carte<br />
Bancaire und so weiter –die grenzüberschreitende<br />
Abwicklung in<br />
Europa aber funktioniert nur über<br />
internationale Kartensysteme. Wir<br />
müssen strikt europäisch denken.<br />
Ich sehe Deutschland und Frankreich<br />
hier in einer Schlüsselrolle.<br />
Die Staaten sollten ein europäisches<br />
Zahlungssystem aufbauen?<br />
Nein, das sollte auf privatwirtschaftlicher<br />
Ebene passieren. Wir<br />
motivieren die Anbieter, also vor allem<br />
die Banken, sehr stark, hier eigene<br />
Wege zu gehen.<br />
Ein System aller Anbieter? Wassagen<br />
da die Kartellbehörden?<br />
Dasist eine der großen Herausforderungen,<br />
in der EU sind die Hürden<br />
sehr hoch. Ich habe aber den Eindruck,<br />
dass auch die Kartellbehörden<br />
inzwischen bei diesem Thema offener<br />
zuhören.<br />
Wenn Europa solche Gemeinschaftsprojekte<br />
versucht, dauertesinder Regel<br />
zehn Jahre.<br />
DieZeithaben wir nicht. Ichspreche<br />
über Monate,vielleichtein Jahr.<br />
Paydirekt ist ein Flop.Jetzt istdie Rede<br />
davon,dassdiedeutscheGeldbranche<br />
einen neuen gemeinsamen Standard<br />
entwickelt, Arbeitstitel „X-Pay“. Ist<br />
das der richtige Weg?<br />
Daswäreein Anfang.Esmuss erst<br />
einmal ein deutsches System aufgebaut<br />
werden, da sind die Anbieter<br />
nach meinem Eindruck relativ weit.<br />
Dernächste Schritt muss dann möglichst<br />
bald ein europäisches System<br />
sein. Dazu gehörtauch, dass wir eine<br />
eigene starke Markekreieren.<br />
Warum ist das Thema so wichtig? Am<br />
Ende geht es um technische Abläufe,<br />
von denen kaum jemand etwas<br />
merkt. Undsie funktionieren doch.<br />
Zahlungsverkehrssysteme sind<br />
Infrastruktur,soetwas wiedie Adern<br />
eines Wirtschaftssystems. Die Bundesregierung<br />
hat vor Jahren einmal<br />
die lebensnotwendigen Funktionen<br />
des Staates definiert, und der Zahlungsverkehr<br />
gehörte dazu. Wenn er<br />
nun digitalisiert wird, gewinnen<br />
neue Mitspieler Einfluss. Esist eben<br />
nicht egal, werdaamSchalter sitzt.<br />
Systeme wie Apple Pay und Google<br />
Paysind Apps, mit denen man Konten<br />
bedient. Wo istdas Problem?<br />
Zum Beispiel geht es um die Abschöpfung<br />
unglaublicher Datenmengen.<br />
Europa hat zum Glück<br />
einen sehr wirksamen Datenschutz.<br />
Im Moment sind die großen Anbieter<br />
aber auf anderen Kontinenten heimisch,<br />
in anderen Wirtschaftssystemen<br />
mit anderem Verständnis von<br />
Datenschutz. Ich habe per se nichts<br />
gegenandereZahlungsanbieter,aber<br />
es wärestrategisch gut, wenn es eine<br />
europäische Alternative gäbe. Europäische<br />
Unternehmen und Verbraucher<br />
sollten die Auswahl haben.<br />
DasGespräch führte Stefan Winter.<br />
Ein Prost auf die Krise<br />
In Griechenland boomen kleine Brauereien<br />
Von Alexia Angelopoulou<br />
W ennAlbrechtsagt,dassdasBier<br />
schmeckt, dann hat Thanasis<br />
Misaltis alles richtig gemacht.<br />
Schließlich ist sein deutscher<br />
Schwiegervater aus Berlin ein Kenner.<br />
„Wann immer ich mit meiner<br />
Frau hinreise, bringen wir unsere<br />
neusten Kreationen mit und verkosten<br />
sie gemeinsam“, sagt der 39 Jahre<br />
alte Craftbeer-Brauer aus Nordgriechenland.<br />
Thanasis ist einer von<br />
rund 80 griechischen Mikrobrauern.<br />
DieSzene boomt nicht zuletzt wegen<br />
der ausländischen Touristen, allen<br />
vorandie Deutschen.<br />
KeineFrage,dassauchSchwiegervater<br />
Albrecht den kleinen Ort Valta<br />
auf der Halbinsel Chalkidiki besucht.<br />
Dorthaben Thanasis und seine Frau<br />
Christina das Bier Valtinger entwickelt<br />
–der Ortsname Valta gemixt mit<br />
der deutschen Endung ist eine Hommage<br />
an die Braukunst hoch im Norden.<br />
Thanasis’ Motto: „Als deutsche<br />
Erfahrung auf griechische Leidenschaft<br />
traf, wurde Valtinger geboren.“<br />
Das Reinheitsgebot halten die<br />
griechischen Kleinstbrauer in Ehren,<br />
gleichzeitig aber sind sie sehr auf ihre<br />
Herkunft bedacht. Ob Sifnos,SkopelosoderKefalonia,obSantorin,Chios<br />
oder Kreta –lokal denken, lokal trinken<br />
lautet die Devise. Und das erst<br />
seit wenigen Jahren, denn die griechische<br />
Craftbeer-Szene hat erst<br />
während der griechischen Finanzkri-<br />
se so richtig Fahrtaufgenommen. „Es<br />
gab einfach keine Jobs mehr, und so<br />
haben die jungen Leute angefangen,<br />
zu Hause Bier zu brauen“, sagt Konstantin<br />
Stergides, einer der Co-Initiatoren<br />
des ersten Craftbeer-Festivals<br />
Griechenlands am vergangenen Wochenende<br />
in Athen.<br />
Während der Krise seien viele junge<br />
Menschen in die Landwirtschaft<br />
zurückgekehrt, zu Olivenöl, Honig,<br />
Käse und eben auch Bier,sagt Stergides.<br />
Dabei helfen die Touristen, vor<br />
allemBesucherausDeutschlandund<br />
Großbritannien: Sie seien es, die im<br />
Urlaub gern lokale Produkte und lokales<br />
Bier bestellten. Nicht ganz so<br />
einfach, denn der griechische Biermarkt<br />
liegt zu gut 85 Prozent in den<br />
Händen internationaler Größen wie<br />
Amstel, Carlsberg und Heineken –<br />
auch wenn auf den Flaschen griechische<br />
Namen wie Mythos stehen.<br />
Die Kleinbrauerszene nutzt die<br />
Freiheit ihrer Nische und ist sehr<br />
kreativ, sagt Steriades. „Wir orientieren<br />
uns am Reinheitsgebot, aber<br />
unsere griechischen Gesetze sind<br />
nicht so streng wie die deutschen.“<br />
Die Kleinstbrauer trieben die Aromen<br />
durchaus in die Extreme, unter<br />
anderem mit Kräutern, aber auch<br />
Kaffee oder fruchtiger Zitrone,Mango,Maracuja.<br />
DerTrick bei Letzteren:<br />
Es wird keine Frucht hinzugefügt,<br />
sondern die Dolden spezieller Hopfenpflanzen<br />
– dem Reinheitsgebot<br />
wirdalso Genüge getan. (dpa)<br />
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FOTO: ALEXIA ANGELOPOULOU/DPA