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Berliner Zeitung 29.10.2019

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20 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 251 · D ienstag, 29. Oktober 2019<br />

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Feuilleton<br />

Schlaflos in dieser Welt<br />

Die Sängerin und Gitarristin Nilüfer Yanya spielte im Festsaal Kreuzberg –sie ist eine Hoffnung des britischen Pop<br />

VonMarkus Schneider<br />

Überraschend blieb der<br />

Festsaal Kreuzberg am<br />

Sonntagabend beim<br />

Auftritt der Sängerin und<br />

Gitarristin NilüferYanya nur weitläufig<br />

besiedelt. Überraschend war dies,<br />

weil die 24-jährige Londonerin nach<br />

einigen viel beachteten Singles seit<br />

2015 im Frühjahr ihr Albumdebüt<br />

„Miss Universe“ unter überwiegend<br />

starkem Zuspruch veröffentlicht hat.<br />

Für diesen gibt es gute Gründe, vor<br />

allem dass ihre Songs nicht nur eingängig,<br />

sondern mit elegantem Understatement<br />

vielschichtig gebaut<br />

und produziertsind.<br />

Manchmal geht es um Wut<br />

Einintimerer Ortschien andererseits<br />

nicht nur wegen des recht mittleren<br />

Besuchs naheliegend, sondern auch<br />

weil die Texturen ihrer Albumsongs<br />

sparsamer klangen im kleinen Bandformat<br />

mit Drummer, sowie einer<br />

Saxofonistin und einem Bassisten,<br />

die beide abwechselnd auch das<br />

Keyboard übernahmen. Bei „Miss<br />

Universe“ handelt es sich um ein<br />

Konzeptalbum, was sich vor allem<br />

durch kleine Skits erschließt, worin<br />

eine schmeichelnde Computerstimme<br />

für eine seltsame Wellness-<br />

Oase wirbt, die sich –mit potenziell<br />

unerfreulichen psychischen Risiken<br />

–umWohlbefinden und Lebensverlängerung<br />

der potenziellen Kunden<br />

sorgt.<br />

In den Tracks selbst scheint es jedoch<br />

solche Erwägungen weniger<br />

zu geben; inmitten einer insgesamt<br />

weich gestimmten Musik geht es<br />

Nilüfer Yanyabei ihrem KonzertinBerlin.<br />

eher um ihre eigenen Gefühle einer<br />

nicht näher bestimmten Unruhe,<br />

um Schlaflosigkeit, Orientierung in<br />

der Welt, oder (wie in meinem live<br />

ausgelassenen Lieblingsstück<br />

„Tears“) auch einfach um Wut. Nicht<br />

nur auf der Insel gilt Yanya als kommende<br />

Hoffnung im britischen Pop.<br />

Und sie bestätigt dies durch ein<br />

auffälliges Gespür für Melodie und<br />

eine elegante und ungewöhnliche<br />

Mischung aus R&B, Indierock und<br />

Achtziger-Pop.Yanyas Musik vereint<br />

diese Einflüsse auf sehr moderne<br />

Weise, nicht nur beiläufig, sondern<br />

ROLAND OWSNITZKI<br />

auch, wenn man so will, ahistorisch.<br />

Wir hören eine Musik voller Zitate<br />

und Referenzen, deren Geschichte<br />

jedoch keinen narrativen Hintergrund<br />

bilden. Sie wirken ganz absichtslos<br />

und sammeln sich, wie Yanyas<br />

türkisch-karibisch-irische Herkunftsdaten,<br />

nur als individuelle,eklektische<br />

Merkmale – eine<br />

Netz-Sozialisation.<br />

Sehr schön schiebt zum Beispiel<br />

die Saxofonistin mit dem problematischen<br />

Namen Jazzy Bobbi überaus<br />

wirksame kurze Motive ein, die den<br />

Sound mit dem beweglichen Bass<br />

und Yanyas dunkler, soulhaltiger<br />

Stimme immer mal Richtung Sade<br />

rücken; zugleich steht dem jedoch<br />

Yanyas Gitarrenarbeit gegenüber,<br />

die mit kenntnisreichem Understatement<br />

Basszupfer, jazzig offene<br />

Akkorde und trockenes Schrummeln<br />

verbindet. Dazu lenkt Yanya durch<br />

kopfstimmige Schlenker auch den<br />

Soulton in Rocknähe.<br />

Die Stimmung trägt<br />

In der gestrippten Liveversion erkennt<br />

man die Linien und Räume<br />

deutlicher –The xx als Janglepop –,<br />

aber man hört auch die Sicherheit<br />

und das Selbstbewusstsein im<br />

Songwriting. Umgekehrt wirkt Yanyas<br />

Musik insgesamt so flauschig<br />

wie ihr apartes Woll-Twinset in weiß<br />

mit hellblauem Rand: Es fällt einem<br />

kaum auf, wie abwechslungsreich sie<br />

die Dynamiken zwischen gedämpftem<br />

Soulpop wie „Paradise“ und aggressiven,<br />

hart schraffierten Stimmungen<br />

wie in „InYour Head“ oder<br />

dem entbeinten Pixies-Cover „Hey“<br />

temperiert. Daher war ich mir am<br />

Ende des schönen Konzerts interessanterweise<br />

nicht sicher, obman ihr<br />

für die Zukunft einen opulenteren<br />

Sound oder einen kuschligeren Rahmen<br />

wünschen sollte.<br />

Menschen, für die alles am Fluss ist<br />

Überraschende und markante Erzählungen des Niederländers Martin Michael Driessen<br />

VonJudith von Sternburg<br />

Flüsse sind spannende, manchmal<br />

ungemütliche Orte. Sooder<br />

so ist in Bewegung, wer sich hier<br />

nicht festhält. Allerdings hat der belgische<br />

Schauspieler, um den es in<br />

der ersten von drei Fluss-Erzählungen<br />

geht, bereits zuvor den Halt verloren.<br />

Über sein Alkoholproblem will<br />

er auf einer Kanutour nachdenken,<br />

eine ärgerliche Situation eskaliert<br />

aber total. „Es war sehr schlecht, was<br />

hier passierte,eswar falsch, er wollte<br />

nur noch, dass es endlich vorbei<br />

war.“ Verblüfft findet man sich in einer<br />

Kriminalhandlung wieder, die<br />

der Polizei Rätsel aufgeben wird. Der<br />

Titel der Erzählungen, „Fleuve sauvage“,<br />

führtzudem Hollywood-Film<br />

„Wilder Strom“ –anFlüssen führt<br />

immer eines zum anderen –, für den<br />

der labile Montgomery Clift seinerzeit<br />

einen Vertrag unterzeichnen<br />

musste, nach dem er während der<br />

Dreharbeiten keinen Tropfen Alkohol<br />

trinken durfte.<br />

Das ist jetzt simpelstes Internet-<br />

Wissen, demonstriertaber auch, wie<br />

der Niederländer Martin Michael<br />

Driessen in seinem Band „An den<br />

Flüssen“ ganz beiläufig und entspannt<br />

weitereEbenen einzieht. Der<br />

schon wieder reichlich betrunkene<br />

Flüsse sind praktische Verkehrswege und tragbare Metaphern.<br />

DPA/LINO MIRGELE<br />

Schauspieler (das ist auch Driessens<br />

Beruf, wenn er nicht schreibt) zitiert<br />

auch am laufenden Band Shakespeare.<br />

Kein Mensch muss sich<br />

darum kümmern, um die doch psychologische<br />

Plausibilität und den lakonischen<br />

Stil würdigen zu können.<br />

Zumal die zweite Geschichte mit<br />

einer ganz anderen Umgebung<br />

überrascht. Die Szene wechselt von<br />

der Aisne an den Main ins Fränkische,wonoch<br />

Holzflößer hartarbeiten.<br />

Hier lernen sich Julius,Sohn des<br />

Chefs, und der Tagelöhner Konrad<br />

kennen, gehen wieder getrennte<br />

Wege, treffen sich erneut, gehen<br />

schließlich gemeinsam auf eine<br />

Reise bis zum Meer. Auch in „Reise<br />

zum Mond“ gibt es Gewalt und<br />

Grobschlächtigkeit, die in der dritten<br />

Erzählung, „Pierre und Adèle“, ins<br />

eher Lustige kippt. Zwischen dem<br />

Besitz einer hugenottischen und<br />

dem einer katholischen Familie<br />

fließt ein Bach und trennt die Grundstücke.<br />

Der Verlauf ist aber variabel<br />

nach Art von Bachläufen. Ein Ärgernis,<br />

das hier aber nicht in Richtung<br />

„Romeo und Julia“ geht, sondern in<br />

Richtung Happyend.<br />

Martin Michael Driessen: An den Flüssen.<br />

Erzählungen. Ausdem Niederl. vonGerdBusse.<br />

Wagenbach, Berlin 2019. 144 S.,18Euro.<br />

KünstlerischeSymbioseaus Monetund Stauch<br />

www.berliner-zeitung.de/shop<br />

Telefon 030 201 64 004<br />

©Christie‘sImages Ltd–ARTOTHEK<br />

Strohschober im Sonnenlicht<br />

(Claude Monet, 1890)<br />

DasGemälde „Meules, derniers rayonsdesoleil“<br />

wurde im Mai2019inNew York für111 Millionen<br />

Dollarversteigert undist somitdas teuerste von<br />

Monet. Dieletzten leichten Sonnenstrahlen<br />

harmonierenmit den elegantenPinselstrichen,<br />

mitdenen Monetdas SchattenspielimHeu<br />

undimGrasder Wiese zeichnet.<br />

Format:<br />

Hochwertige Reproduktion im Fine Art Giclée-Verfahren<br />

auf Leinwand und Keilrahmen. Gerahmt in weißgoldener Massivholzrahmung.<br />

Auflage 499 Exemplare, mit Zertifikat.<br />

77 ×62cm(B/H)<br />

410,– €*<br />

Art.-Nr.: 1371811<br />

Die Lesende (Birgit Stauch)<br />

„Die Lesende“ isteineHommage an dieweibliche<br />

Schönheit, aber zugleich eine Hommage<br />

an dieLiteratur,der sich ihre Protagonistin<br />

ebenso konzentriertwie fasziniert widmet.<br />

Jede Skulpturist nummeriert undsigniert.<br />

Metallguss. Limitiertauf 499Exemplare.<br />

LieferungohneSockel.<br />

Maße:<br />

Gewicht:<br />

8×12×19cm(B/H/T)<br />

2,7kg<br />

528,– €*<br />

Art.-Nr.: 1371791<br />

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