Berliner Zeitung 12.11.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 263 · D ienstag, 12. November 2019 11 *<br />
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Berlin<br />
Entschuldigung<br />
bei Israels<br />
Botschafter<br />
Kulturprojekte-Chef und<br />
Senator bedauern Schriftzug<br />
Ein Schriftzug auf Hebräisch während<br />
der Bühnenshow zum<br />
30. Jahrestag des Mauerfalls hat Kritik<br />
ausgelöst. Beim Auftritt der Sängerin<br />
Anna Loos am Sonnabend auf<br />
der Bühne neben dem Brandenburger<br />
Tor war als Videoprojektion in<br />
hebräischen Buchstaben für kurze<br />
Zeit der Schriftzug „Schluss mit der<br />
Besatzung“ zu lesen. DerinIsrael bekannte<br />
Slogan<br />
kritisiertdie Politik<br />
in den Palästinensergebieten.<br />
„Ich bedauere<br />
zutiefst, dass<br />
eine anti-israelische<br />
Botschaft<br />
während der<br />
Moritz Feier in einer Videosequenz<br />
zu<br />
van Dülmen<br />
sehen war“,<br />
teilte Kultursenator Klaus Lederer<br />
(Linke) am Montag dazu mit. „Die Irritationen,<br />
die die Schriftzüge ausgelöst<br />
haben, kann ich mehr als nachvollziehen.<br />
Dashätte nicht passieren<br />
dürfen. Ich bitte um Entschuldigung.“<br />
Moritz vanDülmen, Chef der<br />
Agentur Kulturprojekte Berlin, die<br />
für die Bühnenshow verantwortlich<br />
zeichnete,entschuldigte sich für den<br />
Schriftzug nach eigenen Angaben<br />
am Montag beim israelischen Botschafter.<br />
Ihm sei die Bedeutung des<br />
Slogans nicht bewusst gewesen,<br />
sagte vanDülmen. „Das entschuldet<br />
es aber nicht.“<br />
Der israelische Botschafter, Jeremy<br />
Issacharoff, hatte der Bild-<strong>Zeitung</strong><br />
gesagt: „Am 9. November haben<br />
wir den Mauerfall gefeiert, aber<br />
auch würdevoll an die Pogromnacht<br />
vor81Jahren erinnert, die auch symbolisch<br />
für die Schrecken des damals<br />
nahenden Holocaust steht.“ Es sei<br />
eine Schande, dass einige es für angebracht<br />
gehalten hätten, dieses Ereignis<br />
für politische Zwecke gegen<br />
Israel zu instrumentalisieren.<br />
Er verstehe die Kritik, sagte van<br />
Dülmen. „Ich habe mit dem israelischen<br />
Botschafter telefoniert und<br />
mein Bedauern und meine Entschuldigung<br />
vorgetragen.“ Kulturprojekte<br />
Berlin hatte bereits am<br />
Sonntag auf Facebook erklärt, der<br />
Schriftzug in der vom ZDF übertragenen<br />
Bühnenshow sei Teil einer<br />
künstlerischen Videosequenz über<br />
rund 20 friedliche Protestaktionen<br />
weltweit gewesen, und sich für „eine<br />
etwaige missverständliche Interpretation“<br />
entschuldigt. (dpa)<br />
PAULUS PONIZAK<br />
Jeder Zweite für<br />
Giffey an der<br />
Senats-Spitze<br />
Umfrage: Zuspruch auch von<br />
Anhängern anderer Parteien<br />
F<br />
ast die Hälfte der <strong>Berliner</strong> fände<br />
es gut, wenn Bundesfamilienministerin<br />
Franziska Giffey (SPD) 2021<br />
für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin<br />
kandidieren würde. Dafür<br />
sprachen sich 47,9 Prozent der Teilnehmer<br />
einer repräsentativen Umfrage<br />
des Instituts Civey im Auftrag<br />
des Tagesspiegels aus. Dagegen lehnen<br />
34,2 Prozent der Befragten <strong>Berliner</strong><br />
eine Kandidatur Giffeys ab, 17,9<br />
Prozent sind unentschieden. Die<br />
größte Unterstützung bekommt die<br />
frühere Neuköllner Bezirksbürgermeisterin<br />
bei den Anhängernder eigenen<br />
Partei, vondenen 78,3 Prozent<br />
ihre Kandidatur gut fänden. Für die<br />
Online-Umfrage wurden 4015 <strong>Berliner</strong><br />
befragt. Aber auch bei den Wählern<br />
der Grünen ist mehr als die<br />
Hälfte (56,8 Prozent) dafür, genau<br />
wie bei Linken (58,5 Prozent) und<br />
der CDU (54,6 Prozent). (dpa)<br />
Plötzlich Prinzessin und Prinz sein<br />
Für wender drei auf dem obigen Foto ist es die größte Freude? Eins ist<br />
auf jeden Fall bekannt: ReinhardNaumann (SPD,2.von links), Bezirksbürgermeister<br />
von Charlottenburg, traf am Montag zur Feier des Karnevalsbeginns<br />
am 11.11. vor dem Rathaus mit dem Prinzenpaar der<br />
Stadt Berlin Prinzessin Jessica I. und Prinz Klaus zusammen. Es war zumindest<br />
eine fröhliche Begegnung, wie wir sehen. Die<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
„Ein Experiment mit ungewissem Ausgang“<br />
Der Senat beschließt, dass zwei Drittel der S-Bahn neu ausgeschrieben werden. Die Gewerkschaft EVG kritisiert den Plan<br />
VonPeter Neumann<br />
Der Senat stellt die Weichen<br />
für die S-Bahn Berlin<br />
neu. Aller Voraussicht<br />
nach wird erandiesem<br />
Dienstag beschließen, dass die bislang<br />
größte Ausschreibung in der<br />
Geschichte des <strong>Berliner</strong> Verkehrs in<br />
Kürze beginnt. Für die S-Bahn-Linien<br />
auf der Stadtbahn und im Nord-<br />
Süd-Tunnel werden Unternehmen<br />
gesucht, die von Ende 2026 an neue<br />
Züge bereitstellen und sie fahren.<br />
DasLand wirdEigentümer der mehr<br />
als 1300Wagen. Nach der Senatsvorlage,<br />
die der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> vorab<br />
zuging, steht ein grundlegender Systemwechsel<br />
bevor – kein Wunder,<br />
dass sich die Gewerkschaft EVG am<br />
Montag kritisch dazu äußerte.<br />
Neu ist, dass für jedes der beiden<br />
S-Bahn-Teilnetze die Bereitstellung<br />
und der Betrieb der neuen Züge getrennt<br />
ausgeschrieben wird. Beides<br />
kann also auch getrennt vergeben<br />
werden. „Durch die Aufteilung befürchten<br />
wir deutliche Verschlechterungen<br />
bis hin zum völligen Chaos“,<br />
sagte RobertSeifert,Vorsitzender der<br />
EVG-Betriebsgruppe bei der S-Bahn<br />
Berlin GmbH.Wieangesichts der zusätzlichen<br />
Schnittstellen eine stabile<br />
und sichereBetriebsorganisation gewährleistet<br />
werden kann, sei unklar.<br />
Ausder Krise lernen<br />
Ihr Ziel, einer möglichen Aufteilung<br />
der S-Bahn einen Riegel vorzuschieben,<br />
haben die Gewerkschafter nicht<br />
erreicht.Wasder Senat nun beschließen<br />
wird, sei ein „absolutes Novum“,<br />
meinte Seifert. „Es wird ein Experiment<br />
mit ungewissem Ausgang.“<br />
Wie berichtet geht es um zwei<br />
Drittel des S-Bahn-Verkehrs in Berlin<br />
und Brandenburg –genauer gesagt<br />
um die Stadtbahn-Linien S3, S5, S7,<br />
S75 und S9 sowie um die Nord-Süd-<br />
Eine S-Bahn unterwegs auf der Linie S5 nach Spandau. Noch fährtdortdie S-Bahn Berlin<br />
GmbH, ein Unternehmen der bundeseigenen DB. Das könnte sich ändern. IMAGO IMAGES<br />
Strecken S1, S15, S2, S25 und S85. Am<br />
Ende des bald beginnenden Verfahrens<br />
soll Anfang 2022 feststehen, wer<br />
die neuen S-Bahnen für diese Teilnetzebereitstellt<br />
und wersie fährt.<br />
Spätestens im kommenden Jahr<br />
gründet das Land Berlin eine kreditfähige<br />
Fahrzeuggesellschaft, heißt es<br />
in der Vorlage,die Verkehrssenatorin<br />
Regine Günther (Grüne) dem Senat<br />
jetzt präsentieren wird. Die Gesellschaft<br />
wird alle neuen S-Bahnen in<br />
ihr Eigentum übernehmen. So entsteht<br />
ein landeseigener Fahrzeugpool,<br />
der 2,76 Milliarden Euro kostet.<br />
Die Finanzierung beginnt mit einer<br />
Anzahlung des Landes von 552<br />
Millionen Euro, danach folgen Zahlungen<br />
vonbis zu 280 Millionen Euro<br />
pro Jahr. Für Zugbetrieb und Wartung<br />
sind in den ersten 15 Jahren<br />
3,024 Milliarden Euro einzuplanen.<br />
Anders als sonst bei Ausschreibungen<br />
üblich muss ein Unternehmen,<br />
das Züge fahren will, sie nicht<br />
veröffentlicht hier die wichtigsten Abschnitte aus der Antrittsrede des<br />
königlichen Paares:„Seit nunmehr 30 Jahren können Ost-undWestberliner<br />
gemeinsam unser schönes Brauchtum Karneval feiern. Wirhaben<br />
viel erreicht, aber es gibt auch noch viel zu tun. Wir Karnevalisten haben<br />
das schon lange verstanden, nur gemeinsam bringen wir unser<br />
Brauchtum Fasching, Fastnacht, Karneval voran."<br />
mitbringen. Es ist möglich, dass jemand<br />
anders sie finanziertund wartet.<br />
Diese Aufteilung soll die Konkurrenz<br />
fördern–imInteresse der Fahrgäste<br />
und Steuerzahler. Eswird ein<br />
Verfahren gewählt, das „effektiven<br />
Wettbewerb eröffnet und damit dem<br />
Risiko von Monopolpreisen entgegen<br />
wirkt“, so die Senatsvorlage.„Am<br />
Ende wird die für die Länder wirtschaftlichste<br />
Angebotsausgestaltung<br />
den Zuschlag erhalten.“<br />
Der Senatsbeschluss ist der vorläufige<br />
Höhepunkt einer langen Debatte.<br />
Auf der einen Seite stehen die<br />
Grünen und ihreMitstreiter.Sie erinnernandie<br />
Krise vorzehn Jahren, als<br />
viele S-Bahnen aus dem Verkehr gezogen<br />
werden mussten. Hauptgrund<br />
war, dass der bundeseigene Bahnkonzern<br />
imZeichen des geplanten<br />
Börsengangs auch bei der S-Bahn<br />
Berlin GmbH in den Werkstätten<br />
sparte. Aus dem Desaster ließe sich<br />
nur der Schluss ziehen, bei Aus-<br />
DPA<br />
schreibungen die Zugangsschwellen<br />
niedrig zu gestalten, hieß es. Ziel<br />
müsse es sein, dass viele Firmen teilnehmen<br />
–anders als bei der Ausschreibung<br />
des Ringbahn-Verkehrs,<br />
bei der 2015 zuletzt nur die Bahn übrig<br />
blieb. Das soll auch „Monopolpreise“<br />
verhindern. Wie berichtet,<br />
erwartet der Senat über 15 Jahre Kostenvorteile<br />
von800 Millionen Euro.<br />
Kehrtein alter Bekannter zurück?<br />
Auf der anderen Seite stehen Gewerkschafter,SPD-<br />
und Linken-Politiker.<br />
Sie sehen das Senatskonzept<br />
kritisch –auch weil es dazu führen<br />
könnte, dass die bundeseigene S-<br />
Bahn Berlin GmbH Aufträge verliert.<br />
„Zwar haben wir in dieser Debatte<br />
einiges erreicht –zum Beispiel, dass<br />
neue Betreiber das Fahrpersonal<br />
und einen Großteil des Werkstattpersonals<br />
übernehmen müssen“, so<br />
Seifert. Doch viele Fragen seien noch<br />
offen – etwa, wo die zweite neue<br />
Werkstatt entsteht. Wie berichtet ist<br />
weiterhin Waßmannsdorfsüdöstlich<br />
von Berlin im Gespräch –nur über<br />
lange,teureAnfahrten zu erreichen.<br />
Unklar sei auch, wie viel dieWerkstatt<br />
Schönerlinder Straße und deren<br />
geplante zweite Anbindung über das<br />
Karower Kreuz kosten wird. „Darum<br />
ist uns schleierhaft, wie der Senat auf<br />
die 800 Millionen Euro Einsparung<br />
kommt“, sagte der Gewerkschafter.<br />
Je nachdem, wie der Wettbewerb<br />
ausgeht: Möglicherweise ist künftig<br />
ein alter Bekannter wieder für den S-<br />
Bahn-Betrieb in Berlin zuständig.<br />
Dem Vernehmen nach wollen sich<br />
Zugbetreiber wie Go-Ahead aus England<br />
und Transdev aus Frankreich an<br />
der Ausschreibung beteiligen.<br />
Deutschland-Geschäftsführer von<br />
Transdev ist Tobias Heinemann, der<br />
2007 Chef der S-Bahn Berlin GmbH<br />
wurde –bis er auf dem Höhepunkt<br />
der Krise 2009 abberufen wurde.<br />
Polizeiaktion<br />
startet<br />
schleppend<br />
Beamte lassen<br />
Falschparker „umsetzen“<br />
VonPhilippe Debionne<br />
und Klaus Oberst<br />
Hunderte vonAutofahrerninder<br />
Hauptstadt halten Tagfür Tag<br />
in zweiter Reihe, auf Busspuren<br />
oder auf Radwegen. Am Montag<br />
startete die Polizei deshalb eine<br />
fünftägige Schwerpunktaktion, bei<br />
der rücksichtlose Parksünder „in<br />
Gesprächen für ihr Fehlverhalten<br />
sensibilisiert“ werden sollen, so<br />
eine Polizeisprecherin. Unabhängig<br />
von diesen Gesprächen werden allerdings<br />
auch Verwarnungsgelder<br />
verhängt. Und Falschparker im Extremfall<br />
„konsequent gebührenpflichtig<br />
umgesetzt“, so die Sprecherin<br />
weiter.<br />
Bei einer vergleichbaren fünftägigen<br />
Verkehrssicherheitsaktion im<br />
Frühjahr 2019 hatte die Polizei nach<br />
eigener Aussage 6484 Halte- und<br />
Parkverstöße festgestellt und geahndet.<br />
Undin„288 Fällen mussten<br />
Kraftfahrzeuge zur Gefahrenabwehr<br />
kostenpflichtig umgesetzt werden“.<br />
Am Montag gab die Polizei an der<br />
Hauptstraße in Schöneberg den<br />
Startschuss für eine neuerliche<br />
Schwerpunktaktion. Um Punkt<br />
10.30 Uhr gingen die Einsatzkräfte<br />
auf die Jagd nach Zweite-Reihe-Parkern.<br />
Zunächst allerdings nur mit<br />
mäßigem Erfolg. Innerhalb von<br />
knapp zwei Stunden hielten oder<br />
parkten zwar dutzende Fahrzeuge<br />
in zweiter Reihe.Viele davon waren<br />
jedoch Lieferfahrzeuge, die ihre<br />
Ware auslieferten und dafür kein<br />
Knöllchen kassierten. Zudem schien<br />
es sich im Schöneberger Kiez schnell<br />
herumgesprochen zu haben, dass<br />
die Polizei auf der Lauer liegt: Anders<br />
als sonst an dieser Stelle standen nur<br />
wenige Privatfahrzeuge im Halteoder<br />
Parkverbot. Innerhalb vonzwei<br />
Stunden wurden daher nur fünf<br />
Fahrzeuge an der Hauptstraße umgesetzt.<br />
Zumindest bei diesen wünscht<br />
sich auch Berlins Innensenator<br />
Andreas Geisel (SPD) „einen Lerneffekt“,<br />
wie er mitteilte. „Parken in<br />
zweiter Reihe sowie auf Bus- und<br />
Radspuren ist egoistisch und rücksichtslos“,<br />
so Geisel weiter.<br />
Wirkung bei Falschparkern zeigen<br />
vermutlich die hohen Kosten,<br />
mit denen eine Umsetzung verbunden<br />
ist. Entscheidend für deren<br />
Höhe ist dabei nicht nur die Fahrzeugart,<br />
sondernauch, vonwem die<br />
Umsetzung angeordnet wird. Die<br />
BVGberechnet 97 Euro proerfolgter<br />
Umsetzung eines Pkw bis 3,5 Tonnen,<br />
die Polizei 136 Euro und das<br />
Ordnungsamt sogar 199 Euro. Bei<br />
Fahrzeugen über 3,5 Tonnen werden<br />
267 Euro (BVG), 306 Euro (Polizei)<br />
oder sogar 369 Euro (Ordnungsamt)<br />
fällig.<br />
Und während eine vermiedene<br />
Umsetzung – Einsatzkräfte ermitteln<br />
jemanden, der das betreffende<br />
Fahrzeug noch schnell wegfahren<br />
kann –beim Ordnungsamt 75 Euro<br />
kostet, berechnet die Polizei hier<br />
„nur“ 44 Euro. Der Grund hierfür<br />
sind nach Angaben der Polizei unterschiedlicher<br />
Personalaufwand<br />
bei Ordnungsamt und Polizei sowie<br />
unterschiedliche Personalkosten<br />
bei der jeweiligen Behörde.<br />
Falschparkerwerden im schlimmsten Fall<br />
abgeschleppt.<br />
KLAUS OBERST