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Berliner Zeitung 12.11.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 263 · D ienstag, 12. November 2019 5 *<br />

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Politik<br />

Wagenknechts Erben<br />

Die Bundestagsfraktion der Linken wählt an diesem Dienstag ihre Vorsitzenden neu. Es geht um Freundschaften, Animositäten –und um das „Hufeisen“-Bündnis<br />

VonMarkus Decker<br />

Am Montag um 13.15 Uhr<br />

hat die Pressestelle der<br />

Linksfraktion eine E-Mail<br />

verschickt. Darin informiertsie<br />

über den Beginn der Fraktionssitzung<br />

an diesem Dienstag und<br />

über die Wahl eines neuen Fraktionsvorstandes.Weiter<br />

heißt es in der<br />

E-Mail: „Im Anschluss daran, voraussichtlich<br />

gegen 16 Uhr, äußern<br />

sich die neu gewählten Vorsitzenden<br />

in einem Pressestatement.“ Werdas<br />

sein wird, bleibt offen.<br />

Während Fraktionschef Dietmar<br />

Bartsch abermals antritt, hatte die<br />

Co-Vorsitzende Sahra Wagenknecht<br />

im März überraschend ihren Verzicht<br />

auf eine dritte Kandidatur erklärt.<br />

Zwar hätte Bartsch gern allein<br />

weitergemacht und die Wahl zumindest<br />

ein weiteres Mal bis auf den Januar<br />

verschoben. Mit beiden Vorhaben<br />

konnte sich der 61-Jährige aber<br />

nicht durchsetzen, so dass es jetzt<br />

darum geht, eine Nachfolgerin Wagenknechts<br />

zu küren.<br />

Dabei muss man wissen, dass die<br />

Fraktion aus drei Flügen besteht:<br />

dem Forum Demokratischer Sozialismus<br />

(FDS) um Bartsch, dem Flügel<br />

um Wagenknecht, der zuweilen<br />

als linker Flügel bezeichnet wird, sowie<br />

einer Gruppe namens „Mittelerde“,<br />

die zwischen beiden Flügeln<br />

zu Hause ist. Das Duo Bartsch/Wagenknecht<br />

wurde von einem sogenannten<br />

„Hufeisen“-Bündnis aus<br />

Sahra Wagenknecht kandidiertnicht erneut für den Fraktionsvorsitz, will aber „weiter politisch etwas bewegen“.<br />

FDS und Wagenknecht-Flügel getragen.<br />

Unklar ist derzeit, ob dieses<br />

Bündnis noch existiert.<br />

DasProblem der CarenLay<br />

Zunächst hatte die stellvertretende<br />

Fraktionsvorsitzende Caren Lay ihre<br />

Kandidatur publik gemacht. Das<br />

kam nicht überraschend. Die 46-<br />

Jährige ist seit langem dabei. Siewar<br />

einst Bundesgeschäftsführerin der<br />

Partei und sitzt seit 2009 im Bundestag.<br />

Überdies stammt die Soziologin<br />

zwar aus Rheinland-Pfalz, ist aber<br />

mittlerweile seit Jahren in Bautzen in<br />

Sachsen beheimatet. Lay ließ übrigens<br />

verlauten, sie wolle die Fraktion<br />

im Fall ihrer Wahl „aus der Mitte herausführen“.<br />

Ein Problem der Expertin für<br />

Wohnungs- und Mietfragen besteht<br />

darin, dass sie mit Parteichefin Katja<br />

Kipping befreundet ist. Kipping wiederum<br />

hat sowohl im FDS als auch<br />

im Wagenknecht-Flügel Gegner. Lay<br />

hat darum zuletzt Wert auf Distanz<br />

zu Kipping gelegt. Kipping und ihr<br />

Co-Parteichef Bernd Riexinger haben<br />

keine Wahlempfehlung für Lay<br />

abgegeben. Siewissen wohl, dass ihr<br />

das schaden würde.<br />

Lays Gegenkandidatin ist überraschend<br />

die Abgeordnete Amira Mohamed<br />

Ali. Sie wurde in Hamburg<br />

geboren, lebt in Oldenburg, ist<br />

Rechtsanwältin, gehört dem Bundestag<br />

erst seit 2017 an und kümmert<br />

sich um Tierschutz- und Landwirtschaftsfragen.<br />

In einem Brief an<br />

die Fraktion schrieb Ali: „Unsere<br />

Fraktion kann viel mehr erreichen,<br />

wenn wir gemeinsam unser Poten-<br />

DPA<br />

zial ausschöpfen, wenn wir mehr<br />

und konsequenter miteinander arbeiten,<br />

statt uns gegenseitig zu hemmen.“<br />

Zudem verwies sie auf die<br />

Notwendigkeit des Kampfes gegen<br />

Rassismus und ihreErfahrungen damit.<br />

Alis Vater ist Ägypter.<br />

Auch Abgeordnete von anderen<br />

Flügeln sagen, Ali sei „eine Nette“.<br />

Allerdings sei sie in den letzten zwei<br />

Jahren nicht mit Inhalten aufgefallen<br />

und habe sich kaum eingemischt in<br />

Debatten. Ihre Kritiker sagen ferner,<br />

dass Ali von Diether Dehm protegiertwerde.Manche<br />

mutmaßen gar,<br />

sie solle bloß eine Art Platzhalter-<br />

Rolle einnehmen –bis die unter einem<br />

Burnout leidendeWagenknecht<br />

zurückkehre. Fest steht, dass Ali die<br />

Medien scheut. Zwei Bitten um Gespräche<br />

wich sie aus.<br />

Knapper Ausgang erwartet<br />

Zwar bevorzugt Bartsch, der öffentlich<br />

nicht Position bezieht, dem Vernehmen<br />

nach Ali. Mitstreiter sagen,<br />

er wolle Lay „auf keinen Fall“; das sei<br />

„vermutlich persönlich begründet“.<br />

Dieselben Mitstreiter sagen jedoch<br />

ebenfalls, dass das „Hufeisen“-<br />

Bündnis aus FDS undWagenknecht-<br />

Flügel Geschichte sei. Bartsch kann<br />

sich also nicht sicher sein, dass seine<br />

bisherigen Gefolgsleute ihm auch zu<br />

Ali folgen. Somit rechnen alle Beteiligten<br />

mit einem knappen Ergebnis.<br />

Wagenknecht sagte unterdessen,<br />

dass sie trotz des Verzichts auf eine<br />

abermalige Kandidatur nicht von<br />

der Bühne verschwinden wolle.„Ich<br />

möchte weiter politisch etwas bewegen“,<br />

sagte die 50-Jährige am Montag,<br />

„und deswegen werdeich natürlich<br />

auch nach wie vor meine Positionen<br />

öffentlich vertreten und dafür<br />

werben.“<br />

Markus Decker<br />

ist gespannt auf das Ergebnis<br />

der Personaldebatte.<br />

Österreich vor schwieriger<br />

Regierungsbildung<br />

Konservative ÖVP und Grüne verhandeln über Koalition<br />

ÖVP und Grüne wagen den<br />

nächsten Schritt auf dem Weg<br />

zu einem möglichen Regierungsbündnis<br />

in Österreich. Nachdem die<br />

Grünen am Sonntag ihre Bereitschaft<br />

deutlich gemacht hatten, hat<br />

sich nun auch ÖVP-Chef Sebastian<br />

Kurz für Koalitionsverhandlungen<br />

ausgesprochen. „Dieser Prozess wird<br />

nicht einfach werden, weil die Positionen<br />

von Grünen und Volkspartei<br />

sehr, sehr unterschiedlich sind“,<br />

sagte der 33-Jährige am Montag in<br />

Wien. Seine Partei werde die anstehenden<br />

Gespräche „ergebnisoffen,<br />

aber ehrlich, respektvoll und mit vollem<br />

Engagement“ führen.<br />

Grünen-ChefWerner Kogler hatte<br />

Verhandlungen am Sonntag alsWagnis<br />

bezeichnet, das man aber eingehen<br />

wolle. Eine Regierung von ÖVP<br />

und Grünen wäre inÖsterreich auf<br />

Bundesebene eine Premiere.<br />

„Dieser Prozess<br />

wird nicht einfach<br />

werden,weil die Positionen<br />

von Grünen<br />

undVolkspartei<br />

sehr, sehr unterschiedlich<br />

sind.“<br />

Sebastian Kurz, ÖVP-Chef<br />

Die beiden Parteien waren die<br />

Wahlsieger vom 29. September. Die<br />

ÖVP erhielt 37,5 Prozent der Stimmen<br />

–ein Plus von sechs Prozentpunkten<br />

im Vergleich zur Wahl 2017. Die Grünen<br />

konnten 13,9 Prozent (plus 10,1<br />

Prozentpunkte) der Wähler von sich<br />

überzeugen und zogen damit nach<br />

der herben Niederlage vor zwei Jahren<br />

wieder in den Nationalrat ein.<br />

Während auch die SPÖ (21,2 Prozent)<br />

für Regierungsverhandlungen bereit<br />

gewesen wäre, sieht sich der vorhe-<br />

rige Koalitionspartner der ÖVP, die<br />

rechte FPÖ (16,2 Prozent), in den<br />

kommenden Jahren eher in der Opposition.<br />

Koalitionsverhandlungen zwischen<br />

ÖVP und Grünen galten unter<br />

diesen Umständen bereits seit dem<br />

Wahlabend als wahrscheinlich, auch<br />

wenn sich beide Parteien zuletzt<br />

nicht in die Karten schauen ließen.<br />

Aus den Mitte Oktober gestarteten<br />

Sondierungen wurden nur wenige<br />

Details bekannt, Kurz und Kogler betonten<br />

immer nur die große Bedeutung<br />

des persönlichen Kennenlernens.<br />

Inhaltliche Themen wurden<br />

aber zumindest auf mögliche Hürden<br />

abgeklopft. Tatsächlich dürfte es<br />

trotz aller Sympathien für beide Parteien<br />

nicht leicht werden, sich auf<br />

ein Bündnis zu verständigen. Kurz<br />

hatte von2017 bis 2019 mit der rechten<br />

FPÖ regiertund in dieser Zeit einen<br />

harten Anti-Migrationskurs verfolgt.<br />

Zudem sollte im Rahmen einer<br />

SteuerreformdieWirtschaft entlastet<br />

werden. Beide Punkte wurden von<br />

den Grünen ebenso kritisiert wie<br />

eine Reform der Mindestsicherung,<br />

die vor allem für kinderreiche Familien<br />

Einschnitte zur Folge hatte.<br />

„Wir verhandeln sicher nicht auf<br />

Scheitern, aber wir verhandeln auch<br />

nicht so, dass es mit Sicherheit ein<br />

Ergebnis gibt“, sagte Grünen-Chef<br />

Kogler am Sonntag. „Das ist ein ergebnisoffener<br />

Anfang eines durchaus<br />

herausfordernden Prozesses“,<br />

sagte Kurz am Montag<br />

Dass in Österreich derzeit überhaupt<br />

eine neue Regierung gebildet<br />

werden muss, ist Folge des Ibiza-<br />

Skandals rund um Ex-FPÖ-Chef<br />

Heinz-Christian Strache. Spiegel<br />

und Süddeutsche <strong>Zeitung</strong> hatten im<br />

MaieinVideo veröffentlicht, auf dem<br />

Strache imGespräch mit einer vermeintlichen<br />

russischen Oligarchen-<br />

Nichte korruptionsanfällig wirkte.<br />

Strache trat einen Tagnach der Veröffentlichung<br />

von allen Ämtern zurück,<br />

die gesamte Regierung zerbracht,<br />

Ex-Kanzler Kurz rief Neuwahlen<br />

aus. Derzeit regiert inÖsterreich<br />

ein Expertenkabinett. (dpa)<br />

Vonhier:klimaneutrale Wärme<br />

fürs Quartier.<br />

Das Märkische Viertel ist das größte<br />

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rund 13.500 Wohnungen.<br />

Für ein fossilfreies Leben innerhalb einer<br />

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Mehr auf vattenfall.de/fossilfrei

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