Berliner Zeitung 12.11.2019
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12 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 263 · D ienstag, 12. November 2019<br />
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Berlin<br />
Justizsenator<br />
bittet Kollegin<br />
um Verzeihung<br />
Dirk Behrendt irritierte mit<br />
Bemerkung über Hessen<br />
Justizsenator Dirk Behrendt<br />
(Grüne) hat sich nach Angaben<br />
seines Sprechers bei der hessischen<br />
Justizministerin Eva Kühne-Hörmann<br />
(CDU) entschuldigt. Er hatte<br />
am Donnerstag beim Treffen der Justizminister<br />
in Berlin mit Anmerkungen<br />
über Hessen für Irritationen gesorgt.<br />
Es sei aber falsch, dass Behrendt<br />
Hessen mit der DDR oder einem<br />
Unrechtsstaat verglichen habe,<br />
sagte der Sprecher der Justizverwaltung<br />
am Montag.<br />
Behrendt hatte dem Sprecher zufolge<br />
in einer Diskussion unter anderem<br />
über einen Antrag aus Hamburg<br />
zum Thema „Das Grundgesetz<br />
krisenfest machen“ kritisiert, dass<br />
in Hessen auch nicht alles in Ordnung<br />
sei und habe dabei auf rechte<br />
Netzwerke in der Polizei und den<br />
Mord am Kasseler Regierungspräsidenten<br />
Walter Lübcke im Juni verwiesen.<br />
„Der Justizsenator wusste nicht,<br />
dass die hessische Justizministerin<br />
mit Herrn Lübcke befreundet war“,<br />
sagte der Sprecher. „Es tut ihm leid,<br />
dass er sie verletzt hat.“ Behrendt<br />
habe sich noch am Donnerstagabend<br />
entschuldigt. Über die Irritationen<br />
bei der Justizministertagung<br />
hatten zuvor mehrere Medien berichtet.<br />
(dpa)<br />
Herr Gysi, wir haben vergangene Woche<br />
ein Foto veröffentlicht, das einen<br />
abgelassenen Teich im Volkspark<br />
Friedrichshain zeigt. Eine Müllkippe.<br />
In Sachen Sauberkeit stinkt doch was<br />
zum Himmel in Berlin, oder?<br />
Dass es in einer Metropole wie<br />
Berlin nicht überall wie in einem<br />
schwäbischen Örtchen aussehen<br />
kann, ist sicher verständlich. Aber<br />
Dreckecken wie dieser Teich im<br />
Friedrichshain müssen wirklich<br />
nicht sein. Nicht selten wird dann<br />
auf den Senat verwiesen, der angeblich<br />
seine Hausaufgaben nicht mache.<br />
Aber der Senat und die Behörden<br />
haben den Müll nicht in den<br />
Teich geworfen. Was esbraucht, ist<br />
ein Stück mehr Verantwortung jeder<br />
und jedes Einzelnen in unserer<br />
Stadt, den eigenen Dreck wegzuräumen.<br />
Die <strong>Berliner</strong> Stadtreinigung<br />
muss allerdings wohl auch ausgebaut<br />
und aktiver werden.<br />
Ausgerechnet die Preußen scheinen<br />
die Ordnung den Süddeutschen zu<br />
überlassen. Dort sieht es zumindest<br />
anders aus in den Städten. Haben Sie<br />
eine Erklärung dafür?<br />
Keine Stadt in Süddeutschland<br />
hat die Größe und den Charakter<br />
Berlins. Man ist hier viel weniger<br />
„unter Beobachtung“ und das verführtoffenbar<br />
dazu, den Haufen des<br />
eigenen Hundes liegenzulassen oder<br />
den Kaffeebecher nicht in den Papierkorb,<br />
sondern mitunter direkt<br />
daneben hinzuwerfen. Wie gesagt,<br />
ein bisschen Unordnung, das Unfertige<br />
ist durchaus ein Teil des <strong>Berliner</strong><br />
Charmes, der ja auch viele Menschen<br />
aus Süddeutschland anzieht.<br />
Aber das darf nicht als Freibrief verstanden<br />
werden, Dinge verwahrlosen<br />
zu lassen.<br />
Die Interview-Kolumne<br />
Eine Curry<br />
mit Gysi<br />
Die Chefredakteure Jochen Arntz und Elmar<br />
Jehn reden jede Woche mit Gregor Gysi –<br />
über das, was die Stadt, das Land und die Welt<br />
bewegt. Kurz und klar,ein paar Minutennur,<br />
solange man eben zusammensteht für eine<br />
Curry am Mittag. Unser Thema in dieser Woche:<br />
Ordnung und Sauberkeit<br />
Elmar Jehn (l.), Gregor Gysi und Jochen Arntz<br />
Ist die äußere Verwahrlosung Ausdruck<br />
einer inneren Haltung?<br />
Zumindest von einer zu großen<br />
Gedankenlosigkeit und ja, auch von<br />
Egoismus mit der Haltung „Hier bin<br />
ich Mensch, hier schmeiß ich weg“.<br />
Dass man dafür jetzt mehr Strafe zahlen<br />
soll als bisher, könnte eventuell<br />
helfen, diese Haltung zu verändern.<br />
Die Gedankenlosigkeit muss abgebaut<br />
werden.Manchmal reicht schon<br />
ein netter Hinweis,woein Papierkorb<br />
steht.<br />
Warder Osten denn sauberer als der<br />
Westen?<br />
Auf jeden Fall gab es viel weniger<br />
Verpackungen, die man hätte wegwerfen<br />
können, und ein gut funktionierendes<br />
Recyclingsystem mit guter<br />
Zweitverwertung. Andererseits haben<br />
die Kohleheizungen und -kraftwerke<br />
genug Dreck gemacht, weil die Alternativen<br />
auch zu teuer erschienen.<br />
Wie wichtig sind Ihnen persönlich<br />
Ordnung und Sauberkeit?<br />
Es gibt ja den Spruch, dass nur<br />
das Genie das Chaos beherrsche.Da<br />
ich nicht wirklich ein genialer Wiederfinder<br />
von Dingen bin, die ich irgendwo<br />
hingelegt habe,versuche ich<br />
das Chaos so klein wie möglich zu<br />
halten. Und ineinem sauberen Zuhause<br />
wohnt es sich einfach angenehmer.<br />
Allerdings habe ich nicht<br />
den Anspruch, dass man jederzeit<br />
vom Fußboden essen können muss.<br />
In einem Garten zum Beispiel muss<br />
es auch solche Ecken geben, wo Igel<br />
oder Vögel Schutz finden.<br />
Wersorgt bei Ihnen zu Hause dafür?<br />
Na, eine Hilfe und ich. Für die<br />
Hilfe bin ich sehr dankbar,weil ich es<br />
allein nicht schaffte.<br />
Tödliche<br />
Schläge im<br />
Treptower Park<br />
Angeklagter schweigt<br />
zunächst<br />
Nach einem tödlichen Angriff auf<br />
einen 28 Jahre alten Mann im<br />
TreptowerParkinBerlin hat der mutmaßliche<br />
Täter vordem Landgericht<br />
geschwiegen. Der 43-Jährige werde<br />
sich möglicherweise zu einem späteren<br />
Zeitpunkt äußern, erklärte der<br />
Verteidiger zu Prozessbeginn am<br />
Montag. Die Anklage lautet auf Totschlag.<br />
Der aus Rumänien stammende<br />
Mann soll das Opfer im Mai<br />
2019 mit Flaschen oder einem anderen<br />
stumpfen Werkzeug attackiert<br />
haben. Der Geschädigte habe tödliche<br />
Kopfverletzungen erlitten.<br />
Spaziergänger hatten die Leiche<br />
im Gebüsch neben dem Hauptweg<br />
in der Nähe des Sowjetischen Ehrenmals<br />
entdeckt und die Polizei alarmiert.<br />
Der Getötete sei wenige Wochen<br />
zuvor von Augsburg (Bayern)<br />
nach Berlin gekommen und habe<br />
sich in der Hauptstadt im Obdachlosenmilieu<br />
des Treptower Parks aufgehalten,<br />
teilte die Polizei damals<br />
mit. Die Anklage geht davon aus,<br />
dass der 43-Jährige kurze Zeit nach<br />
dem Angriff zurückgekehrt sei, um<br />
auch noch den Rucksack des Getöteten<br />
mit Handy, Börse und EC-Karte<br />
an sich zu nehmen. Auch der Angeklagte<br />
sei obdachlos gewesen.<br />
Der Indizienprozess wird am21.<br />
November fortgesetzt. (dpa)<br />
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LESUNG<br />
Neue Busspuren<br />
lassen auf sich warten<br />
Senat kann sein Ziel für 2019 nicht mehr erreichen<br />
VonPeter Neumann<br />
Die Puschkinallee in Treptow<br />
steht auf der Liste, die Yorckstraße<br />
in Kreuzbergund die Prinzenallee<br />
in Wedding ebenfalls.Sie gehörenzuden<br />
Straßen, für die der Senat<br />
nach Informationen der <strong>Berliner</strong><br />
<strong>Zeitung</strong> auf Abschnitten die Markierung<br />
vonBusspuren angeordnet hat.<br />
Doch das Ziel, das Netz dieser Fahrstreifen<br />
in diesem Jahr um fast 20<br />
Prozent zu erweitern, lässt sich nicht<br />
mehr erreichen. Die meisten neuen<br />
Busspuren entstehen erst 2020 –eine<br />
gute Nachricht für die Fahrgäste der<br />
<strong>Berliner</strong> Verkehrsbetriebe (BVG).<br />
„Wir arbeiten intensiv daran, die<br />
ersten 20 Kilometer neuer Busspuren<br />
soschnell wie möglich anzuordnen“,<br />
sagte Jan Thomsen, Sprecher<br />
der Verkehrssenatorin Regine Günther<br />
(Grüne). Allerdings seien die Abstimmungen,<br />
die zwischen der Verkehrslenkung<br />
Berlin (VLB), den Bezirken<br />
und der BVGlaufen, komplex.<br />
In jedem Fall seien detaillierte<br />
Prüfungen nötig, so Thomsen. Er betonte:<br />
„Die Umsetzung der Anordnungen<br />
liegt bei den Bezirken.“ Ihnen<br />
mangelt es Berichtenzufolge jedoch<br />
an Personal, um die Projekte<br />
rasch verwirklichen zu können. Beobachter<br />
erwarten, dass die meisten<br />
neuen Busspuren im späten Frühjahr<br />
oder Sommer 2020 fertig werden.<br />
Wenn es zu kalt oder zu nass ist,<br />
lässt sich die Farbe nicht auftragen.<br />
Netz ist kaum gewachsen<br />
Dabei ist die Sache klar: Jeschneller<br />
Bussevorankommen, desto besser –<br />
nicht nur für die Fahrgäste, auch für<br />
die landeseigene BVG. Je zügiger die<br />
Ziele erreicht werden, desto weniger<br />
Fahrzeuge und Busfahrer werden<br />
benötigt –was Kosten spart. Nicht<br />
zuletzt wirdder Nahverkehr attraktiver,<br />
was die Fahrgelderträge erhöht.<br />
Angesichts dessen ist es überraschend,<br />
dass das Netz der Bus-Sonderfahrstreifen<br />
in den vergangenen<br />
Jahren kaum gewachsen ist –auch<br />
unter dem rot-rot-grünen Senat<br />
nicht. Dabei hat er sich die Förderung<br />
umweltfreundlicher Verkehrsarten<br />
auf die Fahnen geschrieben.<br />
Seit Jahren bewegt sich die Zahl<br />
der Busspurkilometer kaum über die<br />
Hundertermarke hinaus –2016 waren<br />
es102,3. Und das heißt nicht,<br />
dass es wenigstens dortzügig vorangeht.<br />
Meist sind die Fahrstreifen drei<br />
bis 3,50 Meter breit. Wenn Busse auf<br />
Fahrräder treffen, wirdesoft eng.<br />
Täglich 24 Stunden für Autostabu<br />
Im Frühjahr 2017 nahm die BVG einen<br />
neuen Anlauf und legte ein Konzept<br />
für 100 Kilometer Busspuren vor.<br />
Sie sollten entweder neu geschaffen<br />
werden –oder deren Geltungsdauer<br />
sollte verlängertwerden. Im Sommer<br />
2019 teilte der Senat mit, dass angestrebt<br />
werde, in diesem Jahr 41 Fahrstreifen<br />
mit einer Länge von rund 19<br />
Kilometernzumarkieren.<br />
„Versprechungen<br />
des Senats haben<br />
für mich keinerlei<br />
Wert mehr.“<br />
Jens Wieseke, Sprecher des <strong>Berliner</strong><br />
Fahrgastverbands IGEB<br />
Dass es nun nicht dazu kommt,<br />
sieht Jens Wieseke vom Fahrgastverband<br />
IGEB skeptisch. „Ich habe jede<br />
Hoffnung verloren, dass die Busbeschleunigung<br />
kommen wird“, sagte<br />
er. „Versprechungen des Senats haben<br />
für mich keinerlei Wert mehr.“<br />
Immerhin: Für 25 Kilometer bestehender<br />
Busspuren legte der Senat<br />
fest, dass sie anders als bisher täglich<br />
24 Stunden für andere Kraftfahrzeuge<br />
tabu sind –Taxis, Reisebusse<br />
und Krankenfahrzeuge ausgenommen.<br />
Auch die neuen Regelungen<br />
sollen rund um die Uhr gelten. „Bedarfsgerechte<br />
Abweichungen werden<br />
zugelassen“, sagte Thomsen.