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2019/49 - Querfeldein

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22 // <strong>Querfeldein</strong>.<br />

Der Geist vom Obst: Die Schnapsbrennerei ist ein altes Handwerk,<br />

das wieder im Kommen ist. Viele Kunden schwören auf Spirituosen,<br />

die aus der Region stammen. Wie die Produkte aus Dettinger Brennereien,<br />

deren Inhaber sich auch immer mal wieder an neue Kreationen wagen.<br />

Von Anja Weiß<br />

Das Ermstal ist ein wahres Streuobstparadies.<br />

Ob Äpfel, Zwetschgen,<br />

Birnen, Mirabellen oder Quitten: Es<br />

wächst und gedeiht. Da braucht man<br />

natürlich Mittel und Wege, um das<br />

Obst haltbar zu machen. Man kann<br />

es dörren oder einmachen, Marmelade<br />

machen oder Saft. Oder man kann<br />

es zu Maische verarbeiten und dann<br />

Schnaps daraus brennen.<br />

// Die Brennblase in der Schaubrennerei Straßer. Foto: Thomas Kiehl<br />

Die Schnapsbrennerei ist ein altes<br />

Handwerk, das nicht mehr so ausgiebig<br />

betrieben wird wie noch vor 100<br />

Jahren, das aber wieder im Kommen<br />

ist. Denn immer mehr Menschen<br />

setzen auf Selbstgemachtes und wollen<br />

Produkte genießen, die direkt<br />

aus der Region stammen. So steigt<br />

die Zahl derer, die kleine Mengen<br />

an Schnaps brennen lassen, weil sie<br />

gerne den Geist vom eigenen Obst<br />

trinken wollen.<br />

Von Generation<br />

zu Generation<br />

Gebrannt werden die Spirituosen<br />

in Brennereien, in Süddeutschland<br />

sind es meist sogenannte „Abfindungsbrennereien“,<br />

die 300 Liter Alkohol<br />

pro Jahr brennen dürfen. Dafür<br />

benötigt man ein Brennrecht, das<br />

stets an ein Grundstück gebunden<br />

ist und das man von Generation zu<br />

Generation weitergeben kann. Auch<br />

das hat im Lauf der vergangenen Jahre<br />

nachgelassen. Gab es im Jahr 1917<br />

in Dettingen sage und schreibe 32<br />

Brennereien, sind es heute nicht mal<br />

mehr zehn Stück, die diese Tradition<br />

aufrechterhalten. In früheren Zeiten<br />

war es nötig, dass fließendes Gewässer<br />

in der Nähe war, um den Brand zu<br />

kühlen. Heute braucht es dies dank<br />

elektrischer Kühlung nicht mehr,<br />

aber es erklärt, warum sich in Dettingen<br />

rund um die Lange<br />

Gasse und Fabrikstraße<br />

das „Brennerviertel“<br />

befindet. Hier verlief<br />

einst der Ermskanal,<br />

an dem sich<br />

die Brenner niederließen.<br />

Zwei der Brenner<br />

sind die Familien Walter<br />

und Straßer, die in der vierten<br />

Generation Hochprozentiges<br />

herstellen. Die Brennerei Walter<br />

hat ihren Braukessel in einem ehemaligen<br />

Waschhaus untergebracht,<br />

das nach dem Ersten Weltkrieg zur<br />

Brennerei umgebaut wurde. Immer<br />

donnerstags schalten Gerhard und<br />

Rosmarie Walter den großen Kessel<br />

ein, ein neues Modell, das automatisch<br />

die Temperatur regelt. Rund 2,5<br />

Stunden dauert ein Brennvorgang,<br />

der Kessel verströmt Wärme und der<br />

Raum ist erfüllt von dem scharfen<br />

Geruch nach Hochprozentigem. 140<br />

Liter Kirschmaische werden in zweieinhalb<br />

Stunden zu weniger als zehn<br />

Litern reinem Alkohol. Der Vorlauf<br />

wird in einem extra Gefäß aufgefangen,<br />

aus ihm stellt Rosmarie Walter<br />

Vorlaufgel her – ein altes Hausmittel,<br />

das gegen allerlei Wehwehchen hilft.<br />

Der Hauptlauf wird dann mit entkalktem<br />

Wasser verdünnt und ergibt<br />

etwa 20 Liter Schnaps mit 40 Prozent<br />

Alkoholgehalt.<br />

Das Obst stammt bei allen Kleinbrennern<br />

in der Gemeinde zum großen<br />

Teil von eigenen Wiesen, dabei<br />

setzen sie heute zunehmend auch<br />

auf seltene Sorten oder anderes Obst<br />

als damals. Auch das Sortiment ist<br />

um ein Vielfaches größer als noch<br />

zu Zeiten der Großeltern. „Früher<br />

gab es eigentlich nur eine Handvoll<br />

Schnapssorten: Mirabelle, Birne,<br />

Zwetschge, Kirsche, Himbeere und<br />

Obstler“, blickt Gerhard Walter zurück.<br />

Käuferverhalten<br />

hat sich verändert<br />

Die Ansprüche der Kundschaft<br />

sind auch gestiegen. „Das Käuferverhalten<br />

hat sich verändert“, sagt er.<br />

Als sein Vater noch gebrannt hat, haben<br />

die Kunden eine alte Flasche<br />

mitgebracht und sie auffüllen<br />

lassen, erzählt er. Solch eine<br />

schlichte Handhabung ist<br />

heute nicht mehr drin:<br />

Rosmarie Walter setzt<br />

auf exklusive Flaschen,<br />

edle Gläser und schöne<br />

Korken. Vermarktet wird<br />

nicht nur im Dettinger Laden,<br />

sondern auch übers Internet.<br />

Inzwischen reift der Geist im<br />

Holzfass nach, es gibt Cuvées oder<br />

eigene Kreationen wie den Albwacholder-Gin<br />

oder den „Apferoh“,<br />

Rosmarie Walter setzt Schlehen- und<br />

Haselnusslikör an oder kreiert Versperdosen<br />

mit eingelegtem Obst.

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