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*<br />
POLITIK<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Ein teurer<br />
Egotrip<br />
MANN DESTAGES<br />
Franziskus<br />
Papst Franziskus hat größere<br />
Anstrengungen für eine<br />
friedliche Welt verlangt. In<br />
einer am Donnerstag verbreiteten<br />
Botschaft<br />
zum<br />
Weltfriedenstag<br />
am<br />
1. Januar<br />
forderte er<br />
auch ein gerechteres<br />
Wirtschaftssystem<br />
und<br />
eine „ökologische<br />
Umkehr“.<br />
Er verurteilte zugleich<br />
die Politik der nuklearen Abschreckung.<br />
„Jeder Krieg<br />
entpuppt sich in Wirklichkeit<br />
als Brudermord, der das Projekt<br />
der Brüderlichkeit selbst<br />
zerstört“, sagte Franziskus.<br />
Foto: Andrew Medichini/AP/dpa<br />
Von<br />
Andreas<br />
Niesmann<br />
Drei Dingevorweg.Erstens<br />
ist es Deutschlands<br />
gutes Recht, souverän zu entscheiden,<br />
woher es seine<br />
Energie bezieht. Zweitens ist<br />
es sinnvoll, dabei auf Russlandzusetzen–wegen<br />
der<br />
geografischen Näheund weil<br />
funktionierendeHandelsbeziehungen<br />
ein deeskalierendes<br />
Potenzial in sich tragen.<br />
Drittens ist die Gaspipeline<br />
Nord Stream 2ökonomisch<br />
sinnvoll,schon allein deshalb,<br />
weil sie sich selbst trägt.<br />
Undtrotzdem wäre diese<br />
Röhre besser nie gebautworden.Der<br />
politischeSchaden,<br />
den sie angerichtet hat,überschreitet<br />
ihrenwirtschaftlichenNutzenbei<br />
Weitem.<br />
Deutschland hatsich im Geflecht<br />
der unterschiedlichen<br />
und zum Teilwidersprüchlicheneuropäischen<br />
Interessen<br />
verheddert. Es ist einen<br />
Handelzulastender Ukraine<br />
eingegangen, hatweite Teile<br />
Osteuropas gegen sich aufgebracht.<br />
In Energiefragen ist<br />
die EU von einer einheitlichenPolitikweit<br />
entfernt.<br />
Die Bundesregierung ist dafür<br />
mitverantwortlich. Ihr<br />
Egotrip hat die Europäer<br />
nochtiefer gespalten. Das ist<br />
der wahre Preis, den<br />
Deutschland für Nord Stream<br />
2bezahlt hat. Er ist zu<br />
hoch.<br />
RND-Montage, Fotos: Bernd Wüstneck/dpa, Evan Vucci/AP, Mikhail Klimentyev/imago images, Thomas Körbel/dpa<br />
Deutschland im Blick:<br />
Trump (l.) und Putin<br />
streiten sich über die<br />
Ostseepipeline.<br />
Berlin im Schwitzkasten<br />
vonTrump und Putin<br />
Deutschland solljetztbeim Großprojekt Ostseepipelineund beim brutalen Agentenmord kuschen<br />
Washington/Moskau – Das hat<br />
es noch nicht einmal im Kalten<br />
Krieg gegeben: Deutschland<br />
ist seit gestern im<br />
Schwitzkasten beider Supermächte.<br />
Die USA wollen die<br />
Pipeline sabotieren, die uns<br />
mit russischem Gas versorgt.<br />
Und Russland wirft deutsche<br />
Diplomaten raus.<br />
Billiges russisches Gas, um im<br />
Winter unsere Wohnzimmer zu<br />
heizen? Der US-Politik ist das<br />
ein Dorn im Auge. Am späten<br />
Mittwochabend holte sie daher<br />
zum großen Schlag aus: Das US-<br />
Repräsentantenhaus hat Sanktionen<br />
gegen Firmen im Zusammenhang<br />
mit der Ostseepipeline<br />
Nord Stream 2auf den Weg gebracht.<br />
Erwartet wird, dass der<br />
Senat das Paket noch vor Beginn<br />
der Sitzungspause Ende nächster<br />
Woche verabschiedet. Das<br />
Weiße Haus hat bereits deutlich<br />
gemacht, dass US-Präsident Donald<br />
Trump das Gesetzespaket<br />
unterzeichnen wird. Auch Turkish<br />
Stream – eine russische<br />
Pipeline, die durch das Schwarze<br />
Meer Gas in die Türkei bringen<br />
soll –wärebetroffen.<br />
Die USA argumentieren, dass<br />
sich Deutschland und Europa<br />
mit der Pipeline in Abhängigkeit<br />
von Russland begeben würden.<br />
Experten sehen einen anderen<br />
Grund: Die USA wollten mit den<br />
Sanktionen den Verkauf ihres<br />
Flüssiggases nach Europa fördern.<br />
Dieses ist bisher nicht<br />
wettbewerbsfähig, weil es teurer<br />
als russisches Gas ist.<br />
„Die EU-Energiepolitik wird<br />
in Europa entschieden, nicht in<br />
den USA“, beklagte Bundesaußenminister<br />
Heiko Maas<br />
(SPD). EU-Handelskommissar<br />
Phil Hogan sagte: „Wir wenden<br />
Steht unter starkem Druck:Die<br />
deutsche Botschaft in Moskau.<br />
uns prinzipiell gegen die Verhängung<br />
von Sanktionen gegen<br />
EU-Unternehmen, die legitime<br />
Geschäfte betreiben.“<br />
Nord Stream 2 kostet rund<br />
10 Milliarden Euro. Die Leitung<br />
wird je zur Hälfte vom russischen<br />
Energieriesen Gazprom<br />
und den fünf europäischen<br />
Unternehmen OMV, Wintershall<br />
Dea, Engie, Uniper und<br />
Shell finanziert. Mehr als<br />
90 Prozent der Strecke sind bereits<br />
fertig. Die Hoffnung ist,<br />
dass die Pipeline schneller fertig<br />
wird, als die Sanktionen rechtlich<br />
in Kraft treten können. Dies<br />
könnte noch etwa zehn Wochen<br />
dauern. Dauern die Bauarbeiten<br />
dann aber noch an, können<br />
gegen Manager der beteiligten<br />
Firmen und deren Hauptaktionäre<br />
Einreiseverboteindie USA<br />
verhängt werden. Bestehende<br />
Visa sollen widerrufen werden.<br />
Vermögen der Betroffenen in<br />
den USA sollen blockiert werden.<br />
Die Ukraine jubelte, schließlich<br />
verdient das Land Geld an<br />
der Durchleitung russischen<br />
Gases durch die jahrzehntealte<br />
Landpipeline. „Gute Nachrichten<br />
aus den USA“, schrieb Regierungschef<br />
Alexej Gontscharuk<br />
am Donnerstag bei Twitter.<br />
Putin indes rächt sich für die<br />
deutsche Aufklärung im <strong>Berliner</strong><br />
Tiergarten-Mord. Ein mutmaßlicher<br />
russischer Agent hatte<br />
dort einen Georgier ermordet.<br />
Berlin hatte daraufhin zwei russische<br />
Botschaftsmitarbeiter<br />
ausgewiesen. Der Kreml warf<br />
nun gestern zwei Deutsche Diplomaten<br />
aus dem Land. Russlands<br />
Präsident hatte den Mord<br />
unlängst indirekt gerechtfertigt<br />
und den Toten einen „Banditen<br />
und Mörder“ genannt. Der<br />
Georgier soll nach seinen Angaben<br />
für einen Anschlag im Kaukasus<br />
mit 98 Toten und für einen<br />
Terrorangriff auf die Moskauer<br />
Metro verantwortlich sein. Man<br />
habe Berlin um Auslieferung gebeten.<br />
Dies wurde dort dementiert.<br />
Gestern bezichtigte Moskau<br />
Berlin indieser Frage der<br />
Lüge. „Es gabsolche Anfragen“,<br />
beteuerte ein Kreml-Sprecher.<br />
Eine totale Konfrontation strebt<br />
Moskau indes nicht an. „Grundsätzlich<br />
ist die Zusammenarbeit<br />
mit Berlin sehr konstruktiv“,<br />
hieß es.