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Berliner Kurier 13.12.2019

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*<br />

POLITIK<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Ein teurer<br />

Egotrip<br />

MANN DESTAGES<br />

Franziskus<br />

Papst Franziskus hat größere<br />

Anstrengungen für eine<br />

friedliche Welt verlangt. In<br />

einer am Donnerstag verbreiteten<br />

Botschaft<br />

zum<br />

Weltfriedenstag<br />

am<br />

1. Januar<br />

forderte er<br />

auch ein gerechteres<br />

Wirtschaftssystem<br />

und<br />

eine „ökologische<br />

Umkehr“.<br />

Er verurteilte zugleich<br />

die Politik der nuklearen Abschreckung.<br />

„Jeder Krieg<br />

entpuppt sich in Wirklichkeit<br />

als Brudermord, der das Projekt<br />

der Brüderlichkeit selbst<br />

zerstört“, sagte Franziskus.<br />

Foto: Andrew Medichini/AP/dpa<br />

Von<br />

Andreas<br />

Niesmann<br />

Drei Dingevorweg.Erstens<br />

ist es Deutschlands<br />

gutes Recht, souverän zu entscheiden,<br />

woher es seine<br />

Energie bezieht. Zweitens ist<br />

es sinnvoll, dabei auf Russlandzusetzen–wegen<br />

der<br />

geografischen Näheund weil<br />

funktionierendeHandelsbeziehungen<br />

ein deeskalierendes<br />

Potenzial in sich tragen.<br />

Drittens ist die Gaspipeline<br />

Nord Stream 2ökonomisch<br />

sinnvoll,schon allein deshalb,<br />

weil sie sich selbst trägt.<br />

Undtrotzdem wäre diese<br />

Röhre besser nie gebautworden.Der<br />

politischeSchaden,<br />

den sie angerichtet hat,überschreitet<br />

ihrenwirtschaftlichenNutzenbei<br />

Weitem.<br />

Deutschland hatsich im Geflecht<br />

der unterschiedlichen<br />

und zum Teilwidersprüchlicheneuropäischen<br />

Interessen<br />

verheddert. Es ist einen<br />

Handelzulastender Ukraine<br />

eingegangen, hatweite Teile<br />

Osteuropas gegen sich aufgebracht.<br />

In Energiefragen ist<br />

die EU von einer einheitlichenPolitikweit<br />

entfernt.<br />

Die Bundesregierung ist dafür<br />

mitverantwortlich. Ihr<br />

Egotrip hat die Europäer<br />

nochtiefer gespalten. Das ist<br />

der wahre Preis, den<br />

Deutschland für Nord Stream<br />

2bezahlt hat. Er ist zu<br />

hoch.<br />

RND-Montage, Fotos: Bernd Wüstneck/dpa, Evan Vucci/AP, Mikhail Klimentyev/imago images, Thomas Körbel/dpa<br />

Deutschland im Blick:<br />

Trump (l.) und Putin<br />

streiten sich über die<br />

Ostseepipeline.<br />

Berlin im Schwitzkasten<br />

vonTrump und Putin<br />

Deutschland solljetztbeim Großprojekt Ostseepipelineund beim brutalen Agentenmord kuschen<br />

Washington/Moskau – Das hat<br />

es noch nicht einmal im Kalten<br />

Krieg gegeben: Deutschland<br />

ist seit gestern im<br />

Schwitzkasten beider Supermächte.<br />

Die USA wollen die<br />

Pipeline sabotieren, die uns<br />

mit russischem Gas versorgt.<br />

Und Russland wirft deutsche<br />

Diplomaten raus.<br />

Billiges russisches Gas, um im<br />

Winter unsere Wohnzimmer zu<br />

heizen? Der US-Politik ist das<br />

ein Dorn im Auge. Am späten<br />

Mittwochabend holte sie daher<br />

zum großen Schlag aus: Das US-<br />

Repräsentantenhaus hat Sanktionen<br />

gegen Firmen im Zusammenhang<br />

mit der Ostseepipeline<br />

Nord Stream 2auf den Weg gebracht.<br />

Erwartet wird, dass der<br />

Senat das Paket noch vor Beginn<br />

der Sitzungspause Ende nächster<br />

Woche verabschiedet. Das<br />

Weiße Haus hat bereits deutlich<br />

gemacht, dass US-Präsident Donald<br />

Trump das Gesetzespaket<br />

unterzeichnen wird. Auch Turkish<br />

Stream – eine russische<br />

Pipeline, die durch das Schwarze<br />

Meer Gas in die Türkei bringen<br />

soll –wärebetroffen.<br />

Die USA argumentieren, dass<br />

sich Deutschland und Europa<br />

mit der Pipeline in Abhängigkeit<br />

von Russland begeben würden.<br />

Experten sehen einen anderen<br />

Grund: Die USA wollten mit den<br />

Sanktionen den Verkauf ihres<br />

Flüssiggases nach Europa fördern.<br />

Dieses ist bisher nicht<br />

wettbewerbsfähig, weil es teurer<br />

als russisches Gas ist.<br />

„Die EU-Energiepolitik wird<br />

in Europa entschieden, nicht in<br />

den USA“, beklagte Bundesaußenminister<br />

Heiko Maas<br />

(SPD). EU-Handelskommissar<br />

Phil Hogan sagte: „Wir wenden<br />

Steht unter starkem Druck:Die<br />

deutsche Botschaft in Moskau.<br />

uns prinzipiell gegen die Verhängung<br />

von Sanktionen gegen<br />

EU-Unternehmen, die legitime<br />

Geschäfte betreiben.“<br />

Nord Stream 2 kostet rund<br />

10 Milliarden Euro. Die Leitung<br />

wird je zur Hälfte vom russischen<br />

Energieriesen Gazprom<br />

und den fünf europäischen<br />

Unternehmen OMV, Wintershall<br />

Dea, Engie, Uniper und<br />

Shell finanziert. Mehr als<br />

90 Prozent der Strecke sind bereits<br />

fertig. Die Hoffnung ist,<br />

dass die Pipeline schneller fertig<br />

wird, als die Sanktionen rechtlich<br />

in Kraft treten können. Dies<br />

könnte noch etwa zehn Wochen<br />

dauern. Dauern die Bauarbeiten<br />

dann aber noch an, können<br />

gegen Manager der beteiligten<br />

Firmen und deren Hauptaktionäre<br />

Einreiseverboteindie USA<br />

verhängt werden. Bestehende<br />

Visa sollen widerrufen werden.<br />

Vermögen der Betroffenen in<br />

den USA sollen blockiert werden.<br />

Die Ukraine jubelte, schließlich<br />

verdient das Land Geld an<br />

der Durchleitung russischen<br />

Gases durch die jahrzehntealte<br />

Landpipeline. „Gute Nachrichten<br />

aus den USA“, schrieb Regierungschef<br />

Alexej Gontscharuk<br />

am Donnerstag bei Twitter.<br />

Putin indes rächt sich für die<br />

deutsche Aufklärung im <strong>Berliner</strong><br />

Tiergarten-Mord. Ein mutmaßlicher<br />

russischer Agent hatte<br />

dort einen Georgier ermordet.<br />

Berlin hatte daraufhin zwei russische<br />

Botschaftsmitarbeiter<br />

ausgewiesen. Der Kreml warf<br />

nun gestern zwei Deutsche Diplomaten<br />

aus dem Land. Russlands<br />

Präsident hatte den Mord<br />

unlängst indirekt gerechtfertigt<br />

und den Toten einen „Banditen<br />

und Mörder“ genannt. Der<br />

Georgier soll nach seinen Angaben<br />

für einen Anschlag im Kaukasus<br />

mit 98 Toten und für einen<br />

Terrorangriff auf die Moskauer<br />

Metro verantwortlich sein. Man<br />

habe Berlin um Auslieferung gebeten.<br />

Dies wurde dort dementiert.<br />

Gestern bezichtigte Moskau<br />

Berlin indieser Frage der<br />

Lüge. „Es gabsolche Anfragen“,<br />

beteuerte ein Kreml-Sprecher.<br />

Eine totale Konfrontation strebt<br />

Moskau indes nicht an. „Grundsätzlich<br />

ist die Zusammenarbeit<br />

mit Berlin sehr konstruktiv“,<br />

hieß es.

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