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Berliner Zeitung 13.12.2019

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2 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 290 · F reitag, 13. Dezember 2019<br />

·························································································································································································································································································<br />

Tagesthema<br />

Breitscheidplatz<br />

Unterschlug das BKA<br />

wichtige Hinweise?<br />

Unter<br />

vier<br />

Augen<br />

VonMarkus Decker<br />

Monatelang wussten deutsche Behörden, dass Anis Amri einen Anschlag plante. Doch sie griffen nicht ein.<br />

DPA/BERND VON JUTRCZENKA<br />

Im Untersuchungsausschuss<br />

des Bundestages zum Anschlag<br />

auf dem <strong>Berliner</strong> Breitscheidplatz<br />

am 19. Dezember 2016<br />

verdichten sich die Hinweise, dass<br />

dessenVerhinderung unter anderem<br />

am Bundeskriminalamt (BKA) gescheitert<br />

ist. Dies legt die Vernehmung<br />

des Oberstaatsanwalts beim<br />

Bundesgerichtshof in Karlsruhe,<br />

Dieter Killmer, am Donnerstag<br />

ebenso nahe wie jetzt bekannt gewordene<br />

E-Mails.<br />

Ein Ermittler des Landeskriminalamtes<br />

(LKA) Nordrhein-Westfalen<br />

hatte im Ausschuss Ende November<br />

erklärt, ein BKA-Beamter habe<br />

ihm am Rande einer Dienstbesprechung<br />

am 23. Februar 2016 in einem<br />

Vier-Augen-Gespräch gesagt, ein<br />

Vorgesetzter und das Bundesinnenministerium<br />

wollten, dass ein in der<br />

Islamisten-Szene aktiver V-Mann<br />

„aus dem Spiel genommen“ werde.<br />

Der V-Mann hatte offenbar intime<br />

Kenntnisse der Szene und lieferte<br />

dem LKA über Monate hinweg Informationen<br />

zu dem Wunsch des Tunesiers<br />

Anis Amri, einen Anschlag zu<br />

begehen, sowie zu Aktivitäten weiterer<br />

radikaler Islamisten aus der<br />

Gruppe um den Hassprediger Abu<br />

Walaa aus Hildesheim, der derzeit in<br />

Celle vor Gericht steht. Das BKA<br />

stellte den V-Mann gleichwohl als<br />

unglaubwürdig dar.<br />

Das Bundesinnenministerium<br />

hat der Darstellung des nordrheinwestfälischen<br />

LKA-Ermittlers zwar<br />

im Anschluss an dessen Vernehmung<br />

widersprochen. Der jetzt ins<br />

Zwielicht geratene BKA-Beamte<br />

selbst führte in einer dienstlichen Erklärung<br />

aus, dieses „Vier-Augen-Gespräch<br />

fand nicht statt“. Und: „Ich<br />

habe keine Aussagen getätigt, die<br />

den Schluss zulassen könnten, dass<br />

das Ergebnis der Bewertung von einem<br />

vorgesetzten Beamten oder einer<br />

vorgesetzten Dienststelle festgelegt<br />

oder vorgegeben worden sei.“<br />

Später relativierte er dies und sagte,<br />

es sei denkbar, dass ein Gespräch<br />

stattgefunden habe.<br />

Killmer stützte in der Ausschuss-<br />

Sitzung am Donnerstag die Darstellung<br />

des LKA-Beamten aus Nordrhein-Westfalen.<br />

Er kenne diesen<br />

seit Jahren als engagiert, kenntnisreich<br />

und persönlich integer, sagte<br />

der Oberstaatsanwalt aus Karlsruhe<br />

– als Ausnahmeerscheinung, die<br />

nicht so schnell locker lasse. „Ich<br />

persönlich habe keinen Zweifel<br />

daran, dass es diesesVier-Augen-Gespräch<br />

gegeben hat.“ Schließlich<br />

habe der Ermittler nicht nur ihm,<br />

sondern auch mehreren anderen<br />

Kollegen darüber berichtet und sei<br />

wegen der Schwere des Vorgangs<br />

entsprechend erbost gewesen.<br />

Außerdem hätte er damals –lange<br />

vordem Anschlag –wohl keinen Anlass<br />

gehabt, dieses vertrauliche Gespräch<br />

zu erfinden. Killmer äußerte<br />

ferner Respekt für den V-Mann, den<br />

er für „grundsätzlich glaubhaft“ gehalten<br />

und der sich durch seine V-<br />

Mann-Tätigkeit Gefahren ausgesetzt<br />

habe –„für uns alle“.<br />

DerV-Mann hatte recht<br />

Der Oberstaatsanwalt betonte zwar<br />

grundsätzlich: „Gefährdungsbewertung<br />

ist ein sehr heikles Geschäft, bei<br />

dem man im Grunde genommen<br />

nur verlieren kann.“ Sowohl, wenn<br />

es zu einem Anschlag komme, als<br />

auch, wenn es nicht dazu komme.Er<br />

stimmte jedoch der Anmerkung des<br />

SPD-Obmanns Fritz Felgentreu zu,<br />

der sagte, hätte das BKA seinerzeit<br />

auf den V-Mann gehört, dann wären<br />

die Chancen sehr viel größer gewesen,<br />

den Anschlag auf dem Breitscheidplatz<br />

zu verhindern.„Rückblickend<br />

betrachtet ist das so“, sagte<br />

Killmer. Die Einschätzung des V-<br />

Manns habe sich „voll bestätigt“.<br />

Der Eindruck, dass das BKA damals<br />

wie auch heute etwas vertuschte,<br />

wird erhärtet durch E-Mails<br />

vom Tag nach der Dienstbesprechung<br />

am 23. Februar 2016. „Es ist<br />

wirklich insgesamt eine Frechheit<br />

und hochgradig unprofessionell, wie<br />

NRW hier agiert“, schrieb ein BKA-<br />

Beamter am 24. Februar an vier Kollegen.<br />

Denn diese hätten Amri als<br />

„Gefährder“ eingestuft – also als<br />

jemanden, dem ein Anschlag zuzutrauen<br />

ist –und drängten auf eine<br />

intensive Überwachung des Tunesiers.<br />

MitanderenWorten: DasBKA unternahm<br />

augenscheinlich den massiven<br />

Versuch, die Glaubwürdigkeit<br />

desV-Mannes und die Gefährlichkeit<br />

Amris herunter zu spielen –und das<br />

ohne bisher ersichtlichen Grund.<br />

Unklar ist, ob der damalige Bundesinnenminister<br />

Thomas de Maizière<br />

(CDU) in dem Zusammenhang eine<br />

Rolle spielte.<br />

Amrihatte am 19. Dezember 2016<br />

einen Lastwagenfahrer erschossen<br />

und war mit dessen Fahrzeug über<br />

denWeihnachtsmarkt auf dem <strong>Berliner</strong><br />

Breitscheidplatz gerast. Insgesamt<br />

tötete er zwölf Menschen. Nach<br />

seiner Flucht wurde er in Italien von<br />

der Polizei erschossen.<br />

Über Anis Amri wussten alle viel.<br />

Doch niemand fügte die Hunderte<br />

Mosaikstein-Fakten über den<br />

Tunesier zu einem Bild. Nicht die<br />

Verfassungsschutz-Ämter, nicht der<br />

Bundesnachrichtendienst oder das<br />

Bundeskriminalamt, die Landeskriminalämter<br />

Berlins, Nordrhein-<br />

Westfalens und Baden-Württembergs.<br />

Und auch nicht die Verwaltungen<br />

etlicher Kommunen, wo<br />

Amri mit mindestens 14 verschiedenen<br />

Identitäten Asyl beantragt und<br />

Geld kassierthatte.<br />

Eigentlich hatten Behörden Amri<br />

schon seit dessen Einreise nach Europa<br />

im Jahr 2011 auf dem Schirm.<br />

Doch verloren sie ihn angesichts des<br />

Flickenteppichs von Zuständigkeiten<br />

immer wieder aus den Augen.<br />

Amri, der sich bereits kurz nach seiner<br />

Einreise nach Deutschland im<br />

„Da wurde alles falsch gemacht, was man falsch machen kann“<br />

Jahr 2015 auf ein länderübergreifendes<br />

islamistisches Netzwerk stützen<br />

konnte, arbeitete von Anfang an auf<br />

einen Anschlag hin. Er war agiler<br />

und mobiler als die vielen Behörden,<br />

denen er hier und da unterkam.<br />

Kurz nach seiner Ankunft in<br />

Nordrhein-Westfalen nahm er Kontakt<br />

zum Dschihadisten-Netzwerk<br />

des Hasspredigers AbuWalaa in Hildesheim<br />

auf. Die Polizei ermittelte<br />

gegen ihn, doch ohne Ergebnis.<br />

Im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum<br />

vonBund und Ländernwar<br />

er mehrmals Thema. Dass er einen<br />

Anschlag plante, hielten die Beamten<br />

für unwahrscheinlich.<br />

Das Bundesamt für Verfassungsschutz<br />

schickte im Januar 2016 ein<br />

Behördenzeugnis an die Landeskriminalämter<br />

Berlin und Düsseldorf<br />

und ans BKA. Amri wolle sich<br />

Gedenkstätte für die Opfer des Anschlags<br />

Chronik des Versagens<br />

IMAGO STOCK&PEOPLE<br />

Schnellfeuergewehre besorgen für<br />

einen Terroranschlag. Er lebte inzwischen<br />

in Berlin. Das <strong>Berliner</strong> LKA<br />

hörte nach einigen Monaten aber<br />

auf, ihn zu observieren. DieFahnder<br />

hatten festgestellt, dass Amrisich als<br />

Drogendealer betätigte. Das passte<br />

nicht ins Bild eines überzeugten<br />

Dschihadisten. In einem internen<br />

LKA-Bericht wurde aus dem banden-<br />

und gewerbsmäßigen Dealer<br />

ein Kleindealer. Wäre er intensiver<br />

observiert worden, dann hätte man<br />

ihn wegen gewerbsmäßigen Drogenhandels<br />

möglicherweise in Haft<br />

nehmen können, wie der später von<br />

Berlin eingesetzte Sonderermittler<br />

BrunoJost 2017 sagte.<br />

Noch heute decken Untersuchungsausschüsse<br />

monatlich neue<br />

Pannen auf: Auf Amris Handy, das<br />

Anfang 2016 beschlagnahmt wurde,<br />

übersahen Fahnder Fotos,auf denen<br />

er mit einer Schusswaffe posierte.Als<br />

Polizisten ihn in Friedrichshafen an<br />

der Schweizer Grenze mit falschen<br />

Papieren bei der versuchten Ausreise<br />

festsetzten, wurden sie nicht stutzig.<br />

Wegen der Verwendung falscher<br />

Pässe hätte er in Haft genommen<br />

werden können.<br />

Weitgehend folgenlos blieben<br />

auch Warnungen des marokkanischen<br />

Geheimdienstes, dass Amri<br />

Kontakt zur Terrormiliz IS habe. Mit<br />

Blick auf die Landeskriminalämter<br />

Berlin, NRW und Baden-Württembertg<br />

sagte Sonderermittler Jost später:<br />

„Da wurde alles falsch gemacht,<br />

was man falsch machen kann.“<br />

Es bleibt spannend, was noch alles<br />

herauskommt. Denn dass Amri<br />

den Terroranschlag allein verübte,<br />

glauben nur noch wenige. (kop.)<br />

BERLIN UND BRANDENBURG WETTERLAGE R EISEWETTER<br />

Heute schieben sich zwischendurch auch einige Wolken vor die Sonne.<br />

Dabei werden 3bis 5Grad erwartet, und der Wind weht schwach bis<br />

mäßig aus südöstlichen Richtungen. In der Nacht fallen die Tiefstwerte<br />

auf 3bis 0Grad. Dazu regnet esvielerorts bei bedecktem Himmel.<br />

Biowetter: Das allgemeine Wohlbefinden<br />

wird auf die Probe gestellt.<br />

Schwindelgefühle und Kopfschmerzen<br />

sind keine Seltenheit. Auch Migräneattacken<br />

machen des Öfteren 0°/4°<br />

Wittenberge<br />

zu schaffen.<br />

<strong>Berliner</strong> Luft: gestrige Höchstwerte<br />

um 13 Uhr: Ozon: 9µg/m 3 ;<br />

Stickstoffdioxid: 31 µg/m 3 ;<br />

Schwebstaub: 22 µg/m 3 ;<br />

Luftfeuchtigkeit: 94%<br />

Gefühlte Temperatur: maximal 0Grad.<br />

Wind: schwach aus Südost.<br />

Min./Max.<br />

des 24h-Tages<br />

Brandenburg BERLIN<br />

0°/5° 0°/4°<br />

Luckenwalde<br />

-1°/4°<br />

Sonnabend<br />

Sonntag<br />

Montag<br />

Regen Regen wolkig<br />

2°/7° 2°/9° 2°/7°<br />

Prenzlau<br />

0°/3°<br />

Cottbus<br />

-1°/4°<br />

Frankfurt<br />

(Oder)<br />

-1°/5°<br />

Ein Tief liegt über der südlichen Nordsee und dem westlichen Mitteleuropa. Es<br />

schiebt milde Meeresluft mit Regen ostwärts, die dabei auf kältere Luft prallt.<br />

Im Übergangsbereich dieser Luftmassen kommt es zu Schneeregen oder gefrierender<br />

Nässe, nach Osten hin und im Bergland zuleichten Schneefällen.<br />

Köln<br />

3°/7°<br />

Sylt<br />

1°/3°<br />

Saarbrücken<br />

2°/5°<br />

Hannover<br />

1°/4°<br />

Konstanz<br />

0°/4°<br />

Hamburg<br />

2°/3°<br />

Erfurt<br />

-1°/3°<br />

Frankfurt/Main<br />

1°/6°<br />

Stuttgart<br />

1°/6°<br />

Rostock<br />

0°/3°<br />

Magdeburg<br />

0°/6°<br />

Nürnberg<br />

-1°/4°<br />

München<br />

-1°/6°<br />

Rügen<br />

1°/3°<br />

Dresden<br />

-1°/3°<br />

Deutschland: Heute wird eswinterlich<br />

nasskalt mit zeitweiligem Regen<br />

oder Schneeregen, und die Temperaturen<br />

klettern amTage auf 3bis<br />

7Grad. Nachts sinken die Werte<br />

dann auf 4bis minus 2Grad. Der<br />

Wind weht mäßig aus südöstlichen<br />

Richtungen. Morgen fällt teilweise<br />

Regen aus dichten Wolken. Die<br />

Höchsttemperaturen liegen bei 7bis<br />

10 Grad, und der Wind weht mancherorts<br />

mit Sturmböen aus Südwest.<br />

Meerestemperaturen:<br />

Ostsee: 5°-8°<br />

Nordsee: 6°-9°<br />

Mittelmeer: 13°-23°<br />

Ost-Atlantik: 10°-16°<br />

Mondphasen: 19.12. 26.12. 03.01. 10.01.<br />

Sonnenaufgang: 08:08 Uhr Sonnenuntergang: 15:52 Uhr Mondaufgang: 17:04 Uhr Monduntergang: 09:14 Uhr<br />

Lissabon<br />

17°<br />

Las Palmas<br />

17°<br />

Madrid<br />

16°<br />

Reykjavik<br />

-10°<br />

Dublin<br />

7°<br />

London<br />

8°<br />

Paris<br />

10°<br />

Bordeaux<br />

15°<br />

Palma<br />

20°<br />

Algier<br />

21°<br />

Nizza<br />

16°<br />

Trondheim<br />

4°<br />

Oslo<br />

2°<br />

Stockholm<br />

5°<br />

Kopenhagen<br />

7°<br />

Berlin<br />

4°<br />

Mailand<br />

4°<br />

Tunis<br />

17°<br />

Rom<br />

11°<br />

Warschau<br />

6°<br />

Wien<br />

3° Budapest<br />

6°<br />

Palermo<br />

14°<br />

Kiruna<br />

-1°<br />

Oulu<br />

1°<br />

Dubrovnik<br />

15°<br />

Athen<br />

17°<br />

St. Petersburg<br />

3°<br />

Wilna<br />

3°<br />

Kiew<br />

2°<br />

Odessa<br />

9°<br />

Varna<br />

12°<br />

Istanbul<br />

16°<br />

Iraklio<br />

18°<br />

Archangelsk<br />

-1°<br />

Moskau<br />

1°<br />

Ankara<br />

10°<br />

Antalya<br />

15°<br />

Acapulco 32° wolkig<br />

Bali 28° Gewitter<br />

Bangkok 31° heiter<br />

Barbados 28° heiter<br />

Buenos Aires 25° heiter<br />

Casablanca 20° sonnig<br />

Chicago 4° bewölkt<br />

Dakar 29° heiter<br />

Dubai 25° wolkig<br />

Hongkong 22° heiter<br />

Jerusalem 12° sonnig<br />

Johannesburg 29° heiter<br />

Kairo 19° heiter<br />

Kapstadt 28° heiter<br />

Los Angeles 20° sonnig<br />

Manila 32° heiter<br />

Miami 27° bedeckt<br />

Nairobi 29° wolkig<br />

Neu Delhi 20° Gewitter<br />

New York 11° Regen<br />

Peking 8° wolkig<br />

Perth 41° sonnig<br />

Phuket 32° heiter<br />

Rio de Janeiro 33° wolkig<br />

San Francisco 15° bedeckt<br />

Santo Domingo 28° heiter<br />

Seychellen 30° wolkig<br />

Singapur 32° heiter<br />

Sydney 21° bedeckt<br />

Tokio 10° bewölkt<br />

Toronto 4° bedeckt

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