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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 290 · F reitag, 13. Dezember 2019 – S eite 9<br />
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Dokumentation<br />
Marianne Birthler,die frühere Leiterin<br />
der Stasi-Unterlagen-Behörde<br />
Ilko-Sascha Kowalczuk,<br />
Historiker<br />
BLZ/PONIZAK; IMAGO IMAGES<br />
Liebe<br />
Leserinnen,<br />
liebe Leser,<br />
Berlin, den 10. Dezember 2019<br />
HerrnJochen Arntz<br />
Chefredakteur der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Herr Elmar Jehn<br />
Chefredakteur <strong>Berliner</strong> Kurier<br />
I<br />
die Redaktion der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
hat sich in den vergangenen drei<br />
Jahrzehnten immer wieder sehr<br />
ernsthaft und unabhängig mit der<br />
DDR-Vergangenheit und deren Aufarbeitung<br />
beschäftigt. Als vorknapp<br />
vier Wochen bekannt wurde, dass<br />
auch der neue Eigentümer des <strong>Berliner</strong><br />
Verlags Stasi-Kontakte hatte,<br />
haben wir eine unabhängige Untersuchung<br />
auch dieser Vorgänge angekündigt.<br />
DieRedaktion konnte die frühere<br />
Leiterin der Stasi-Unterlagen-Behörde,<br />
Marianne Birthler, und den<br />
Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk für<br />
die Analyse der Akten gewinnen. Der<br />
Redaktion war es wichtig, dass den<br />
beiden unabhängigen Experten<br />
beide Akten vorliegen. Dies ist geschehen.<br />
Holger Friedrich stellte sowohl<br />
seine sogenannte Täterakte als<br />
auch die sogenannte Opferakte zur<br />
Verfügung. Letztere konnte nur mit<br />
seinem Einverständnis freigegeben<br />
werden, dieses hat Friedrich erteilt.<br />
Er hat die sogenannte Opferakte, als<br />
sie vorlag, Kowalczuk und Birthler<br />
persönlich zur Einsicht übergeben.<br />
Nun liegt der Bericht der unabhängigen<br />
Experten vor, und die Redaktion<br />
der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> dokumentiert<br />
ihn. In einem Brief an die<br />
Chefredakteur, den Birthler und Kowalczuk<br />
ihrer Analyse voranstellen,<br />
schreiben sie:„Absichtlich haben wir<br />
darauf verzichtet, den sich aus den<br />
Unterlagen ergebenden Befund politisch<br />
oder moralisch zu bewerten<br />
und ihm damit quasi ein Etikett zu<br />
verpassen. Alle, die sich die Mühe<br />
machen, werden auf der Grundlage<br />
der vorliegenden Erläuterungen zu<br />
ihren eigenen Einschätzungen kommen.<br />
Diese werden wahrscheinlich<br />
unterschiedlich ausfallen: Wieinanderen<br />
Fällen spielt hier nicht nur die<br />
Aktenlage eine Rolle, sondern auch<br />
Grundhaltungen zum Thema DDR-<br />
Aufarbeitung und die Frage des Umgangs<br />
mit der Angelegenheit in den<br />
zurückliegenden drei Jahrzehnten.“<br />
Die Redaktion bedankt sich ausdrücklich<br />
bei Marianne Birthler und<br />
Ilko-Sascha Kowalczuk für ihre Arbeit,<br />
die sie ehrenamtlich und unabhängig<br />
geleistet haben.<br />
Die<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> und der <strong>Berliner</strong><br />
Kurier werden diesen Bericht<br />
und seine Ergebnisse darüber hinaus<br />
zum Anlass nehmen, in den<br />
kommenden Tagen und Wochen das<br />
Thema einer adäquaten Aufarbeitung<br />
der DDR-Geschichte publizistisch<br />
und mit Diskussions-Veranstaltungen<br />
zu begleiten.<br />
Herzlich, Jochen Arntz,<br />
Chefredakteur der <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong><br />
Elmar Jehn,<br />
Chefredakteur des <strong>Berliner</strong> Kuriers<br />
Sehr geehrter Herr Arntz,<br />
sehr geehrter Herr Jehn,<br />
Gern waren wir auf Ihre Bitte hin bereit, die „<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>“ und den „<strong>Berliner</strong> Kurier“<br />
dabei zu unterstützen, die Kontakte des Verlegers Holger Friedrich zum „Ministerium für<br />
Staatssicherheit“ (MfS) auf der Grundlage der uns zurVerfügung gestellten Unterlagen zu<br />
analysieren. Damit, dass wir dies unentgeltlich und ohne Vertraggetan haben, zuvor nie<br />
Kontakt zu HerrnFriedrich hatten und außer als gelegentliche Leser Ihrer<strong>Zeitung</strong>en auch<br />
in keiner sonstigen Beziehung zum <strong>Berliner</strong>Verlag stehen, waren dieVoraussetzungen für<br />
eine unabhängige Expertise gegeben. Zudem gab es zwischen Ihnen und uns keinerlei<br />
einschränkende Absprachen.<br />
Diezweite Voraussetzung war,dass wir uneingeschränkten Zugang zu jenen Unterlagen<br />
erhalten, die Sieals Redaktion und Herr Friedrich als Antragsteller auf persönliche Akteneinsicht<br />
vom BStU zur Einsicht vorgelegt bekamen. Dies war wichtig, weil erst die vollständige<br />
Sichtung dieser Unterlagen eine angemessene Beurteilung erlaubt. Diese Akteneinsicht<br />
ist erfolgt.<br />
In der Anlage übermitteln wir Ihnen unsere Analyse. Der Umfang der Expertise ist dem<br />
Bemühen geschuldet, einen komplizierten Sachverhalt so zu beschreiben, dass auch<br />
Nicht-Fachleute ihn verstehen können. Außerdem haben wir in derVergangenheit viel zu<br />
oft erfahren müssen, dass verkürzte Darstellungen zu pauschalen und vorschnellen Verurteilungen<br />
bzw.Entlastungen führen.<br />
Absichtlich haben wir darauf verzichtet, den sich aus den Unterlagen ergebenden Befund<br />
politisch oder moralisch zu bewerten und ihm damit quasi ein Etikett zu verpassen. Alle,<br />
die sich die Mühe machen, werden auf der Grundlage der vorliegenden Erläuterungen zu<br />
ihren eigenen Einschätzungen kommen. Diese werden wahrscheinlich unterschiedlich<br />
ausfallen: Wie inanderen Fällen spielt hier nicht nur die Aktenlage eine Rolle, sondern<br />
auch Grundhaltungen zum Thema DDR-Aufarbeitung und die Frage des Umgangs mit<br />
der Angelegenheit in den zurückliegenden drei Jahrzehnten.<br />
Wirmöchten abschließend unseren Respekt gegenüber den Redaktionen zum Ausdruck<br />
bringen, die in einer schwierigen Situation versucht haben, trotz bestehender Abhängigkeitsverhältnisse<br />
so unabhängig wie irgend möglich vorzugehen und vorallem den Leserinnen<br />
undLeserndie Möglichkeit zu geben, sich ein eigenes Urteil zu bilden.<br />
Angesichts des überregionalen Interesses, umder Transparenz willen und schließlich<br />
auch, um letzte Zweifel auszuräumen, dass die Redaktionen der „<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong>“ und<br />
des „<strong>Berliner</strong> Kuriers“ mit der Veröffentlichung interessengeleitete Ziele verfolgen oder<br />
nur Ausschnitte publizieren könnten, haben wir die Robert-Havemann-Gesellschaft gebeten,<br />
diesen Brief und die Anlage zeitgleich auf ihrer Website (http://www.havemanngesellschaft.de/Aktuelles)<br />
zu veröffentlichen.<br />
Mitfreundlichen Grüßen<br />
Marianne Birthler<br />
Dr.Ilko-Sascha Kowalczuk