AUTOINSIDE Ausgabe 01 – Januar 2020
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AUTO-SALON<br />
Automessen im Dilemma<br />
Sind Messen dem Tod geweiht?<br />
Ob die IAA in Frankfurt oder die Auto Shows in Tokio und Los Angeles: Internationale Automessen bekunden Mühe, das<br />
nötige Publikums- und Herstellerinteresse zu generieren. Wie die Autokonzerne, die sich zu Mobilitätsunternehmen entwickeln,<br />
sind auch Messen einer Transformation unterworfen und müssen sich selbst neu erfinden. Jürg A. Stettler<br />
Die gesamte Palette an einer Automesse zu zeigen, ist nicht mehr so entscheidend für die Hersteller. Wichtiger werden das Erlebnis und der emotionale Kundenkontakt.<br />
Die 68. <strong>Ausgabe</strong> der IAA in Frankfurt, einer<br />
der weltweit bedeutendsten Leitmessen im<br />
Mobilitätsbereich, konnte im September 2<strong>01</strong>9<br />
noch 560 000 Besucher und 838 Aussteller anlocken<br />
<strong>–</strong> beides langjährige Tiefstände. Auch<br />
andere Automessen wie etwa die Detroit Motor<br />
Show, der Pariser Autosalon oder die Tokyo<br />
Motor Show stecken seit längerem in der Krise.<br />
Genau wie die Autoindustrie selbst müssen<br />
sich die Messen wandeln, zu umfassenden<br />
Mobilitätsplattformen werden oder einen stärkeren<br />
Eventcharakter erhalten, um für die Zukunft<br />
gerüstet zu sein. Denn neben einer klassischen<br />
Messe mit Kongressangeboten verlangt<br />
die internationale Autoindustrie immer öfters<br />
nach grosszügigeren Flächen inklusive Teststrecken<br />
und Parcours für ihre Produkte. So<br />
sollen die Besucherinnen und Besucher die<br />
Möglichkeit erhalten, beispielsweise automatisiert<br />
fahrende Autos mit alternativen Antrieben<br />
oder neue Mobilitätsangebote während<br />
der Messe gleich selbst und hautnah zu erleben.<br />
Die 90. Auflage der GIMS macht es vom<br />
5. bis 15. März <strong>2020</strong> mit der «GIMS Discovery»<br />
vor. Dort haben die Besucherinnen und Besucher<br />
auf einem 456 Meter langen Rundkurs<br />
die Möglichkeit einer zehnminütigen Probefahrt<br />
am Steuer eines Fahrzeugs mit alternati-<br />
vem Antrieb (Elektro, Hybrid, Erdgas und Wasserstoff).<br />
Ähnliches wünscht sich die deutsche<br />
Autoindustrie auch von der IAA in zwei Jahren.<br />
Mit einem komplett neuen Konzept wollen<br />
die Hersteller wieder näher an die Käuferinnen<br />
und Käufer ihrer Fahrzeuge und Dienstleistungen<br />
heranrücken. Daher ist längst nicht sicher,<br />
ob die Traditionsmesse auch 2021 wieder in<br />
Frankfurt stattfindet. Der Verband der deutschen<br />
Automobilindustrie (VDA) hat eine Ausschreibung<br />
für mögliche neue Austragungsorte<br />
gestartet. Die Städte Berlin, München, Köln,<br />
Hamburg, Hannover und Stuttgart interessieren<br />
sich genauso dafür wie der bisherige Veranstaltungsort<br />
Frankfurt.<br />
«Wir wollen, dass sich die IAA von einer Autoshow<br />
auf einem abgeschlossenen Messegelände<br />
zu einem Ort entwickelt, an welchem die<br />
Mobilität der Zukunft für alle erlebbar und anfassbar<br />
wird», verlangte etwa ein VW-Sprecher.<br />
«In welcher Stadt das am besten möglich sein<br />
wird, wird jetzt im Zuge einer transparenten<br />
Ausschreibung geprüft.» Und Opel-Chef Michael<br />
Lohscheller hielt nach der IAA 2<strong>01</strong>9 fest,<br />
dass ihm der Messestand seiner Marke eigentlich<br />
zu teuer sei, für ein paar Gespräche mit<br />
Journalisten und er die Messe wieder mehr zur<br />
Direktvermarktung nutzen wolle. Branchenexperte<br />
Stefan Bratzel vom Center of Automotive<br />
Management glaubt, dass es den heutigen Kunden<br />
an den Messen nicht mehr nur um schönes<br />
Blech geht, das sie unbedingt besitzen wollen.<br />
«Der Fokus hat sich verschoben. Das Auto<br />
ist nur eine Mobilitätsmöglichkeit unter vielen.<br />
Es geht nicht mehr um die klassischen Werte<br />
wie Leistung, PS oder Grösse. Es geht eher<br />
ums Thema: Wie vernetzt sind die Fahrzeuge?»,<br />
erklärte der Referent am «Tag der Schweizer<br />
Garagisten» 2<strong>01</strong>9 gegenüber dem Hessischen<br />
Rundfunk. Und beim Thema Vernetzung und<br />
technische Innovationen hätten traditionelle<br />
Automessen eine geringere Bedeutung als andere<br />
Events. «Da überlegt sich der eine oder andere<br />
Hersteller, ob es sich für ihn noch lohnt,<br />
die enormen <strong>Ausgabe</strong>n für beispielsweise eine<br />
IAA in Kauf zu nehmen», analysiert Stefan<br />
Bratzel nüchtern. Der Experte prophezeit zudem,<br />
dass der Platz, um Autos auszustellen,<br />
grundsätzlich schrumpfen werde: «Es ist nicht<br />
mehr notwendig, jedes einzelne Modell zu präsentieren.»<br />
Es werde wichtiger, neuen Themen<br />
wie Mobilitätsdienstleistungen oder autonomem<br />
Fahren mehr Raum zu geben. Die Neuerfindung<br />
der Mobilität müsse sich auch in einer<br />
Automesse widerspiegeln.<br />
Fortsetzung Seite 50<br />
<strong>AUTOINSIDE</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2020</strong>49