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Berliner Zeitung 24.01.2020

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14 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 20 · F reitag, 24. Januar 2020<br />

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Berlin<br />

Ein Verkehrszeichen, das Kraftfahrer gernsehen: Hier darf geparkt werden. Doch in Berlin sollen immer mehr Parkplätze gebührenpflichtig werden.<br />

BERLINER ZEITUNG/ MARKUS WÄCHTER<br />

Teurer parken in Berlin<br />

Im Frühjahr will der Senat die Tarife auf bis zu vier Euro pro Stunde erhöhen. WeitereParkzonen sind vorgesehen –aberder Zeitplan lässt sich wohl nicht halten<br />

VonPeter Neumann<br />

Wer sein Auto in Berlin<br />

auf öffentlichem Straßenland<br />

abstellen will,<br />

muss dafür bald mehr<br />

Geld bezahlen. Die Änderung der<br />

Parkgebührenordnung, die der Senat<br />

im vergangenen Jahr angekündigt<br />

hatte, soll im zweiten Quartal<br />

dieses Jahres beschlossen werden.<br />

Das hat Hartmut Reupke, Abteilungsleiter<br />

in der Senatsverwaltung<br />

für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz,<br />

am Rande einer Veranstaltung<br />

des Deutschen Instituts für Urbanistik<br />

(Difu) angekündigt. „Die<br />

vorerst letzte Erhöhung hatte es 2006<br />

gegeben“, sagte er.Gemessen an anderen<br />

Städten sei das Parken in Berlin<br />

verhältnismäßig preiswert.<br />

Die Gebühren sind unterschiedlich<br />

hoch –jenachdem, wie groß die<br />

Bezirke den Parkdruck einschätzen.<br />

Wo eine Stunde Parken derzeit einen<br />

Euro kostet, werden dann zwei Euro<br />

fällig. Der Zwei-Euro-Tarif wird auf<br />

drei Euro angehoben.Wo wegen großen<br />

Andrangs heute drei Euro pro<br />

Stunde verlangt werden, verteuert<br />

sich das Parken auf vier Euro.<br />

Dass die Parkgebühren steigen,<br />

war absehbar. ImLuftreinhalteplan,<br />

der im vergangenen Jahr verabschiedet<br />

wurde,ist voneiner Anhebung die<br />

Rede. Wenn das Parken Geld kostet,<br />

trage dass dazu bei, dass Autofahrten<br />

reduziert und umweltfreundlichere<br />

Fortbewegungsarten genutzt werden,<br />

heißt es darin. Berlins oberster<br />

Verkehrsplaner Reupke formulierte<br />

es so: „Parkraumbewirtschaftung ist<br />

ein Instrument, um das Verkehrsverhalten<br />

zu ändern“ –und der Atemluft<br />

Belastungen zu ersparen sowie die<br />

Verkehrswende voranzubringen.<br />

Ausländische Gäste wundernsich<br />

„Das Maßnahmenpaket Parkraumbewirtschaftung<br />

sieht die Erhöhung<br />

der Parkgebühren um 20 Prozent für<br />

jede Stufe im Jahr 2019 vor“, heißt es<br />

in dem Masterplan, der die <strong>Berliner</strong><br />

Luft sauberer machen soll. Jetzt<br />

kommt die Gebührensteigerung ein<br />

Jahr später,und sie fällt größer aus.<br />

Für die Difu-Forscherin Uta<br />

Bauer, die sich seit Jahren mit dem<br />

Thema Parken befasst, ist letzteres<br />

kein Problem. „Wenn wir Gäste aus<br />

dem Ausland durch Berlin führen,<br />

finden sie es ziemlich schräg, wie<br />

preiswert das Parken in Berlin ist –<br />

und dass es viele Bereiche selbst in<br />

der Innenstadt gibt, in denen es gar<br />

nichts kostet“, sagte die Geografin.<br />

KÜNFTIG BIS ZU 240 EURO FÜR EINE ANWOHNERVIGNETTE<br />

BilligeHauptstadt: In Berlin<br />

kostet ein Anwohnerparkausweis,<br />

der zwei Jahre gilt,<br />

derzeit noch 20,40 Euro. In<br />

Amsterdam würden pro Jahr<br />

535 Euro, in Stockholm umgerechnet<br />

827 Euro fällig,<br />

so Forscher des Difu.<br />

Momentan werden für 35 Prozent<br />

der Parkplätze innerhalb des <strong>Berliner</strong><br />

S-Bahn-Rings Gebühren fällig.<br />

Der Luftreinhalteplan sieht vor, den<br />

Anteil bis Ende dieses Jahres auf drei<br />

Viertel zu erhöhen. Ende 2023 sollen<br />

es hundert Prozent sein –was laut<br />

Reupke dazu führen würde,dass der<br />

Kraftfahrzeugverkehr um fast zehn<br />

Prozent sinkt und die Stickoxidemissionen<br />

um 6,5 Prozent abnehmen.<br />

Doch schon die 75-Prozent-<br />

Marke, die für Dezember 2020 angepeilt<br />

wird, gilt als ehrgeiziges Ziel.<br />

Die Berichte aus der Verwaltungspraxis,die<br />

Stadträtin Christiane Heiß<br />

Im Bundesrat erfolgreich:<br />

Am Mittwoch nahm ein Unterauschuss<br />

des Bundesrats<br />

den Antrag Berlins an, den<br />

Gebührenrahmen für Bewohnerparkausweise<br />

auszuweiten.<br />

Kommunen sollten mehr<br />

Spielraum bekommen.<br />

Drastische Erhöhung: Derzeit<br />

bewegt sich der Rahmen<br />

zwischen 10,20 und 30,70<br />

Euro pro Jahr.Nachdem Beschluss<br />

im Unterausschuss<br />

StVOdes Bundesrats soll<br />

diese Spanne künftig von<br />

zehn bis 240 Euro reichen.<br />

aus Tempelhof-Schönefeld beisteuerte,<br />

ließen ernsthafte Zweifel aufkommen,<br />

ob es erreichbar ist.<br />

Bisimvergangenen Jahr die Parkzone<br />

55 im Norden des Bezirks in Betrieb<br />

gehen konnte, seien rund drei<br />

Jahre vergangen, teilte die Grünen-<br />

Politikerin mit.Viel Zeit –weshalb sie<br />

und ihr Team den Prozess ein halbes<br />

Jahr lang analysierten. Anhand der<br />

umfangreichen Excel-Tabelle, die<br />

dabei herauskam, wurden Verbesserungsmöglichkeiten<br />

erarbeitet. Ergebnis<br />

war, dass es durchaus Möglichkeiten<br />

gäbe, das Verfahren zügiger<br />

über die Bühne zu bringen.<br />

„Doch auch im besten Fall werden<br />

wir immer noch 24 Monate brauchen“,<br />

gab Heiß zu bedenken.<br />

Nötig sei zudem ein „Bekenntnis<br />

einer Vielzahl von Verwaltungsmitarbeitern“<br />

– in vier Bereichen, die<br />

bereits heute überlastet seien und<br />

für die aufwendige Kooperationen<br />

mit anderen Ämtern nicht an erster<br />

Stelle stünden. Auch würde die Kosten-<br />

und Leistungsrechnung, die<br />

Grundlage für Zahlungen des Senats<br />

an die Bezirkesei,komplexe Projekte<br />

nicht fördern. „Bei ihr geht es um<br />

Standardprodukte in Standardzeiten<br />

zu Standardpreisen“, so Heiß. Das<br />

betreffe auch andere Themen, über<br />

die diskutiert werde: „Die komplexe<br />

Analyse von Unfallschwerpunkten<br />

wirdebenfalls nicht belohnt.“<br />

Die Stadträtin hat kalkuliert, was<br />

es für die Verwaltung bedeuten<br />

würde, wenn in ihrem Bezirk innerhalb<br />

des S-Bahn-Rings das Parken<br />

überall Geld kostet. Derzeit seien<br />

dort mehr als 34 000 Kraftfahrzeuge<br />

gemeldet, wofür voraussichtlich<br />

rund 30 000 Parkvignetten beantragt<br />

würden, sagte Heiß. „Das ist schon<br />

ein Happen, den die Bürgerämter<br />

bewältigen müssten.“ Allein für die<br />

Vignetten wären 20 Mitarbeiter nötig.<br />

Um alle Parkplätzezukontrollieren,<br />

bräuchte das Ordnungsamt<br />

rund 120 Stellen, so die Stadträtin.<br />

„Parken ist ein Thema, das sehr<br />

emotional diskutiert wird“, sagte<br />

Hartmut Reupke. Darum waren in<br />

Berlin Volksentscheide gegen neue<br />

Parkzonen erfolgreich –inCharlottenburg-Wilmersdorf<br />

und Treptow-<br />

Köpenick. Er ließ durchblicken, dass<br />

dies die Ausdehnung der Parkraumbewirtschaftung<br />

behindert.<br />

Lob vonden Anwohnern<br />

Wenn Parkgebühren den Ansturm<br />

auf die Parkplätze verringern, freuten<br />

sich die Anwohner, weil sie bessere<br />

Chancen bekämen, freie Plätze<br />

für ihre Autos zu finden, entgegnete<br />

Heiß. Die Bürger nähmen auch zur<br />

Kenntnis, dass die Kontrollen dazu<br />

führen, dass nicht mehr so oft falsch<br />

geparkt wird. In ihrem Bezirk stießen<br />

die Pläne für weitere Parkzonen jedenfalls<br />

auf „breite Zustimmung“,<br />

berichtete die Stadträtin. „Selten<br />

habe ich so viele lobende Briefe bekommen<br />

wie für die Parkzone 55.“<br />

Peter Neumann<br />

ist gespannt, ob der Plan<br />

des Senats aufgeht.<br />

Männer auf dem Sofa, Frauen aufs Parkett<br />

Bewegung bis ins hohe Alter: Die erste Tanzschule bietet jetzt Kurse für Senioren an, die statt mit einem Partner mit ihrem Rollator die Tanzfläche erobern<br />

VonKerstin Hense<br />

Sie treffen sich einmal wöchentlich<br />

und lassen ihre Hüften zu<br />

Rumba, Wiener Walzer und Cha-<br />

Cha-Cha kreisen. Ihren Tanzpartner<br />

haben diese Damen dabei stets an<br />

ihrer Seite –und er hat keine zwei<br />

Beine, sondern vier Räder. Die Steglitzer<br />

Tanzschule Dieter Keller hat in<br />

ihrer Zweigstelle in Teltoweine neue<br />

Tanzsportart im Programm: den<br />

Rollator-Tanz für Senioren.<br />

Brigitte (83), Bärbel (72), Hannelore<br />

(83) und Carmen (87) sind an<br />

diesem Nachmittag nur zu viert. Bevor<br />

sie zum eigentlichen Tanz starten,<br />

sitzen sie noch bei Kaffee und<br />

TeeamTisch zusammen. Bisher hat<br />

sich kein einziger Mann in ihrer<br />

Runde blicken lassen. „Die Männer<br />

sind nicht so gesellig wie wir Frauen.<br />

Sie sitzen lieber zu Hause vor dem<br />

Fernseher und gehen nirgendwo<br />

mehr hin“, sagt Brigitte –und das<br />

klingt fast ein wenig vorwurfsvoll. Sie<br />

habe jahrelang einen Fuhrbetrieb<br />

geführt, und dorthabe sie gelernt zu<br />

sagen, was sie denke. Doch zu dem<br />

Tanz, den die Damen tanzen wollen,<br />

sind Männer gar nicht zwingend<br />

notwendig –denn getanzt wird hier<br />

mit Rollator.Das hat einen ernsthaften<br />

Hintergrund. „Das Gute ist: Man<br />

verliert dabei die Angst vor dem Gerät“,<br />

sagt Christopher (31). Er leitet<br />

den besonderen Tanzkurs schon seit<br />

Oktober und kommt bei den Seniorinnen<br />

als Lehrer sehr gut an. Die<br />

Teilnehmer duzen sich untereinander,wollen<br />

auch in der <strong>Zeitung</strong> ihren<br />

vollen Namen nicht lesen.<br />

„Der Chris“, so nennen sie ihren<br />

Tanzlehrer, sei „äußerst charmant<br />

und uns zugewandt“, erzählt Hannelore.<br />

Jetzt klatscht er in die Hände.<br />

Die Damen erheben sich von ihren<br />

Plätzen und schieben ihren Rollator<br />

auf das blanke Parkett. Als die Musik<br />

zum Foxtrott einsetzt, fahren sie mit<br />

ihren Gehhilfen zügig im Uhrzeigersinn<br />

im Kreis.„Standardtänzeeignen<br />

sich zu dieser Bewegung sehr gut“,<br />

erklärtChristopher.Erruft mit lauter<br />

Stimme „Hacke, Spitze“ und die<br />

Rentnerinnen wippen im Takt vor<br />

Rollator–Tanzkursmit Tanzlehrer Chris in der Tanzschule Keller in Teltow.<br />

und zurück. Hannelore strahlt. Sie<br />

hat sich für die Tanzstunde extrafein<br />

gemacht, trägt ein langärmeliges rotes<br />

Spitzenoberteil und dazu den<br />

passenden roten Nagellack.<br />

Fast alle Damen haben schon in<br />

jüngeren Jahren gerngetanzt. Siebe-<br />

BERND FRIEDEL<br />

wegen sich trotz ihres höheren Alters<br />

noch sehr anmutig, ihreArmegehen<br />

ganz elegant über den Kopf nach<br />

vorn und die Füße zur Seite. „Ich<br />

habe brasilianische Vorfahren und<br />

die Musik im Blut“, sagt Carmen,<br />

eine kleine Frau mit kurzen grauen<br />

Haaren. Während sie ihren Rollator<br />

schiebt, kreist sie mit ihren Hüften.<br />

Ihre Gesichtszüge wirken entspannt.<br />

Die Rollator-Tänzerinnen sind<br />

beim Walzer angekommen. „Vor<br />

zwei, drei, rück zwei drei und dabei<br />

drehen wir uns“, erklärtChristopher.<br />

Carmen hat sich mit ihrem Rollator<br />

ein wenig von der Gruppe entfernt.<br />

„Achtung, wir warten auf die anderen“,<br />

ermahnt er. „Tanzen hat auch<br />

ein paar Regeln.“ Die Freude steht<br />

trotz allem im Vordergrund. Der<br />

Rollator-Tanz wurde vom Allgemeinen<br />

Deutschen Tanzlehrerverband<br />

(ADTV)entwickelt, damit Menschen<br />

mit eingeschränkter Mobilität, wie<br />

Bärbel, nicht vom gesellschaftlichen<br />

Leben ausgeschlossen sind.<br />

Siekomme auch wegen der sozialen<br />

Kontakte und der Bewegung, sagt<br />

Bärbel. Dass sie heute so flott über<br />

das Parkett fährt, grenzt wohl an ein<br />

Wunder. Zweimal sei sie schon am<br />

Kopf wegen eines Aneurysmas operiert<br />

worden, das letzte Mal habe sie<br />

nur knapp überlebt.„Wenn mir mein<br />

Mann nicht immer wieder Mut gemacht<br />

hätte, hätte ich es wohl nicht<br />

geschafft“, sagt sie. Bärbel hat sogar<br />

drei Gehhilfen zu Hause. „Diesen<br />

hier nehme ich nur zum Ausgehen“,<br />

sagt sieund zeigt stolz auf ihren Rollator.<br />

Nach dem Tanzen schieben die<br />

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Seniorinnen ihre Tanzpartner gemeinsam<br />

zur Bushaltestelle. Auch<br />

wenn sie dank der Rollatoren auf<br />

Männer verzichten können –„ein<br />

paar nette Herren im Kurs wären<br />

schon schön“, sagt Bärbel und lacht.<br />

Sie freut sich schon auf nächsten<br />

Montag, 15 Uhr. Dann tanzt sie wieder.Mit<br />

ihrem Rollator.

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