Berliner Kurier 06.02.2020
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SPORT<br />
Torlinientechnik, Videobeweis,<br />
der vierte<br />
Schiri zwischen den Trainerbänken,<br />
alles wurde eingeführt.<br />
Gut oder schlecht,<br />
darüber kann man stundenlang<br />
am Stammtisch streiten.<br />
Schiedsrichter haben<br />
einen schweren Job. Aus<br />
der Hilfe von außen ist aber<br />
längst auch eine Belastung<br />
geworden. Die Unparteiischen<br />
sind voll konzentriert<br />
auf das Spielgeschehen und<br />
verlieren manchmal fatal<br />
den Blick auf das große<br />
Ganze. Referee Harm Osmers<br />
hat regelkonform engstirnig<br />
eine Unsportlichkeit<br />
bei Jordan Torunarigha mit<br />
Gelb-Rot geahndet, weil er<br />
sich ungebührlich mit dem<br />
Schmeißen einer Getränkekiste<br />
verhalten hat. Unsportlich!<br />
Naja, unmenschlich<br />
und widerlich waren<br />
die Schmährufe gegen den<br />
Deutsch-Nigerianer und in<br />
Abwägung von Unsportlich<br />
und Unmenschlich und in<br />
Anbetracht des Artikel 1des<br />
Grundgesetzes „Die Würde<br />
des Menschen ist unantastbar“<br />
darf kein Fußballspiel<br />
zum rechtsfreien Raum<br />
werden. Bei rassistischen<br />
Beleidigungen im Stadion<br />
sollte der Schiedsrichter sofort<br />
das Spiel abbrechen,<br />
weil ein Mensch seelisch<br />
verletzt wird. Wenn Hinweise<br />
von der Trainerbank<br />
nicht ausreichen, dann bitte<br />
her mit dem Audio-Beweis<br />
und Videobildern.<br />
Nachschussverpasst?<br />
www.berliner-kurier.de/<br />
sport/nachschuss<br />
Von<br />
Wolfgang<br />
Heise<br />
Audio-Beweis gegen<br />
Rassisten mussher!<br />
TV-TIPPS<br />
NACH-<br />
SCHUSS<br />
EUROSPORT<br />
13.55 -18.00 und 19.55 -23.00<br />
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20.15 -00.00 Darts: Premier Legaue<br />
aus Aberdeen<br />
Fragen?<br />
Wünsche?<br />
Tipps?<br />
E-Mail: berlin.sport@berlinerverlag.com<br />
Fotos: Koch (2), Getty,, dpa<br />
Auf dem Platz<br />
ging es fair zu:<br />
SchalkeAmine<br />
Harit versucht<br />
Torunarigha nach<br />
den rassistischen<br />
Beleidigungen zu<br />
trösten.<br />
Rassismus-Skandal<br />
Opfer Torunarigha wurde<br />
zum Täter gemacht<br />
Aufgebracht von Affenlauten gehen Hertha-Verteidiger auf Schalke die Nerven durch.<br />
Schiri Osmers, der um das Problem weiß, stellt ihn vom Platz, statt ihn zu schützen<br />
VonWOLFGANG HEISE<br />
und SEBASTIAN SCHMITTT<br />
Berlin – Hertha ist raus aus<br />
dem Pokal. 2:3 nach Verlängerung<br />
auf Schalke, weil die<br />
letzten zwanzig Minuten nur<br />
noch mit zehn Mann gespielt<br />
wurde. Jordan Torunarigha<br />
flog vom Platz. Er schmiss eine<br />
Getränkekiste vor Wut<br />
und Frust auf den Boden.<br />
Nach dem Spiel kam der wahre<br />
Grund für seinen Ausraster<br />
heraus. Und der ist ein Skandal!<br />
Torunarigha wurde von<br />
vereinzelten Schalke-Fans<br />
rassistisch mit Affenlauten<br />
beleidigt. Aus dem Opfer wurde<br />
ein Täter gemacht.<br />
Torunarigha war längst in der<br />
Kabine, da ergriff Kapitän Nik-<br />
las Stark zwanzig Minuten nach<br />
dem Abpfiff das Wort und klärte<br />
den ganzen Skandal auf. „Es gab<br />
rassistische Beleidigungen von<br />
der Tribüne. Jordan ist ein emotionaler<br />
Spieler. Wenn so etwas<br />
passiert, wäre ich wahrscheinlich<br />
auch ausgerastet. Sowas<br />
geht nicht. Das ist abstoßend“,<br />
sagte Stark.<br />
Der Vorfall soll sich in der 70.<br />
Minuten ereignet haben, als Torunarigha<br />
sich an der Seitenlinie<br />
behandeln ließ. Torunarigha<br />
schäumte vor Wut. Torwart Rune<br />
Jarstein und Abwehr-Chef<br />
Dedryck Boyata probierten den<br />
22-Jährigen zu beruhigen. Torunarigha<br />
gilt zwar als Heißsporn.<br />
Doch diesmal war es kein<br />
Adrenalin aus dem Spiel heraus.<br />
Es waren die miesen Schmähungen<br />
wegen seiner Hautfarbe.<br />
Schon als Kind musste er in seiner<br />
Geburtsstadt Chemnitz<br />
so etwas ertragen.<br />
„Ich wurde damals komisch<br />
angeschaut und<br />
habe eine Abneigung mir<br />
gegenüber gespürt. Mein älterer<br />
Bruder musste mich damals<br />
vom Training abholen,“<br />
sagte Torunarigha bereits dem<br />
KURIER über den damals erlebten<br />
Rassismus.<br />
Das alles kam bei ihm auf<br />
Schalke wieder hoch, die Tränen<br />
flossen. Das bestätigte<br />
Schalkes Siegtorschütze Benito<br />
Raman: „Torunarigha hat auf<br />
dem Platz geweint und wollte<br />
aufhören. Ich habe die Rufe<br />
nicht gehört, ihm aber Mut zugesprochen<br />
und gesagt, dass er<br />
weitermachen soll.“<br />
Auch Hertha-Trainer Jürgen<br />
Klinsmann sah, wie es um Torunarigha<br />
Gefühlswelt stand. Manager<br />
Michael Preetz<br />
informierte Schiedsrichter<br />
Harm Osmers<br />
(Hannover) nach der regulären<br />
Spielzeit und vor der<br />
Verlängerung. Das gab auch gestern<br />
der DFB zu (s. Text rechts).<br />
Klinsi: „Wir haben dem Schiri<br />
gesagt, dass wir Jordan schützen<br />
müssen. Er ist ein junger<br />
Mensch, der darf damit nicht allein<br />
gelassen werden.“<br />
Stattdessen nahm das Unglück<br />
seinen Lauf. Schalkes Omar<br />
Mascarell senste Torunarigha in<br />
der 100. Minute rüde um. Der<br />
Deutsch-Nigerianer rutsche in<br />
Schalke- Trainer David Wagner<br />
rein. Torunarigha wütete, nicht<br />
gegen Wagner, nicht gegen<br />
Mascarell. Er ließ seine angestaute<br />
Wut an einer Getränkekiste<br />
aus, warf sie auf den Boden<br />
und sah dafür Gelb-Rot. Osmers