Borlinghaus-Pommesrotweiss-Yumpu
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
50. Barmherzigkeit – steuerlich abzugsfähig
ROT: Bin ich hartherzig, wenn ich Bettlern nichts gebe? Ich meine, wir
haben doch Hartz IV, das auch von meinen Steuern finanziert wird.
Muss ich dann noch Geld in den Hut werfen?
WEISS: Unser Sozialstaat ist über Bande gespielte Barmherzigkeit, die sich
dabei in einen institutionalisierten Rechtsanspruch verwandelt. Weil du
nicht weißt, ob deine Steuern gerade in einer Dauerbaustelle versenkt
werden oder wirklich Bedürftigen zukommen, wird dir die Steuerlast zur
lästigen, aber dich entlastenden Pflicht. Da sitzt dann das Geld in der
Fußgängerzone halt nicht mehr so locker. Versteh´ ich schon.
ROT: Und wenn ich Weihnachten mal spende, dann bitte nur gegen Quittung,
damit ich mir das Verschenkte zumindest zum Teil von der Steuer
zurückholen kann?
WEISS: Und schon fühlst du dich wieder mies, da deine vermeintliche
Barmherzigkeit innerlich zum Steuersparmodell verkommen ist.
ROT: Immerhin hat der Staat sich seit 2015 Barmherzigkeit auf die Fahnen
geschrieben. Seitdem ist Theater in diesem Land...
WEISS: ..., und zwar weil die Leute merken, dass aus ihrer Einmalspende
plötzlich ein Dauerabo wird, das durch Rechtsansprüche auf Jahrzehnte
hinaus in Budgets und Gesellschaft nachwirkt. Da wird freiwillige Barmherzigkeit
zur institutionellen Zwangsjacke, die den Bürgern dann doch
wieder zu eng wird.
ROT: Dann ist Barmherzigkeit am Ende unzeitgemäß?
WEISS: Barmherzigkeit ist nicht Sache des Staates, sondern die Tugend
von Individuen. Der einzelne Staat und auch Europa sind mit ihren Institutionen
dem Willen und Wohle seiner Bürger verpflichtet. Wenn wir uns
jedoch als Gesellschaft nicht an Hartherzigkeit erkälten wollen, dann soll-
108