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KARRIERE<br />

Sprache und Sein.<br />

Kübra Gümüşay. Berlin Hanser Verlag, Berlin, 2020.<br />

Hardcover, 208 Seiten, 18,00 €. ISBN: 978–3446265950<br />

Wirklich inspirierende Bücher sind selten.<br />

„Sprache und Sein“ von Kübra Gümüşay ist so<br />

eins. In diesem Essay diskutiert die politische<br />

Aktivistin, wie Sprache Denken und Handeln<br />

prägt. Wortgewaltig schreibt Gümüşay darüber,<br />

wie Sprache einschränkt und begrenzt.<br />

Sie schreibt über die Last, von anderen benannt<br />

zu werden („die kopftuchtragende<br />

Frau“) und wie Menschen so ihrer Individualität<br />

beraubt werden. Mit Sorge betrachtet sie<br />

den Rechtsruck in Deutschland, berichtet<br />

über kalkulierte Provokationen und in Talkshows<br />

gefeierte Extrempositionen. Sie erzählt<br />

von ihrem eigenen Kampf, aus der ihr<br />

zugeteilten Rolle auszubrechen, als Mensch<br />

wahrgenommen zu werden, gehört zu werden.<br />

Von der Frustration, sich ständig erklären<br />

zu müssen. In ihrem unaufgeregten, aber leidenschaftlichen<br />

Still erklärt sie, wie unser<br />

„Absolutheitsglaube“, also der Glaube, dass<br />

unsere Perspektive die einzig richtige ist, andere<br />

ins Abseits drängt, dass wir uns unserer<br />

eigene Fallibilität bewusst werden müssen.<br />

Sie streckt den Weißen, den Männern, der<br />

Mehrheit, uns, den Spiegel ins Gesicht und<br />

stellt unser eigenes Handeln und Sprechen<br />

im hellen Leuchten ihrer Prosa auf den Prüfstand<br />

– nicht angenehm, aber nötig, sehr<br />

nötig . Und sie glaubt daran, dass wir es besser<br />

hinkriegen. Sie träumt, dass wir eine pluralistische<br />

Gesellschaft formen können, in der<br />

wir gleichberechtigt und frei sprechen und<br />

sein dürfen. Und sie will. Sie will verändern,<br />

und das ist in jedem poetischen Satz, in<br />

jedem detailliert recherchierten Argument, in<br />

jedem sorgsam modellierten Paragraphen<br />

ertastbar . „Sprache und Sein“ ist ein so wichtiges<br />

Buch über den Un-Zustand unserer<br />

heutigen Gesellschaft, dass es für uns alle<br />

eine Pflichtlektüre sein muss. (sd)<br />

Die 5 Stunden Revolution. Wer Erfolg will, muss Arbeit<br />

neu denken.<br />

Lasse Rheingans, Campus Verlag, 2019.<br />

Hardcover, 224 Seiten, 24,95 €. ISBN: 978–3593510729<br />

Der deutsche Unternehmer Lasse Rheingans<br />

sorgt für Furore: Er führt 2017 in seiner Digitalagentur<br />

einen Fünf-Stunden-Tag ein. Eine<br />

radikale Idee, aber wie kann sie funktionieren?<br />

In seinem Buch beschreibt Rheingans, wie er<br />

den fünf-Stunden-Tag im Selbstversuch in der<br />

eigenen Agentur umsetzte. In diesen fünf<br />

Stunden soll die gleiche Arbeit gemacht werden<br />

wie in acht, auch die Bezahlung bleibt<br />

gleich. Das setzt eine Produktivitätssteigerung<br />

von 40 Prozent voraus – eine Zahl, die<br />

nicht ohne die Änderung von Verhaltensweisen<br />

und Arbeitsabläufen funktionieren kann.<br />

Um das Experiment durchzuführen, setzt<br />

Rheingans auf Selbstverantwortung seiner<br />

Mitarbeiter, nicht etwa auf Verbote. Ebenso<br />

wichtig für hochproduktives Arbeiten sind<br />

regelmäßige Workshops, oft von Moderatoren<br />

geleitet, um Feedback zu den Abläufen zu<br />

erhalten. Dabei ist Rheingans Grundsatz:<br />

„Nichts ist für immer, nichts ist immer richtig,<br />

alles kann auch wieder rückgängig gemacht<br />

werden“ (S. 180).<br />

Natürlich ist ein fünf-Stunden-Tag kein Spaziergang.<br />

Klar ist auch, dass eine drastische<br />

Arbeitszeitverkürzung nicht in allen Branchen<br />

Sinn ergibt. Das es dennoch funktionieren<br />

kann, macht Mut. Schön wäre es gewesen,<br />

wäre der Autor noch detailreicher auf die<br />

Umstellung der Arbeitsprozesse eingegangen.<br />

Aber ein „Schema F“ für eine solche Umstellung<br />

mag es vielleicht gar nicht geben. Es ist<br />

gut zu sehen, dass es heute und in Deutschland<br />

Unternehmer gibt, die für eine Idee<br />

brennen. Dass es Unternehmer gibt, die das<br />

Wohl der Mitarbeiter im Blick haben und sich<br />

ihrer eigenen Fehlbarkeit bewusst sind. Denn<br />

nur so ist die Grundlage geschaffen, eine solche<br />

Vision umzusetzen. (sd)<br />

Ikigai. Die japanische Lebenskunst.<br />

Ken Mogi, Dumont Verlag, 2018.<br />

Hardcover, 176 Seiten, 20,00 €. ISBN 978–3832198992<br />

Nicht erst seit Marie Kondos liebevoller Aufräumtechnik<br />

steht fernöstliche Lebensphilosophie<br />

im Westen hoch im Kurs. In diesem<br />

Werk beschreibt der Neurowissenschaftler<br />

und Autor Ken Mogi, was es mit „ikigai“ auf<br />

sich hat. Ikigai ist eines dieser Wörter, das sich<br />

nur mit Mühe und einiger Umschreibung<br />

übersetzen lässt. Die Definition des Begriffs<br />

fällt auch Mogi schwer. Er spricht von einem,<br />

wörtlich übersetzt, „Lebenssinn“. Der Begriff<br />

des ikigai ist tief in der japanischen Kultur<br />

und Philosophie verwurzelt und so für westliche<br />

Leser schwer zu erschließen.<br />

Das Buch ist weniger ein rigider Definitionsversuch,<br />

als eine Suche nach dem Begriff. Und<br />

so geht er die Bedeutung des Konzepts,<br />

anders als sein Beruf als Neurowissenschaftler<br />

vermuten lässt, hermeneutisch an. Wer also<br />

wissenschaftliche Studien zum Thema Lebenssinn<br />

finden will, der sucht sie vergeblich.<br />

Stattdessen benutzt Mogi eine eher assoziative<br />

Erzähltechnik und reiht Anekdoten und<br />

Einzelschicksale aneinander, in denen er ikigai<br />

erkennen kann. Die Rede ist zum Beispiel von<br />

Radio-taiso, einer beliebten Morgengym -<br />

nastik, der traditionellen Teezeremonie und<br />

beharrlichen Sumo-Ringern.<br />

Der Autor schafft es, den Begriff „ikigai“<br />

einzu kreisen, aber nicht, ihn tatsächlich<br />

handfest einzufangen. Ob es notwendig oder<br />

überhaupt möglich ist, ein so flüchtiges Konzept<br />

zu beschreiben, muss der Leser selbst<br />

wissen. Das Buch hat einen romantischnostal<br />

gischen, manchmal sogar verklärendmythischen<br />

Blick auf die japanische Gesellschaft.<br />

Was der Autor gut kann, ist es, eine<br />

überraschend vielseitige Perspektive auf das<br />

Land, seine Traditionen und Menschen zu vermitteln.<br />

(sd)<br />

<strong>Beschaffung</strong> <strong>aktuell</strong> 2020 03 73

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