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RETAIL 01/2020

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— storys<br />

Fotos: Shutterstock/Pressmaster/KamutchartB<br />

Geschäft des Elektronikhändlers Conrad<br />

managt. Schon vor rund acht Jahren<br />

erhielt er von einer Agentur ein Angebot,<br />

die ihm positive User-Bewertungen<br />

verkaufen wollte. „Seitdem wissen wir,<br />

dass hier etwas faul sein könnte.“<br />

Betroffen sind laut Infanger eher ausländische<br />

Verkaufsplattformen als jene,<br />

die sich rein auf Österreich konzentrieren.<br />

„Nichtsdestotrotz sind Fake-Bewertungen<br />

in der derzeitigen Dimension<br />

ein gravierendes Problem für Händler<br />

wie uns, das sich auch nur sehr schwer<br />

bekämpfen lässt“, so der Vice President<br />

of Online & Mailorder bei Conrad International.<br />

Ähnlich wie Amazon setzt das<br />

Unternehmen vor allem auf künstliche<br />

Intelligenz, um wiederkehrende Muster<br />

in den Bewertungstexten zu finden, die<br />

vermutlich selbst von Computern generiert<br />

wurden. Wenn das nichts nützt,<br />

ist der Mensch gefragt: „Wir bei Conrad<br />

suchen eben auch nach Auffälligkeiten –<br />

aber im Moment mehr punktuell als<br />

systematisch nach zu vielen oder zu<br />

guten Ratings. Wenn wir hier merkbare<br />

Abweichungen von der Norm sehen, die<br />

sich kaum vernünftig erklären lassen,<br />

gehen wir dem nach“, sagt Infanger.<br />

Mitarbeiter prüfen<br />

Auf Handarbeit greift auch die Unito-<br />

Gruppe zurück, zu der unter anderem<br />

der Versandhändler Otto gehört.<br />

Geschäftsführer Harald Gutschi hat<br />

fünf Mitarbeiter auf die Fake-Bewertungen<br />

angesetzt. „Die sind zuständig<br />

für die Prüfung und die Verwaltung<br />

von Online- Bewertungen. Sollten hier<br />

Unregelmäßigkeiten auffallen, unternehmen<br />

wir punktuell etwas dagegen.“<br />

Allerdings sei die Problematik auf Ottoversand.at<br />

bislang noch keine besonders<br />

ausgeprägte, schränkt Gutschi ein. „Aufgrund<br />

der Analyse unserer wöchentlichen<br />

Bewertungen gehen wir nicht von<br />

einer Vielzahl gefälschter Bewertungen<br />

in unseren Shops aus, zumal wir keine<br />

Handelsplattform wie Ebay oder Amazon<br />

sind. Unser Einkauf hat die Hoheit<br />

über unsere angebotenen Artikel und<br />

bürgt somit auch für deren Qualität.“<br />

Das ist auch der Grund, warum die Unito<br />

vorerst nicht auf künstliche Intelligenz<br />

setzt, um die Bewertungsfunktion auf<br />

Ottoversand.at zu überwachen – es fehle<br />

die kritische Masse an Bewertungen.<br />

„Da müssten wir mindestens um den<br />

Faktor 100 mehr Bewertungen generieren,<br />

um hier computergestützt dagegen<br />

vorgehen zu können“, sagt Gutschi.<br />

Wissend, wie wichtig Bewertungen im<br />

Online-Shopping sind, will sein Unternehmen<br />

aber aufholen – und für <strong>2020</strong><br />

die Zahl der Bewertungen durch neue<br />

Features erhöhen. Man stehe schließlich<br />

unter hohem Druck, den große Plattformen<br />

wie Amazon oder Google Marketplace<br />

erzeugen. Gegen Amazons Ruf als<br />

„Bewertungssuchmaschine“ könnten<br />

kleine Player laut Gutschi nur schwer<br />

ankämpfen.<br />

Immer noch kaufentscheidend<br />

Dass die Relevanz von Kunden-Bewertungen<br />

aufgrund der wachsenden<br />

Anzahl von Fälschungen in naher<br />

Zukunft abnehmen könnte, glaubt man<br />

bei der Unito jedenfalls nicht. „Wir<br />

halten Kundenbewertungen definitiv für<br />

kaufentscheidend. Der Social Proof ist<br />

vermutlich eines der stärksten Kaufargumente<br />

schlechthin“, sagt Gutschi<br />

und verweist auf die evolutionspsychologische<br />

Prägung des Menschen, auf die<br />

Empfehlungen anderer großen Wert zu<br />

legen. Auch Daniel Infanger von Conrad<br />

International hält die Kundenbewertungen<br />

für durchwegs kaufentscheidend,<br />

auch wenn die Produktbeschreibungen<br />

sehr viele Informationen enthalten:<br />

„Features, Beschreibung und Datenblätter<br />

können gelesen werden. Aber ob<br />

das Ding wirklich taugt, dazu brauchen<br />

Sie eine Meinung. Produkte werden<br />

selten gekauft, ohne dass vor der<br />

Entscheidung irgendeine Information<br />

darüber eingeholt wird.“<br />

<br />

▪ Josef Puschitz<br />

März <strong>2020</strong> — 13

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