RETAIL 01/2020
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
— storys<br />
Kommt die Nährwert-Ampel?<br />
Lebensmittel. Die Diskussion um ein Nährwert-Logo wie<br />
den Nutri-Score auf Lebensmittel-Verpackungen erhitzt die<br />
Gemüter. Eine europäische Bürgerinitiative fordert eine<br />
EU-weite, verpflichtende Kennzeichnung im Ampelsystem.<br />
Ein großes „A“ auf sattem Dunkelgrün:<br />
Daran sollen Konsumenten<br />
Produkte mit einem ausgewogenen<br />
Nährwertprofil erkennen, eine rote<br />
Bewertung und der Buchstabe E stehen<br />
für ungünstige Nährwertqualität. Das<br />
Kennzeichnungs-System Nutri-Score<br />
ist in Frankreich auf freiwilliger Basis<br />
weit verbreitet. Auch Belgien und die<br />
Schweiz unterstützen das System offiziell,<br />
Spanien und Portugal wollen es einführen.<br />
Deutschland hat vor Kurzem die<br />
freiwillige Nutri-Score-Kennzeichnung<br />
von Lebensmitteln beschlossen. Erste<br />
Produzenten in Österreichs größtem<br />
Nachbarland haben bereits angekündigt,<br />
Nutri-Score auf ihren Produkten<br />
anzubringen.<br />
Leben retten?<br />
Teile der Lebensmittelindustrie wehren<br />
sich gegen eine Nährwertkennzeichnung<br />
mit Ampelfarben – viele<br />
Ernährungsexperten fordern aber<br />
genau dies: Würde der Nutri-Score<br />
flächendeckend eingeführt, so könne<br />
das tausende Todesfälle durch ernährungsbedingte<br />
Krankheiten verhindern.<br />
Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie<br />
von Wissenschaftlern der Universitäten<br />
Paris, Grenoble und Borbigny. Für<br />
Kritiker ist das System dennoch keine<br />
ideale Lösung. Eine Schwachstelle sei,<br />
dass Nutri-Score mit einer allgemeinen<br />
Bewertung die individuelle Ernährung<br />
verbessern möchte, dabei aber die<br />
unterschiedlichen Bedürfnisse außer<br />
Acht lasse. Zudem werden Konservierungsmittel<br />
und Farbstoffe nicht in<br />
die Berechnung des Nutri-Scores mit<br />
einbezogen. Die Kennzeichnung verrate<br />
auch nicht, ob ein Produkt nachhaltig<br />
produziert werde, meinen Kritiker.<br />
Kritische Stimmen<br />
Demnach seien Systeme sinnvoller, die<br />
jedem Konsumenten die Informationen<br />
geben, die er braucht, um selbst zu entscheiden,<br />
wie die enthaltenen Nährwerte<br />
zu seinem individuellen Bedarf passen.<br />
Mit der verpflichtenden Nährwertkennzeichnung<br />
in Tabellenform ist dies in<br />
Österreich seit Jahren Standard. Diese<br />
Nährwertkennzeichnung sehen manche<br />
allerdings als „Zahlenfriedhof“, weitgehend<br />
nutzlos für Laien. Als praktikabel<br />
für Konsumenten und Händler gilt eine<br />
international einheitliche Lösung. Noch<br />
kochen viele Länder diesbezüglich aber<br />
ihr eigenes Süppchen. Neben Nutri-Score<br />
gibt es noch ein britisches Ampel-Logo.<br />
Das skandinavische Keyhole-System ist<br />
eine Positivkennzeichnung auf Basis von<br />
Ernährungsempfehlungen.<br />
Europäische Lösung?<br />
Die Kennzeichnung von Lebensmitteln<br />
ist EU-Recht. Um die Kennzeichnung<br />
via Nutri-Score zu ermöglichen, müssen<br />
Mitgliedstaaten dies formal an die<br />
EU-Kommission melden. Ob der Nutri-<br />
Score in Österreich eingeführt wird,<br />
entscheidet also grundsätzlich die neue<br />
Bundesregierung – möglicherweise<br />
gibt es diesbezüglich aber Änderungen<br />
auf EU-Ebene: Konsumentenschützer<br />
und EU-Abgeordnete fordern von der<br />
EU-Kommission, Nutri-Score EU-weit<br />
verpflichtend einzuführen. Ein zentra -<br />
les Anliegen: Es soll in allen Mitgliedstaaten<br />
die gleiche Kennzeichnung<br />
geben. Eine Europäische Bürgerinitiative<br />
sammelt bis Mai <strong>2020</strong> Unterstützung<br />
für diese EU-weit verpflichtende Nutri-<br />
Score-Lösung. Werden mehr als eine<br />
Million Unterschriften gesammelt, muss<br />
die EU-Kommission tätig werden.<br />
Nutri-Score in Österreich<br />
Als erste Produktreihe in Österreich tragen<br />
seit Februar 2<strong>01</strong>9 die „Fruchtzwerge“<br />
das Nutri-Score-Label, ab März folgten<br />
weitere Danone-Produkte. Der weltgrößte<br />
Nahrungsmittelkonzern Nestlé führt<br />
das System zunächst in Ländern ein, in<br />
denen es offiziell unterstützt wird. Ein<br />
Großteil der in Österreich erhältlichen<br />
Nestlé-Produkte wird in einem gemeinsamem<br />
Verpackungskonzept mit diesen<br />
Ländern vertrieben, daher werden<br />
Lebensmittel mit Nutri-Score-Bewertung<br />
auf der Verpackung nach Österreich<br />
kommen. Lidl verkündete Ende 2<strong>01</strong>9, für<br />
seine Eigenmarken die in Deutschland<br />
bekannte Nutri-Score-Kennzeichnung<br />
auch in Österreich einzuführen. „Sobald<br />
die rechtlichen Rahmenbedingungen für<br />
eine Einführung in Österreich geklärt<br />
sind, werden wir gemeinsam mit unseren<br />
Lieferanten prüfen, wie wir diese<br />
ergänzende Nährwertangabe in Österreich<br />
für unsere Eigenmarken umsetzen<br />
können“, so Dennis Kollmann, Geschäftsleiter<br />
Einkauf bei Lidl Österreich.<br />
▪ Wolfgang Knabl<br />
Was ist Nutri-Score?<br />
Nutri-Score soll Verbrauchern eine<br />
gesündere Ernährung ermöglichen. Das<br />
Bewertungs-System basiert auf einer<br />
fünfstufigen Farbskala von dunkelgrün<br />
bis rot, versehen mit den Buchstaben<br />
A (vorteilhafte Nährwertqualität) bis E<br />
(unvorteilhafte Nährwertqualität). Basis<br />
ist ein Algorithmus, der für ungünstige<br />
Nährstoffe (z.B. Zucker, gesättigte Fette,<br />
Salz) negative Punkte, für günstige<br />
Elemente Pluspunkte vergibt.<br />
März <strong>2020</strong> — 21