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RETAIL 01/2020

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— storys<br />

Kommt die Nährwert-Ampel?<br />

Lebensmittel. Die Diskussion um ein Nährwert-Logo wie<br />

den Nutri-Score auf Lebensmittel-Verpackungen erhitzt die<br />

Gemüter. Eine europäische Bürgerinitiative fordert eine<br />

EU-weite, verpflichtende Kennzeichnung im Ampelsystem.<br />

Ein großes „A“ auf sattem Dunkelgrün:<br />

Daran sollen Konsumenten<br />

Produkte mit einem ausgewogenen<br />

Nährwertprofil erkennen, eine rote<br />

Bewertung und der Buchstabe E stehen<br />

für ungünstige Nährwertqualität. Das<br />

Kennzeichnungs-System Nutri-Score<br />

ist in Frankreich auf freiwilliger Basis<br />

weit verbreitet. Auch Belgien und die<br />

Schweiz unterstützen das System offiziell,<br />

Spanien und Portugal wollen es einführen.<br />

Deutschland hat vor Kurzem die<br />

freiwillige Nutri-Score-Kennzeichnung<br />

von Lebensmitteln beschlossen. Erste<br />

Produzenten in Österreichs größtem<br />

Nachbarland haben bereits angekündigt,<br />

Nutri-Score auf ihren Produkten<br />

anzubringen.<br />

Leben retten?<br />

Teile der Lebensmittelindustrie wehren<br />

sich gegen eine Nährwertkennzeichnung<br />

mit Ampelfarben – viele<br />

Ernährungsexperten fordern aber<br />

genau dies: Würde der Nutri-Score<br />

flächendeckend eingeführt, so könne<br />

das tausende Todesfälle durch ernährungsbedingte<br />

Krankheiten verhindern.<br />

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie<br />

von Wissenschaftlern der Universitäten<br />

Paris, Grenoble und Borbigny. Für<br />

Kritiker ist das System dennoch keine<br />

ideale Lösung. Eine Schwachstelle sei,<br />

dass Nutri-Score mit einer allgemeinen<br />

Bewertung die individuelle Ernährung<br />

verbessern möchte, dabei aber die<br />

unterschiedlichen Bedürfnisse außer<br />

Acht lasse. Zudem werden Konservierungsmittel<br />

und Farbstoffe nicht in<br />

die Berechnung des Nutri-Scores mit<br />

einbezogen. Die Kennzeichnung verrate<br />

auch nicht, ob ein Produkt nachhaltig<br />

produziert werde, meinen Kritiker.<br />

Kritische Stimmen<br />

Demnach seien Systeme sinnvoller, die<br />

jedem Konsumenten die Informationen<br />

geben, die er braucht, um selbst zu entscheiden,<br />

wie die enthaltenen Nährwerte<br />

zu seinem individuellen Bedarf passen.<br />

Mit der verpflichtenden Nährwertkennzeichnung<br />

in Tabellenform ist dies in<br />

Österreich seit Jahren Standard. Diese<br />

Nährwertkennzeichnung sehen manche<br />

allerdings als „Zahlenfriedhof“, weitgehend<br />

nutzlos für Laien. Als praktikabel<br />

für Konsumenten und Händler gilt eine<br />

international einheitliche Lösung. Noch<br />

kochen viele Länder diesbezüglich aber<br />

ihr eigenes Süppchen. Neben Nutri-Score<br />

gibt es noch ein britisches Ampel-Logo.<br />

Das skandinavische Keyhole-System ist<br />

eine Positivkennzeichnung auf Basis von<br />

Ernährungsempfehlungen.<br />

Europäische Lösung?<br />

Die Kennzeichnung von Lebensmitteln<br />

ist EU-Recht. Um die Kennzeichnung<br />

via Nutri-Score zu ermöglichen, müssen<br />

Mitgliedstaaten dies formal an die<br />

EU-Kommission melden. Ob der Nutri-<br />

Score in Österreich eingeführt wird,<br />

entscheidet also grundsätzlich die neue<br />

Bundesregierung – möglicherweise<br />

gibt es diesbezüglich aber Änderungen<br />

auf EU-Ebene: Konsumentenschützer<br />

und EU-Abgeordnete fordern von der<br />

EU-Kommission, Nutri-Score EU-weit<br />

verpflichtend einzuführen. Ein zentra -<br />

les Anliegen: Es soll in allen Mitgliedstaaten<br />

die gleiche Kennzeichnung<br />

geben. Eine Europäische Bürgerinitiative<br />

sammelt bis Mai <strong>2020</strong> Unterstützung<br />

für diese EU-weit verpflichtende Nutri-<br />

Score-Lösung. Werden mehr als eine<br />

Million Unterschriften gesammelt, muss<br />

die EU-Kommission tätig werden.<br />

Nutri-Score in Österreich<br />

Als erste Produktreihe in Österreich tragen<br />

seit Februar 2<strong>01</strong>9 die „Fruchtzwerge“<br />

das Nutri-Score-Label, ab März folgten<br />

weitere Danone-Produkte. Der weltgrößte<br />

Nahrungsmittelkonzern Nestlé führt<br />

das System zunächst in Ländern ein, in<br />

denen es offiziell unterstützt wird. Ein<br />

Großteil der in Österreich erhältlichen<br />

Nestlé-Produkte wird in einem gemeinsamem<br />

Verpackungskonzept mit diesen<br />

Ländern vertrieben, daher werden<br />

Lebensmittel mit Nutri-Score-Bewertung<br />

auf der Verpackung nach Österreich<br />

kommen. Lidl verkündete Ende 2<strong>01</strong>9, für<br />

seine Eigenmarken die in Deutschland<br />

bekannte Nutri-Score-Kennzeichnung<br />

auch in Österreich einzuführen. „Sobald<br />

die rechtlichen Rahmenbedingungen für<br />

eine Einführung in Österreich geklärt<br />

sind, werden wir gemeinsam mit unseren<br />

Lieferanten prüfen, wie wir diese<br />

ergänzende Nährwertangabe in Österreich<br />

für unsere Eigenmarken umsetzen<br />

können“, so Dennis Kollmann, Geschäftsleiter<br />

Einkauf bei Lidl Österreich.<br />

▪ Wolfgang Knabl<br />

Was ist Nutri-Score?<br />

Nutri-Score soll Verbrauchern eine<br />

gesündere Ernährung ermöglichen. Das<br />

Bewertungs-System basiert auf einer<br />

fünfstufigen Farbskala von dunkelgrün<br />

bis rot, versehen mit den Buchstaben<br />

A (vorteilhafte Nährwertqualität) bis E<br />

(unvorteilhafte Nährwertqualität). Basis<br />

ist ein Algorithmus, der für ungünstige<br />

Nährstoffe (z.B. Zucker, gesättigte Fette,<br />

Salz) negative Punkte, für günstige<br />

Elemente Pluspunkte vergibt.<br />

März <strong>2020</strong> — 21

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