Schülerzeitung ARGUS 2. Ausgabe Schuljahr 2019/20
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Menschsein
Von nichts kommt nichts?
Nichtstun galt lange als verpönt und zeitraubend. Schließlich ist das Leben kurz und
man sollte seine Zeit auf Erden gut nutzen. Doch Nichtstun ist gesund – und wird zunehmend
gefeiert
Anleitung zum richtigen Niksen
• Schritt 1: Das richtige Plätzchen suchen:
im Haus, in der Natur, auf der Couch, mitten
auf der Waldwiese. Am entspanntesten
nikst man wohl in einer Hängematte.
• Schritt 2: Die Personen um einen herum informieren,
dass man für die nächsten 10 bis
20 Minuten – ganz nach Belieben – unter gar
keinen Umständen gestört werden möchte.
• Schritt 3: Das Handy ausschalten oder
gar nicht erst mitnehmen. Keine aufpoppende
SMS sollte die wohlverdiente
Ruhe stören. Für andere elektronische
Geräte gilt das Gleiche.
• Schritt 4: Entspannen, Nachdenken, Tagträumen
... und womöglich einschlafen.
Als Joanne K. Rowling eines Tages im Zug
nach London saß, die vorüberziehende
Landschaft durch das Fenster betrachtete
und ihre Gedanken schweifen ließ, ereilte sie jener
legendäre Geistesblitz, der ihr Leben komplett
umkrempeln sollte: Es war die Geschichte eines
schwarzhaarigen Jungen, der mit Schlangen reden
konnte und auf eine Schule für Zauberer ging: Harry
Potter war geboren. Es war wohl ein Wink des
Schicksals, dass Rowlings Zug ausgerechnet an diesem
Tag vier Stunden Verspätung hatte. Der heute
weltbekannten Autorin blieb so noch jede Menge
Zeit, um ihre Idee, die in einer sensationellen Bestseller-Reihe
endete, weiterzuspinnen.
So einfach kann man sich also ein erfolgreiches
Buch ausdenken: bei simplem Nichts-Tun. Doch
wahrscheinlich wird der Großteil von uns so einen
Moment nie erleben. Damit beziehe ich mich nicht
nur auf die Tatsache, dass solche Ideen ganz und
gar einzigartig sind, sondern auch auf den Umstand,
dass viele Menschen gar nicht in der Lage
sind, nichts zu tun. In einer Gesellschaft, die stark
auf Leistung ausgerichtet ist, haben sie das Nichtstun
verlernt.
Schon im Kindesalter geht es los: höher, schneller,
weiter. Jeder Sprössling sollte sportlich sein,
musikalisch – und, ach ja, am besten noch gute
Schulnoten im Gepäck haben.
Das ist anstrengend, nicht nur für die heranwachsenden
Generationen, die mit hohen Anforderungen
belastet werden. Auch für die Eltern kann
der Druck irgendwann zu viel werden.
Abgesehen von den zahlreichen Studien, die zu
diesem Thema bereits gemacht wurden, versteht es
sich doch eigentlich von selbst: Solch ein Lebensstil
kann auf Dauer nicht gesund sein.
Gegen das Gefühl, getrieben zu werden, stemmt
sich ein neuer Trend aus den Niederlanden: das sogenannte
„Niksen“ – was so viel wie „nichts tun“
bedeutet. Da Nichtstun oft automatisch mit Faulenzen
in Verbindung gebracht wird, und das wiederum
in unserer Gesellschaft einen negativen Beigeschmack
hat, ist der Trend bisher vornehmlich auf
Wellnessfreunde beschränkt. Doch jeder von uns
könnte ab und an eine halbe Stunde Niksen vertragen,
schließlich verringert es laut Angaben des
Nachrichtensenders n.tv Angstzustände, bremst
Alterungsprozesse und stärkt unsere Abwehrkräfte.
Wem reines Niksen zu schwer fällt, der kann
auf halbautomatische Tätigkeiten wie Stricken zurückgreifen.
Auch nicht geplante Pausen lassen sich
öfter einlegen als gedacht, beispielsweise während
der Wartezeit beim Arzt. Wichtig dabei ist, das Handy
nicht aus der Tasche zu ziehen und sich nicht
von der Meinung anderer beeinflussen zu lassen,
die einem möglicherweise schiefe Blicke zuwerfen,
wenn man einfach nur dasitzt. Sicher ist: Die Verlangsamung
tut gut.
Übrigens, der Clou an der Sache ist der, dass
Niksen ein ganz und gar kostenloses Vergnügen
darstellt.
Anna Recla, 3aS
argus
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