packaging journal 4-5_2020
Themenschwerpunkte der Ausgabe: Special Verpackungsdruck und Veredelung, Digitaldruck, Farben, Lacke, Verpackungsmaschinen und Verpackungstechnik, Green Packaging, Pharma und Kosmetik, Etikettieren und Kennzeichnen, Metallverpackungen, Marketing und Design, if Design Award 2020, Unternehmensporträt FLUX-Geräte
Themenschwerpunkte der Ausgabe:
Special Verpackungsdruck und Veredelung, Digitaldruck, Farben, Lacke, Verpackungsmaschinen und Verpackungstechnik, Green Packaging, Pharma und Kosmetik, Etikettieren und Kennzeichnen, Metallverpackungen, Marketing und Design, if Design Award 2020, Unternehmensporträt FLUX-Geräte
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
GREEN PACKAGING<br />
Carolina Schweig im Interview<br />
Carolina Schweig ist<br />
Gründerin und Inhaberin<br />
des Ingenieurbüros<br />
C.E. Schweig.<br />
Frau Schweig, Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel gehören<br />
derzeit zu den gefragten Gütern. Hygiene ist zum Kaufkriterium geworden,<br />
gerade bei Lebensmitteln. Sind Kunststoffverpackungen unter<br />
diesem Aspekt neuerdings die erste Wahl?<br />
Carolina Schweig Ich sehe diese große Bewegung zum Thema Hygiene<br />
sehr kritisch. Da werden Ängste geweckt, mit denen man mehr Kunststoff<br />
rechtfertigt. So werden beispielsweise Folienverpackungen<br />
schon wieder mit Zusatzausstattungen ausgerüstet, etwa mit zusätzlichen<br />
Lack- oder Silberbeschichtungen, die absolut unnötig sind und<br />
das Recycling stören oder gar verhindern. Aber die Konsumenten haben<br />
Angst, sich über den Produktkontakt mit dem Virus anzustecken<br />
und fühlen sich mit noch mehr Kunststoff besser schützen. Wenn man<br />
Konsumenten jetzt fragt, ob Papier oder Kunststoff hygienischer ist,<br />
gewinnt sicherlich der Kunststoff.<br />
Ein weiterer Aspekt, der sich gerade negativ bemerkbar macht, ist der<br />
niedrige Ölpreis. Vor der Krise gab es einen regelrechten Boom zum Recyceln<br />
und zu recyclingfähigen Materialien. Jetzt sind die Rohstoffe für<br />
Kunststoff so preiswert, dass es zu gegenläufigen Entwicklungen kommen<br />
könnte. Mit der Folge, dass das Recycling in den Hintergrund tritt.<br />
Für die Circular Economy kann dies zur echten Herausforderung werden.<br />
Schlechte Zeiten für die Nachhaltigkeit oder auch eine Chance?<br />
Carolina Schweig Wir sollten auch in der Krise Nachhaltigkeit nicht<br />
länger als eine Art grünen Wurmfortsatz behandeln, sondern als Wirtschaftsfaktor<br />
ansehen. Wenn wir jetzt vernünftige Nachhaltigkeitsziele<br />
definieren, dann kann alles – Maschinen, Materialien oder Dienstleistungen<br />
– zukunftsfähig weiterentwickelt werden.<br />
Daher sollten wir die Chancen nutzen, die sich jetzt bieten. Denn vieles<br />
steht angesichts der Corona-Krise auf dem Prüfstand, beispielsweise<br />
die Lieferketten. Logistikwege werden sich in Zukunft ändern, und<br />
man fragt sich bereits, wie wieder mehr Produktion nach Europa geholt<br />
werden kann. Damit verbunden ist ein Technologieaufschwung, mehr Automatisierung<br />
und Digitalisierung. Vielleicht werden wir sogar weniger<br />
reisen, weil vieles ja auch digital funktioniert.<br />
Momentan wird aber öffentlich ein Kampf ausgetragen: Während<br />
die einen möglichst schnell zurück zur Normalität vor Corona wollen,<br />
halten die anderen es für vernünftiger, mit der Lockerung von Maßnahmen<br />
zu warten, Chancen zu sehen und Neues aufzubauen. Es geht nun<br />
auch darum: Schaffen wir es, die Krise als positiven Wettbewerbsfaktor<br />
zu nutzen oder wird sie nur als Bremse gesehen. Wenn sich diejenigen<br />
durchsetzen, die vorwärtsgewandt agieren, dann wird das auch mit mehr<br />
Nachhaltigkeit einhergehen.<br />
In Gesprächen mit Unternehmen stellen wir zudem fest: Firmen, die<br />
einen kooperativen Führungsstil pflegen, die ihre Mitarbeiter an Entscheidungen<br />
beteiligen und nach den Standards der Global Reporting<br />
Initiative (GRI) arbeiten, haben jetzt in der Krise Wettbewerbsvorteile.<br />
Sie können flexibler auf Veränderungen reagieren als Unternehmen, die<br />
eine streng hierarchische Struktur haben. Und man sieht auch sehr deutlich,<br />
dass Firmen, die sich schon vorher um ganzheitliche Nachhaltigkeit<br />
gekümmert haben, auch in der Krise etwas vorweisen können, wie Werner<br />
& Mertz mit ihrer Marke Frosch.<br />
Sehen Sie Trends, in welche Richtung es gehen könnte?<br />
Carolina Schweig Es wird auf jeden Fall ein Überdenken der Lieferwege<br />
geben. Für viele Firmen ist gerade die Infrastruktur zusammengebrochen,<br />
just in time geht derzeit wenig. Hier muss und wird sich ganz sicher<br />
etwas verändern. Im günstigen Fall werden Logistikprozesse zurückgeholt<br />
und neu aufgebaut. Das birgt ein riesiges Potenzial und würde Europa<br />
unabhängiger machen.<br />
Ein Umdenken findet bereits statt, das auch die Verpackungsindustrie<br />
betrifft. Es geht etwa darum, intelligente Verpackungstechnik hier<br />
in Europa anzusiedeln und auf die pseudogünstige Handarbeit aus China<br />
zu verzichten. Die Produktion in China ist ja nicht unbedingt preiswerter.<br />
Es kommt immer darauf an, welche Faktoren man in eine Kalkulation<br />
einbezieht, in Asien wie in Europa.<br />
Zudem sehe ich einen Trend zur Regionalität: Verbraucher wollen<br />
mehr lokal produzierte Produkte, zumindest aber made in Europe. Regional<br />
hergestellte Lebensmittel zum Beispiel erleben einen Aufschwung -<br />
und gerne auch in Packmitteln, die ebenfalls regional produziert werden.<br />
Schon vor der Krise sah man in den Regalen immer häufiger Verpackungen<br />
aus Papier. Ist dies eine positive Entwicklung in Richtung mehr<br />
Nachhaltigkeit oder wird Papier nur subjektiv als umweltfreundlich<br />
empfunden?<br />
Carolina Schweig Das Packmittel Papier ist nicht per se die nachhaltigere<br />
Lösung. In Deutschland wird ein Großteil des benötigen Faserstoffs<br />
importiert. Die Hälfte der bei uns verarbeiteten Zellulose stammt von<br />
Eukalyptusholz, das überwiegend aus Südamerika eingeführt wird. Für<br />
das Klima ist das kontraproduktiv.<br />
Außerdem ist Papier nicht gleich Papier, Faser nicht gleich Faser. Daher<br />
macht es als Packmittel nur Sinn, wenn die entsprechende Funktionalität<br />
gegeben ist. Hersteller sollten sich also fragen, was sie wirklich<br />
brauchen. Wenn es um Nachhaltigkeit geht, spielt nicht nur die Herkunft<br />
des Zellstoffs eine Rolle. Von der Art des Papiers über die Menge der<br />
eingesetzten Ressourcen bis hin zur Effizienz auf der Verpackungsanlage<br />
spielen viele Kriterien eine Rolle. Verpackungen aus nachwachsenden<br />
Rohstoffen sind sicherlich gut, ebenso der Einsatz von recycelten Stoffen<br />
wie Altpapier. Für manche Anwendungen ist aber eine dünne Monofolie<br />
umweltfreundlicher als eine Lösung aus Papier oder Karton, die schwerer<br />
ist oder eine weniger gute Barriere bietet. Ein echtes nachhaltiges<br />
Verpackungskonzept muss eben immer sehr gut durchdacht werden.<br />
>> www.ceschweig.com<br />
Thinking Ahead<br />
Only a few weeks ago, plastic <strong>packaging</strong> was still rather unpopular<br />
with many of the consumers. In times of Covid-19, hygiene as such has<br />
moved into the focus of attention and consumers, in particular in terms<br />
of food, rather prefer to opt for packaged products. We have spoken to<br />
the <strong>packaging</strong> consultant Carolina Schweig about the effects the pandemic<br />
has on the <strong>packaging</strong> world.<br />
01 04-05 | <strong>2020</strong> | <strong>2020</strong><br />
www.<strong>packaging</strong>-<strong>journal</strong>.de 39