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Leo Juli / August 2020

Leo – queeres Stadtmagazin für München

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REISE<br />

URLAUB <strong>2020</strong> – WAS JETZT?<br />

FOTO: TEDDY TRAVEL<br />

Urlaubspläne geplatzt, Existenzen<br />

bedroht – die Corona-Krise sorgt<br />

auch in der LGBTIQ*-Tourismusbranche<br />

für einige Unsicherheit.<br />

In den Räumen des Kölner Reisebüros<br />

Teddy Travel herrscht aktuell gähnende<br />

Leere. Seit 37 Jahren ist Jochen Volland<br />

Inhaber des traditionsreichen schwulen<br />

Unternehmens in der Mathiasstraße,<br />

dessen Kunden zu etwa fünfzig Prozent<br />

aus der LGBTIQ*-Community stammen.<br />

Die Corona-Krise hat fast alle Reisepläne<br />

zunichtegemacht. „Zwischen März und<br />

Mai hatten wir kaum neue Buchungen und<br />

auch nach den Lockerungen ist bisher keine<br />

Verbesserung zu spüren“, so Volland. „Das<br />

gesamte Team ist in Kurzarbeit und das<br />

wird auch wohl bis September oder Oktober<br />

so bleiben.“ Zwar hat Volland die erste<br />

staatliche Hilfe von 9.000 Euro<br />

schnell bekommen, um einen<br />

Kredit der KfW, der ihm das<br />

Überleben für ein Jahr ohne<br />

Gewinne sichert, musste er<br />

allerdings hart kämpfen. Als<br />

Eigentümer der Büroräume<br />

muss er zum Glück keine<br />

Miete zahlen, dafür flossen<br />

allein im März etwa 40.000 Euro<br />

Rückzahlungen an Kunden, deren Urlaub<br />

storniert wurde. „Alle unsere Kunden haben<br />

Geld statt Gutscheine bekommen, allerdings<br />

weigern sich Fluggesellschaften wie<br />

Lufthansa, Eurowings oder KLM/Air France<br />

beharrlich, die gesetzlich vorgeschriebene<br />

Erstattung vorzunehmen, und haben die<br />

entsprechende Funktion in den Buchungssystemen<br />

einfach abgeschaltet“, so Volland.<br />

URLAUB WIRD ANDERS<br />

Auf lange Sicht blickt Jochen Volland<br />

zwar positiv in die Zukunft, kurzfristig<br />

sind für den 60-Jährigen aber längst nicht<br />

FOTO: KERLE.REISEN<br />

alle Unwägbarkeiten geklärt. „Bis es eine<br />

Impfung gibt, wird der Urlaub, wie wir<br />

ihn kennen, sicherlich anders verlaufen.<br />

Wer verreist, muss damit rechnen, dass<br />

vielleicht der Zugang zum Hotelpool<br />

reglementiert wird oder Ähnliches.“ Für<br />

den Winter sieht der Reiseprofi vor allem<br />

eine Chance für Ziele wie die Kanarischen<br />

Inseln oder das Rote Meer. „Bei Langstreckenzielen<br />

wie USA, die Karibik oder<br />

Südamerika sehe ich für die Wintersaison<br />

erst einmal schwarz. Am ehesten werden<br />

wohl Ziele in Fernost wie etwa Thailand<br />

wieder möglich sein“, so Volland.<br />

Kurzfristig sieht er vor allem eine<br />

Chance bei Zielen innerhalb<br />

Deutschlands wie etwa Berlin,<br />

Sylt, den Schwarzwald oder<br />

seine Heimatstadt Köln.<br />

FOTO: PINKTOURS<br />

KERLE REISEN<br />

INDIVIDUELL<br />

Das Thema „Heimat<br />

erkunden“ spielt auch<br />

bei dem im Frankfurter<br />

Raum ansässigen<br />

Reisevermittler Kerle.<br />

reisen eine wichtige<br />

Rolle. „Wir haben aktuell<br />

viele individuelle Touren in<br />

Deutschland, Österreich und<br />

der Schweiz aufgenommen und bieten<br />

spannende Programme etwa an der<br />

Nordsee oder nach Bayern an“, so der<br />

Inhaber Martin Richter. Normalerweise<br />

hat sich sein vor vier Jahren gegründetes<br />

Unternehmen auf Aktiv-Gruppenreisen für<br />

schwule Männer spezialisiert. Nun mussten<br />

für <strong>2020</strong> bereits dreißig Reisen abgesagt<br />

werden. In der Existenz bedroht sieht sich<br />

Martin Richter noch nicht. „Im Moment<br />

leben wir von unseren Rücklagen, und auch<br />

die 9.000 Euro staatliche Corona-Hilfe<br />

haben wir in Anspruch genommen“, so<br />

der 41-Jährige. Die ersten Gruppenreisen,<br />

etwa in den Bayerischen Wald Anfang<br />

<strong>Juli</strong> oder rund um die Ostsee Mitte <strong>Juli</strong>,<br />

werden voraussichtlich stattfinden. „Wir<br />

sind optimistisch, dass die Gruppenreisen<br />

im Herbst, etwa nach Taiwan oder Namibia,<br />

ebenfalls durchgeführt werden können.<br />

Das Buchungsinteresse ist da und die<br />

Teilnehmer gehen kein Risiko ein, wenn<br />

die Reise doch noch abgesagt wird, da das<br />

Geld erstattet wird.“<br />

KUNDEN<br />

VERUNSICHERT<br />

Erst einmal keine<br />

Gruppenreisen<br />

plant dagegen<br />

Claus Abraham.<br />

Der 56-jährige<br />

Franke vermittelt<br />

unter der Marke<br />

Pinktours individuelle<br />

Urlaube, veranstaltet aber<br />

auch selbst Gruppenreisen.<br />

„Coronabedingt mussten wir unsere Reisen<br />

zum Songkran-Festival nach Bangkok und<br />

zum Tel Aviv Pride absagen“, so Abraham.<br />

Auch er nahm die staatliche Corona-Hilfe<br />

in Anspruch und schickte seine Mitarbeiter<br />

in Kurzarbeit. „Seit 18. März sehen wir so<br />

gut wie keine Buchungen, die Kunden sind<br />

extrem zurückhaltend“, so der Pinktours-<br />

Chef, der im Moment hauptsächlich mit der<br />

Abwicklung von Stornierungen beschäftigt<br />

ist. „Wenn man die Bilder von Flugbegleitern<br />

sieht, die wie auf einer Intensivstation<br />

herumrennen, ist der Kunde natürlich verunsichert“.<br />

Chancen sieht auch er für Reiseziele<br />

wie die Kanaren oder Thailand. Doch nachdem<br />

die Bundesregierung angekündigt hat,<br />

bei einer möglichen zweiten Corona-Welle<br />

keine Rückholaktionen mehr durchzuführen,<br />

sieht Abraham auch hier ein gewisses Risiko,<br />

das nicht jeder eingehen will. *dax

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