Carrossier_2020_05
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Mit dem Servicemobil können die interBUS-Mitarbeiter<br />
Rollmaterial vor Ort lackieren.<br />
Auf Instagram ein Hit: Reparatur der Carrosserie W. Fanger GmbH eines<br />
Rolls-Royce Ghost, bei der alleine die Teile 37 000 Franken kosten.<br />
auch die acht Ersatzfahrzeuge jeweils<br />
intensiv gereinigt. «Wir haben im Aussenbereich<br />
Tische im geforderten Abstand<br />
hingestellt. Während wir die Offerte<br />
vorbereiten, können sich die Kunden<br />
an der schönen neuen Gastromaschine<br />
selbst bedienen. Auch die Spielecke für<br />
Kinder kommt sehr gut an.» Ersatzlos<br />
gestrichen wurde der im April vorgesehene<br />
Tag der offenen Türe. Die Marketingaktivitäten<br />
verlagerten sich auf re gionale<br />
Medien und das Internet. Der von Valentin<br />
Fanger betreute Instagram- Account<br />
(carrosserie_w.fanger) komme bei den<br />
jungen Leuten gut an, besonders wenn<br />
spektakuläre Projekte gezeigt werden,<br />
wie etwa die Reparatur eines Rolls-Royce.<br />
«So was wollen die Leute sehen. Und<br />
es steigert den Bekanntheitsgrad.» Neu<br />
ist auch die Gratis-Ladesta tion für Elektrofahrzeuge,<br />
die von der Solaranlage<br />
auf dem Dach gespeist wird. Und da im<br />
Tuning Barzahlung vorherrscht, sind gerade<br />
die jüngeren Kunden sehr happy,<br />
dass sie bei Fanger kontaktlos mit Twint<br />
bezahlen können.<br />
Diversifikation entlastet nicht<br />
automatisch Personal<br />
«Wir haben genau 60 Jahre auf dem Buckel»,<br />
erzählt Theo Imfeld, dessen Vater<br />
das Unternehmen Imfeld Fahrzeugbau in<br />
Alpnach Dorf gegründet hatte. Insgesamt<br />
beschäftigt das Unternehmen zwölf Personen<br />
in den beiden Abteilungen «Fahrzeugbau<br />
Schlosserei» und «Forstartikel<br />
Mo torgeräte». «Im Fahrzeugbau geht es<br />
meistens um Einzelanfertigungen, Spezialanfertigungen<br />
sowie Anhänger in verschiedenster<br />
Ausführung, die wir veredeln,<br />
ausbauen oder umbauen», so<br />
Imfeld weiter. Im breit aufgestellten Bereich<br />
Forstartikel werden Motorgeräte<br />
der Marken Honda, Stihl und Husqvarna<br />
mit Bekleidung und Zubehör verkauft,<br />
man kümmert sich um Service, Reparaturen<br />
und Abänderungen. Die Kunden<br />
werden in einem Verkaufslokal bedient.<br />
«Als der Lockdown kam, habe ich sofort<br />
vorsorglich Kurzarbeit angemeldet – ob<br />
ich es brauchen würde oder nicht. Tatsächlich<br />
mussten wir sie im März und<br />
April in Anspruch nehmen. Es hatte kurzfristige<br />
Offertabsagen gegeben und Fahrzeuge<br />
wurden nicht geliefert. Das hat uns<br />
etwas Angst gemacht. Wir haben jeden<br />
Morgen die Leute informiert und die Situation<br />
besprochen, auch über die Hygienemassnahmen.<br />
Wir haben sofort<br />
versucht, den Alltag der Situation anzupassen.<br />
Wir konnten die Ausfälle während<br />
den beiden Monaten über sehr viele Kleinaufträge<br />
kompensieren. Die Leute waren<br />
zu Hause, hatten plötzlich Zeit und sind<br />
vorbeigekommen für ein Rohr, einen Winkel<br />
oder eine Abdeckung, vieles kurzfristig.<br />
Da wir ein für unsere Grösse verhältnismässig<br />
umfassendes Materiallager<br />
haben, konnten wir die meisten Wünsche<br />
sofort erfüllen. Wir waren uns schon gewohnt,<br />
kurzfristig und flexibel zu arbeiten.<br />
Nun war es einfach viel intensiver.»<br />
Die Natur machte die Kunden wild<br />
Hektisch lief es im Geschäfts bereich<br />
«Forstartikel Motorgeräte»: «Da sind wir<br />
überrollt worden», erzählt Imfeld. Durch<br />
die jeweilige Spezialisierung sei es leider<br />
nicht möglich gewesen, das Personal zu<br />
verlagern. «Das war nicht ganz so einfach»,<br />
erinnert er sich. «Die einen mussten<br />
am Mittag nach Hause, die anderen<br />
abends bis 19 oder 20 Uhr arbeiten.» Ausschlaggebend<br />
war unter anderem das<br />
schöne Wetter, das die Natur zum Blühen<br />
brachte. In der Forst- und Landwirtschaft,<br />
im Gartenbau, in der Baubranche und auf<br />
den Gemeinden galt «business as usual»,<br />
alle arbeiteten wie sonst auch. «Und bei<br />
Privaten wurden schlummernde Wünsche<br />
geweckt. Auch das war alles wieder<br />
sehr, sehr schnell und kurzfristig.» Ein<br />
befreundeter Gartenbauer erzählte ihm,<br />
dass er etwa das zehnfache an Erde umgesetzt<br />
hatte wie üblich in dieser Zeit.<br />
Imfeld konnte in dieser Zeit vom eigenen<br />
Lager sowie den Lagern der Lieferanten<br />
profitieren. «Das hat gut funktioniert, aber<br />
jetzt stossen wir an Lieferengpässe. Maschinen<br />
und Ersatzteile können zum Teil<br />
nicht geliefert werden. Manche Werke<br />
waren geschlossen und die Auswirkungen<br />
des Unterbruchs der globalen Lieferketten<br />
bekommen wir jetzt zu spüren. Und<br />
je grösser der Lieferant, umso grösser die<br />
Rückstände.» Und wenn die Ersatzteile<br />
nicht da sind, stehen die Geräte still.<br />
Weniger kritisch sei die Situation im Fahrzeugbau.<br />
Dazu Imfeld: «Wir haben ziemlich<br />
viele Schweizer Zulieferer, und die<br />
haben meist gute Lager und auch sonst<br />
sehr gut reagiert. Einzig bei den Anhänger-Lieferanten<br />
verzögern sich die Ablieferungen.<br />
Es dauert immer noch länger<br />
und man muss bis zehn Tage Geduld haben,<br />
während vorher alles innerhalb 24<br />
Stunden geliefert wurde.» Über die Zukunft<br />
will sich Imfeld nicht zu viele Gedanken<br />
machen. Die Arbeit war während des<br />
Lockdowns da, doch handelte es sich um<br />
bereits vor der Krise budgetierte Aufträge.<br />
«Wir können nicht Kaffeesatzlesen, konnten<br />
jedoch feststellen, dass wir auf unsere<br />
Stammkunden zählen, flexibel und vielseitig<br />
arbeiten können und somit ein wenig<br />
krisenfest sind. In den 60 Jahren auf dem<br />
Markt mussten wir zum ersten Mal Kurzarbeit<br />
anmelden. Das sitzt uns noch etwas<br />
im Nacken. Doch wie alle anderen, müssen<br />
auch wir jeden Tag nehmen, wie er kommt.<br />
Für viele ist es keine einfache Zeit, aber es<br />
ist – zumindest für uns – ein Klagen auf<br />
hohem Niveau.» <br />
●<br />
Text: Henrik Petro<br />
Bilder: Bruno Moser, Betriebe<br />
carrossier Nr. 5 / August <strong>2020</strong>11